Berlin. Die islamistische Hamas hat vier weitere Geiseln übergeben. Zuvor hatte die Terrororganisation ein zynisches Schauspiel inszeniert.
„Sie sind in sicheren Händen und auf dem Weg nachhause.“ Die Stimme des sonst so beherrschten israelischen Militärsprechers Daniel Hagari zittert, als er der Öffentlichkeit in einer Live-Ansprache die freudige Nachricht verkündet: Karina Ariev, Daniella Gilboa, Naama Levy und Liri Albag konnten nach 15 Monaten in Hamas-Gewalt endlich wieder nach Israel zurückkehren.
Die vier Soldatinnen, alle im Alter von 19 oder 20 Jahren, waren am 7. Oktober auf ihrer Basis im Kibbutz Nachal Oz im Süden Israels von Hamas-Terroristen überfallen, gefesselt und nach Gaza verschleppt worden – gemeinsam mit drei weiteren Kameradinnen. Eine von ihnen, Agam Berger, befindet sich immer noch in der Gewalt der Terroristen in Gaza. Zwei weitere wurden von der Armee aus Gaza zurückgebracht – eine von ihnen war bereits tot.
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Israel: Auf dem „Platz der Geiseln“ versammeln sich Menschenmassen
Die vier Frauen hatten erst kurz vor dem 7. Oktober ihren Dienst auf der Basis begonnen. Sie waren junge Soldatinnen voller Erwartungen – nun haben sie 15 Monate Folter überlebt. Ganz Israel kennt ihre Gesichter und ihre Geschichten. Und ganz Israel feierte an diesem Samstag ihre Rückkehr nachhause.
Auf dem „Platz der Geiseln“ in Tel Aviv haben sich Menschenmassen versammelt, um auf großen Leinwänden die Bilder der Rückkehr zu verfolgen. In den Livesendungen der TV-Stationen haben die Moderatorinnen diesmal Taschentücherboxen aufgestellt, da auch bei den routinierten Nachrichtensprechern kein Auge trocken bleibt.
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Hamas inszeniert zynisches Schauspiel
Die Hamas nutzte die Aufmerksamkeit der Welt auch diesmal wieder, um ein zynisches Schauspiel zu inszenieren. Kurz vor der Übergabe der Geiseln an das Rote Kreuz in Gaza ist auf Bildern ist zu sehen, wie die vier Frauen auf eine Bühne gebracht werden, die auf einem Platz in Gaza Stadt aufgebaut worden war – umgeben von einer Menge an Menschen, die ihnen zu johlen. Die vier Soldatinnen wurden in Pseudo-Uniformen gesteckt und tragen „Geschenktaschen“, die ihnen von den Terroristen überreicht worden waren. Lachend winken sie von der Bühne – umringt von bewaffneten, vermummten Hamas-Kämpfern.
This is the moment 🫶
— Israel Defense Forces (@IDF) 25. Januar 2025
Welcome home Liri, Daniella, Karina and Naama. 🇮🇱 pic.twitter.com/1DAbWX9Ix4
Die Eltern der Geiseln, die nahe der Grenze zu Gaza in einem provisorischen Empfangsquartier der Armee auf ihre Töchter warteten und gespannt die Fernsehbilder verfolgten, stießen Erleichterungsschreie aus, als sie die Bilder aus Gaza sahen: Bis zuletzt hatten sie nicht mit Sicherheit gewusst, ob ihre Töchter noch am Leben sind. Zwar hatte die Hamas Anfang Januar ein Video veröffentlicht, auf dem Liri Albag – bleich, verängstigt und zitternd – zu sehen ist. Wie alt die Aufnahme war, konnte aber nicht festgestellt werden. Die Terroristen der Hamas nutzen manipuliertes Bildmaterial als Teil ihrer psychologischen Kriegsführung.
„Liri hat die Hölle überlebt“
Nun konnten Liri, ihre Mutter Shiri und Vater Eli einander endlich wieder in die Arme fallen. „Eine Welle von Erleichterung und Freude“ – so beschreiben sie ihre Gefühle nach dem lang ersehnten Wiedersehen. „Liri hat übermenschliche Kraft bewiesen, sie hat die Hölle überlebt. Wir sind so stolz auf sie“, erklärt die Familie.
„Große Erleichterung – aber auch große Enttäuschung“ empfindet Ron Berger, als er die Bilder der vier freigelassenen Geiseln sieht. Der Großvater von Agam Berger, die mit den vier Soldatinnen verschleppt wurde, hatte gehofft, dass seine Enkelin an diesem Samstag ebenfalls in die Arme schließen würde. Doch als die Hamas am Tag zuvor die Liste mit den vier freizulassenden Soldatinnen schickte, fand sich Agams Name nicht darauf. Berger hofft nun, dass sie am nächsten Samstag endlich nachhause zurückkehren kann. Wenn der Deal nicht schon vorher platzt.
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Hamas hält sich nicht an Vereinbarung
Denn die Hamas hat sich an diesem Samstag nicht an die Vereinbarung gehalten: In den Verhandlungen in Katar hatte die Terrororganisation zugestimmt, zuerst alle Zivilistinnen freizulassen – und dann erst die Soldatinnen. Das geschah aber nicht: Die 29-jährige Arbel Jehud und die 33-jährige Shiri Bibas befinden sich immer noch in Gaza. Bibas‘ Angehörige waren schockiert, als sie sahen, dass Shiri, die mit ihren kleinen Kindern Kfir und Ariel verschleppt worden war, nicht auf der Liste der vier Freizulassenden stand.
„Eine Welt ist für uns zusammengebrochen“, schreibt Bibas‘ Familie in einer Stellungnahme. Niemand weiß, ob die Frau und die beiden Kinder noch am Leben sind. Die Armee sagt dazu noch so viel: „Es gibt ernste Besorgnis um ihr Schicksal.“
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Israel verlangt mehr als nur Worte
Israel hat bereits auf den Bruch des Abkommens durch die Hamas reagiert: Die Rückkehr von Tausenden Binnenflüchtlingen aus dem Süden Gazas in ihre Heimat im Norden hätte bereits kurz nach der Übergabe der Geiseln beginnen sollen – doch der Netzarim-Korridor, der den Norden Gazas vom Süden trennt, bleibt vorerst geschlossen und wird von Israels Armee streng bewacht.
„Israel wird den Transfer von Zivilisten in Gaza in den Norden des Gazastreifens nicht erlauben, solange die Rückkehr von Yehud Arbel nicht arrangiert worden ist“, erklärt das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Die Hamas hat zwar schon zugesagt, dass Arbel am nächsten Samstag freigelassen wird. Israel verlangt aber mehr als nur Worte: Die Armee fordert eindeutige Beweise, dass Arbel noch am Leben ist.
Im Gegenzug für die vier Geiseln hat Israel 200 palästinensische Gefangene aus israelischen Haftanstalten entlassen. Unter ihnen sind auch Mörder und zu lebenslanger Haft verurteilte Terroristen. Sie dürfen nicht zu ihren Familien ins Westjordanland zurückkehren, sondern werden nach Gaza und Ägypten abgeschoben.
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