Berlin. Experte Prof. Thomalla verrät, was einem Schlaganfall vorbeugen kann, was Angehörige wissen müssen und welche Therapien es gibt.

  • Schlaganfälle können die Betroffenen langfristig beeinträchtigen
  • Diabetes- und Bluthochdruckpatienten sind besonders gefährdet
  • Ein Experte gibt handfeste Tipps zur Vorbeugung

Neurologische Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer oder Schlaganfälle gelten meist als Erkrankung des Alters. In der Serie „Die Hirn-Docs“ der Funke-Tageszeitungen klären fünf Experten der Deutschen Hirnstiftung über die neusten Erkenntnisse in der Neurologie auf.

Besonders Schlaganfälle sind eine schwere neurologische Erkrankung und gehören zu den häufigsten Todesarten der Deutschen. Im aktuellen Beitrag erklärt Prof. Dr. Götz Thomalla, Experte der Deutschen Hirnstiftung, woran man einen Schlaganfall erkennt, wie man vorbeugen kann und welche Therapieformen es gibt.

Tipp: Für Fragen rund um das Thema Schlaganfall bietet die Deutsche Hirnstiftung eine telefonische Sprechstunde an, bei der Sie sich mit Ihrem Anliegen melden können. Jeden Montag (14 bis 18 Uhr) und Mittwoch (10 bis 14 Uhr) können Sie dort unter der Rufnummer 030/ 531437935 (kostenfrei, es fallen die normalen Telefongebühren Ihres Betreibers an) Ihre Anfragen stellen. Alternativ können Sie Ihr Anliegen auch schriftlich unter https://hirnstiftung.org/beratung/ einreichen. Wichtig: Diese Beratung ersetzt keine ärztliche Behandlung!

Schlaganfälle: Zahl steigt rasant an

Studien zufolge nimmt die Krankheitslast durch Schlaganfälle seit 30 Jahren weltweit stark zu. Die Zahl akuter Schlaganfälle stieg seit 1990 um ungefähr 70 Prozent, die Zahl schlaganfallbedingter Todesfälle um 43 Prozent. Allein in Deutschland erleiden jährlich circa 270.000 Menschen einen Schlaganfall. Diese hohe Zahl ist auch dem demografischen Wandel geschuldet, da es zum einen mehr Menschen gibt, und auch mehr ältere Menschen.

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Die Folgen eines Schlaganfalls können gravierend sein. Innerhalb des ersten Folgejahres verstirbt ein Viertel bis ein Drittel aller Betroffenen. Schlaganfälle sind außerdem der häufigste Grund für erworbene Behinderungen im Erwachsenenalter.

Hirn-Docs Themenbild NEU
„Die Hirn-Docs“ ist die neue Serie der Funke-Tageszeitungen, in der fünf Top-Neurologen der Deutschen Hirnstiftung über die neusten Erkenntnisse in den Bereichen Alzheimer, Parkinson, Schlaganfall, Schmerzen und funktionelle Störungen berichten. © Montage ZRB | Klinikum Fürth; Uniklinikum Aachen; UKSH; UKE; Agentur Adverb

Taubheitsgefühl & Schwindel: Anzeichen für einen Schlaganfall

Für einen Angehörigen oder Mitmenschen kann es lebensrettend sein, wenn erste Anzeichen und Symptome eines Schlaganfalls erkannt und rasch die richtigen Maßnahmen ergriffen werden. Jede Minute zählt. Typische Anzeichen können beispielsweise plötzlich auftretende Sprachstörungen, Paresen (Lähmungen) oder Taubheitsgefühl, Schwindel mit Gangunsicherheit, Sehstörungen oder auch starke Kopfschmerzen sein. All das kann auf einen Schlaganfall hinweisen und sollte daher schnellstmöglich untersucht und abgeklärt werden.

Die meisten Schlaganfälle lassen sich auch von Laien-Helfern mit dem sogenannten FAST-Test in sehr kurzer Zeit feststellen. FAST steht für Face (verzogenes Gesicht), Arms (Armhalteschwäche), Speech (Sprachstörung) und Time (Wie lange hat der Betroffene schon Symptome?). Hat der Betroffene auch nur mit einer der drei Aufgaben Probleme, ist der Notruf 112 zu wählen.

„Time is Brain“: Je schneller die Therapier erfolgt, desto höher die Heilungschancen

Ein akuter Schlaganfall ist wie der Herzinfarkt ein medizinischer Notfall, der auch als solcher sofort behandelt werden muss.  Die Verdachtsdiagnose wird in der Klinik (oder in speziell ausgestatteten Krankenwagen, sogenannten STEMOs) mit bildgebenden Verfahren bestätigt.

Parkinson
Schlaganfälle treten jährlich bei rund 270.000 Deutschen auf. © Shutterstock / sfam_photo | sfam_photo

Die meisten Schlaganfälle (etwa 70 Prozent) sind ischämischer Natur. Heißt: Es kommt durch den Verschluss eines hirnversorgenden Blutgefäßes durch ein Blutgerinnsel (Thrombus) zur verminderten Durchblutung eines Hirnareals. Das kann zu Schädigungen des Gewebes und sogar zum Absterben von Gehirnzellen führen. Bei dem selteneren hämorrhagischen Schlaganfall ist eine Einblutung in das Hirngewebe die Ursache für die Beschwerden.

Prof. Thomalla: „Ist es zu einem Schlaganfall gekommen, rettet rasches und richtiges Handeln Gehirnzellen und damit Leben und Lebensqualität. Bei einer Behandlung in der sogenannten Golden Hour, der ersten Stunde nach Auftreten der Symptome, ist die Chance groß, dass der Schlaganfall ganz folgenlos bleibt“, erklärt Prof. Thomalla.

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Therapieverfahren: Unterschied zwischen Lyse und Thrombektomie

Lyse: Ein Therapieverfahren bei verschlossenen Gefäßen ist die Lysetherapie (oder auch Thrombolyse). Hier werden intravenös Medikamente verabreicht, die das Blutgerinnsel auflösen oder körpereigene Abbauenzyme so aktivieren, dass das verstopfte Gefäß wieder durchlässig wird und die dahinterliegenden Bereiche wieder ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden können.

Thrombektomie: Insbesondere bei einem Verschluss größerer Hirnarterien steht zusätzlich zu einer Lysetherapie die sogenannte Thrombektomie zur Verfügung, bei welcher der Thrombus mechanisch aus dem Blutgefäß entfernt wird. Dabei werden meist Katheter verwendet, die an ihrer Spitze ein Drahtgeflecht (Stent) besitzen. Diese Katheter werden so weit vorgeschoben, dass sie hinter dem Thrombus liegen. Dann wird das Gittergeflecht an der Stelle des Thrombus entfaltet, sodass sich das Gerinnsel darin verfängt. Danach wird der Katheter zurückbewegt und der Thrombus so im Ganzen aus dem Gefäß entfernt.

Professor Götz Thomalla Neurologie Hirnstiftung
Prof. Dr. Götz Thomalla ist Schlaganfall-Experte bei der Deutschen Hirnstiftung und am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. © UKE | UKE

Folgeschlaganfälle: Wie man mit Nachsorge vorbeugen muss

„Fast jeder Fünfte, der einen Schlaganfall erleidet, muss innerhalb der nächsten fünf Jahre mit einem Folgeschlaganfall rechnen“, erklärt Prof. Thomalla. Die Nachsorge ist also essenziell. Dafür gelten bestimmte Leitlinien:

  • Erhöhte Blutfettwerte (LDL-Cholesterin) müssen gesenkt werden auf einen Zielwert von weniger als 55 mg/dl.
  • Der Blutdruck sollte auf Werte unter 140 mmHg systolisch gesenkt werden.
  • Vorhofflimmern muss behandelt werden – wie auch Diabetes.
  • Gegebenenfalls Hormonersatztherapie beenden: Für die Mehrzahl der hormonellen Präparate besteht ein erhöhtes Schlaganfall-Risiko. Dies sollte immer in Absprache mit den verordnenden Fachärzten abgestimmt werden.
  • Obstruktives Schlafapnoesyndrom: Bei Vorliegen einer mittel- bis schwergradigen Schlafapnoe sollte eine nächtliche Überdruckbeatmung erfolgen.
  • Lebensstilmodifikation: Regelmäßige körperliche Aktivität, der regelmäßige Verzehr von Obst und Gemüse oder eine mediterrane Diät reduzieren das Risiko eines Folgeschlaganfalls.

Risikofaktoren: Diabetes- und Bluthochdruckpatienten sind besonders gefährdet

Um geeignete Präventionsmaßnahmen umsetzen zu können, sollte jeder die Risikofaktoren kennen. Während Alter und Erbanlagen kaum veränderbar sind, können der Lebensstil, möglicher Bluthochdruck und weitere Vorerkrankungen beeinflusst werden.

Durch einen ungesunden, inaktiven Lebensstil, also Bewegungsmangel, Rauchen, hohen Alkoholkonsum, Fehlernährung und psychosozialen Stress, können sich Erkrankungen wie Diabetes Typ 2, Fettstoffwechselstörungen, Adipositas, Herzerkrankungen wie Rhythmusstörungen und Bluthochdruck entwickeln. Es kommt dann zu krankhaften Gefäßveränderungen (Arteriosklerose), die einen Schlaganfall auslösen können.

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Größter Risikofaktor ist der Bluthochdruck, weil er lange ohne Beschwerden unerkannt und damit unbehandelt bleibt. Über 82 Prozent aller Schlaganfall-Betroffenen hatten zuvor zu hohe Blutdruckwerte. „Wer einem Schlaganfall vorbeugen möchte, sollte neben den bekannten Lebensstilumstellungen auch regelmäßig seinen Blutdruck messen“, betont Prof. Thomalla.

Ist der Blutdruck zu hoch, sollte man etwas dagegen tun. Vorrangig bedeutet das, sein Körpergewicht zu normalisieren und sich mehr zu bewegen. Wenn dies nicht ausreicht, ist eine individuell angepasste Therapie mit blutdrucksenkenden Arzneimitteln erforderlich, um eine dauerhaft gute Blutdruckeinstellung zu erreichen und somit einen der Hauptrisikofaktoren für den Schlaganfall zu bekämpfen.

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Auch Menschen mit Diabetes haben ein erhöhtes Schlaganfall-Risiko und sollten auf die Einstellung ihrer Zuckerwerte achten – und etwa 20 Prozent aller Schlaganfälle gehen auf kardiale Erkrankungen wie die Herzrhythmusstörung mit Vorhofflimmern zurück. Im Herzen bilden sich Blutgerinnsel, die in die Blutbahn ausgeworfen werden und in den engen Gefäßen des Gehirns zu einem Verschluss führen. Warnzeichen wie Herzklopfen, Herzrasen oder Aussetzer sollten deshalb nicht unterschätzt und von einem Herzspezialisten abgeklärt und gegebenenfalls behandelt werden.