Berlin. Das Reich des Kreml-Herrschers ist zum Refugium für Anti-Liberale geworden – Assad ist nicht der erste. Putin fördert das ganz bewusst.
Hält sich Syriens gestürzter Diktator Baschar al-Assad wirklich in Moskau auf? Dafür gibt es Indizien, vieles spricht dafür – die Immobilien des Assad-Clans, mutmaßlich finanziert durch die Fentanyl-Produktion in Syrien; die jüngsten Besuche der Assads, kurz vor Beginn der Rebellen-Offensive. In Medien weltweit wird spekuliert, ob sich der von Luxus verwöhnte Assad im Geschäftsviertel „City of Capitals“ aufhält, wo der Familie mehrere Immobilien gehören. Doch genau weiß man es nicht.
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Assad ist bei Weitem nicht die einzige zwielichtige Gestalt, die in Russland auf Ruhe hofft. Darauf, buchstäblich aus der Schusslinie zu kommen. Aus Deutschland, aus Österreich, aus den USA suchen unterschiedlichste Personen Putins Nähe. Mit einem Massaker beauftragenden Diktator wie Assad sind sie nicht gleichzusetzen – ungesetzliche oder zumindest anrüchige Handlungen sind ihnen aber gemein.
Jan Marsalek, Wirecard-Manager
Jan Marsalek ist eine der ominösesten Figuren des Skandals des deutschen Finanzdienstleisters Wirecard. Der einstige Dax-Konzern kollabierte im Juni 2020 spektakulär, weil rund 1,9 Milliarden Euro nicht mehr auffindbar waren. Als wäre der größte Finanzskandal der deutschen Geschichte mit Luftbuchungen, theaterreifen Inszenierungen bei Prüfungen und einem Versagen der Behörden und Testierer nicht schon spektakulär genug, entwickelte er sich zu einem Spionagekrimi – mit Jan Marsalek in der Hauptrolle.
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Während Teile des Vorstandes um Wirecard-Chef Markus Braun in Untersuchungshaft mussten und heute vor Gericht stehen, setzte sich Marsalek in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit einer Privatmaschine ab. Seine Geschichte ist heute bereits Stoff für Verfilmungen und füllt Bücher. Marsalek hatte offenbar beste Kontakte zu den russischen Geheimdiensten. In London sagten gerade erst in einem Gerichtsprozess drei Bulgaren aus, dass sie im Auftrag Marsaleks für Russland spioniert haben sollen. Der heute 46-Jährige soll noch während seiner Manager-Karriere damit geprahlt haben, im Besitz der Nowitschok-Formel zu sein – dem Nervengift, mit dem Sergej Skripal und dessen Tochter sowie Kreml-Kritiker Alexej Nawalny vergiftet worden waren. Marsalek soll in einer Villa nahe Moskau Unterschlupf gefunden haben.
Karin Kneissl, frühere österreichische Außenministerin
Kneissl, Jahrgang 1965, fungierte von Dezember 2017 bis Mai 2019 als österreichische Außenministerin (parteilos). Sie ist schon lange eine enge Freundin Wladimir Putins. Vor sechs Jahren tanzte sie auf ihrer Hochzeit in der Steiermark mit ihrem Ehrengast Wladimir Wladimirowitsch, der ihr dabei tief in die Augen sah. Auch Sebastian Kurz und der FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache waren zu Gast. National und international gab es harsche Kritik an dem 90-minütigen Auftritt.
Doch Kneissl ließ von ihrer Russlandverbindung nicht ab. Seit 2023 lebt sie in Sankt Petersburg und leitet dort die Denkfabrik Gorki. Zudem hat Putin sie zur Botschafterin zum Schutz der bedrohten Amurtiger ernannt.
Matthias Moosdorf, außenpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion
Der 59-jährige AfD-Politiker ist Cellist und großer Russlandfreund. Seit 2021 ist er Bundestagsabgeordneter. Im Oktober wurde bekannt, dass der Leipziger an der Moskauer Gnessin-Hochschule als Honorarprofessor unterrichten wird. Er will einmal pro Quartal für mehrere Tage in Moskau sein. Politik interessiere ihn dabei nicht, es gehe nur um die Musik. Die AfD fällt immer wieder mit kremlfreundlichen Äußerungen auf; Gruppen mit Parteimitgliedern sind mehrmals in Russland gewesen.
Gérard Depardieu, „Obelix“-Darsteller
Geläutert ist indes der französische Schauspieler Gérard Depardieu: Einst wollte er Russe werden, bezog eine Wohnung in Moskau, Putin persönlich überreichte ihm die russische Staatsbürgerschaft. Doch 2022 machte Depardieu eine Kehrtwende – begründet mit der russischen Vollinvasion in der Ukraine. Aus dem Kreml hieß es, der heute 75-Jährige verstehe wohl nicht ganz, was passiere.
Wiktor Janukowytsch, Ex-Präsident der Ukraine
Der heute 74-Jährige war zwischen 2002 und 2005 sowie 2006 und 2007 Ministerpräsident der Ukraine. Im Februar 2010 wurde er Präsident des Landes, doch im Zuge der Unruhen ab 2014 setzte ihn das Parlament ab. Der Grund: Janukowytsch hatte die Flucht ergriffen. Am 19. Februar 2014 wurde beobachtet, wie er Bargeld und Wertsachen in Umzugswagen packte. Janukowytsch und seine Familie waren durch undurchsichtige Geschäfte zu Reichtum gekommen. Die BBC bezifferte den Schaden für die Ukraine auf rund 40 Milliarden US-Dollar.
Eine gute Woche nach seinem Fluchtversuch Richtung Krim gewährte ihm Russland Asyl. Nach Beginn der Vollinvasion rief er Wolodymyr Selenskyj zur Aufgabe auf. Gemeldet ist er seither in Rostow am Don, doch ukrainische Quellen gehen davon aus, dass er ein Luxusanwesen nahe Moskau bewohnt.
Russland: Putin unterschreibt attraktiven Erlass für Antiliberale
Es kommt nicht von ungefähr, dass es so viele ausländische Personen ins Russland Putins zieht. Vor geraumer Zeit hat der Staatschef einen Erlass für „Gegner neoliberaler Standpunkte“ unterzeichnet. Man will bewusst Menschen aus dem Ausland aufnehmen, die mit der Politik in ihrem Heimatland nicht einverstanden sind. Dabei geht es um liberale Einstellungen zu LGBTQ+ sowie um Zuwanderung. Versprochen werden „starke familiäre Bindungen, Respekt vor Tradition, kulturellen Stolz und eine Verpflichtung zur Gemeinschaft“. Kenntnisse der russischen Sprache und Kultur müssen die Interessenten nicht nachweisen.
Edward Snowden, amerikanischer Whistleblower
Der Technik-Experte spielt eine ambivalente Rolle: Galt er einst als großer Aufklärer, der sich mit US-Präsident Barack Obama anlegte und Überwachungssoftware öffentlich bekannt machte, ist er seit seiner Aufnahme in Russland 2013 weitgehend abgetaucht. Vor vier Jahren erhielt er eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, seine amerikanische Freundin zog ebenfalls nach Moskau. Die beiden heirateten und bekamen einen Sohn. Für Putin dürfte Snowden ein Schild Richtung Washington sein – “seht her, ich nehme mich eures Staatsbürgers an“. Öffentlich ist im Fall Snowden keine Bewegung bekannt. Sollte er jemals wieder in die USA zurückkehren können, ohne drastische Strafen für seine Whistleblower-Aktivitäten fürchten zu müssen, so ist unklar, ob Putin ihn ohne Gegenleistung ziehen lassen würde.