Washington/New York. Bei Donald Trumps Abschlusskundgebung machen Anhänger rassistische und sexistische Bemerkungen abscheulichster Art. Nicht nur über Harris.
Hässliche Kommentare von Donald Trump und seinen Anhängern über politisch Andersdenkende sind nichts Neues. Aber die Eröffnungsredner der großen Abschlusskundgebung des republikanischen Präsidentschaftskandidaten im Madison Square Garden in New York ließen am Sonntagabend eine Rhetorik erkennen, die in der modernen amerikanischen Geschichte so kurz vor einer Präsidentschaftswahl wohl beispiellos ist. Kann man so neun Tage vor der Wahl unabhängige oder noch unentschlossene Wähler gewinnen?
Etliche Redner machten rassistische und sexistische Bemerkungen der übelsten Art über Vizepräsidentin Kamala Harris, die Demokraten allgemein und Puertoricaner; also US-Bürger. So sagte der Geschäftsmann Grant Cardone, dass Harris „und ihre Zuhälter unser Land zerstören werden“. An die knapp 20 000 Zuschauer (drei Mal so viele warteten draußen und verfolgten das Geschehen über Leinwände) gerichtet fügte er hinzu: „Wir müssen diese Leute schlachten.”
Redner eröffnen Donald Trumps Abschlusskundgebung auf abscheuliche Art
Der erste Redner des Abends, Tony Hinchcliffe, Moderator des Podcasts „Kill Tony“, beleidigte eine für Trump wichtige Wählergruppe: die Latinos. „Sie lieben es, Babys zu machen. Da gibt es kein Zurück. Sie kommen rein, genau wie sie es mit unserem Land machen“, ätzte Hinchcliffe unter lautem Gelächter in der Arena. Dann fügte er hinzu: „Es gibt buchstäblich eine schwimmende Müll-Insel mitten im Ozean. Ich glaube, sie heißt Puerto Rico.“ Gemeint war der mit den USA assoziierte Freistaat in der Karibik.
Zum Verständnis: Allein im Swing State Pennsylvania, den Trump unbedingt gewinnen muss, leben 580.000 wahlberechtigte Latinos. Viele haben ihre Wurzeln in Puerto Rico.
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Dazu zählt auch „Bad Bunny”, einer der erfolgreichsten Pop-Stars, der 40 Millionen Anhänger auf Instagram hat. Er und seine Kollege Ricky Martin (19 Millionen), posteten spontan eine Pro-Kamala Harris-Botschaft. Die Demokratin verspricht in einem Video, den Wiederaufbau auf der von einem Hurrikan verwüsteten Insel zu unterstützen. In sozialen Medien brach ein Sturm der Entrüstung über die Entgleisung von Hinchcliffe los. Der Übeltäter entschuldigte sich mit dem verquasten Hinweis, er sei Komödiant …
Trump-Unterstützer nennt Demokraten: „Judenhasser und Abschaum“
Kurz danach verging sich der Radiomoderator Sid Rosenberg rhetorisch an der früheren Außenministerin Hillary Clinton und den Demokraten („kranker Bastard”). Die gesamte Partei sei „ein kranker Mistkerl. Ein Haufen Degenerierter. Abschaum, Judenhasser und Abschaum. Jeder einzelne von ihnen. Jeder einzelne von ihnen“, brüllte Rosenberg.
Ein anderer Redner, Trumps Jugendfreund David Rem, schimpfte die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris „Antichrist” und „Teufel”. Stephen Miller, Trumps Beauftragter für die Grenze/Massen-Abschiebungen, verkündete in völkischem Ton: „Amerika ist für Amerikaner da und nur für Amerikaner.” J.D. Vance, Trumps Kandidat für die Vize-Präsidentschaft, warf den Demokraten vor, für den versuchten Mordanschlag auf Trump in Pennsylvania verantwortlich zu sein: „Sie haben versucht, ihn zu töten.”
Auf Facebook, X und Instagram wurden Erinnerungen wach an eine Versammlung im Madison Square Garden im Februar 1939. Damals hatte der Adolf Hitler verehrende „German American Bund” eine volksverhetzende Pro-Nazi-Kundgebung mitten in New York abgehalten.
Die Trump-Rhetorik: Amerika am Abgrund und Gespött der Welt
Vor dem Höhepunkt, auf den die Besucher rund fünf Stunden warten mussten, erwiesen Tech-Milliardär Elon Musk und – zum ersten Mal in diesem Wahlkampf – Ex-First Lady Melania Trump mit kurzen Reden dem 78-Jährigen ihre Referenz, für den Lee Greenwood die Trump‘sche Erkennungsmelodie „God bless the USA” live in den Saal schmetterte.
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Trumps Rede, ungefähr da gehalten, wo einst Joe Frazier Muhammad Ali im „Kampf des Jahrhunderts“ besiegte, hangelte sich an den bekannten Versatzstücken entlang: Amerika am Abgrund. Überrannt dank offener Grenze von mordenden Einwanderer-Gangs. Hohe Inflation. Gespött der Welt. Alles schlecht. Kamala Harris und die Demokraten, der „Feind im Innern”, unfähig und dumm. Und an allem schuld.
Der 5. November soll für Trump der „Tag der Befreiung“ werden
Aber: Die Zeiten, dass Amerika ein „besetztes Land” sei, endeten am 5. November – für Trump der „Tag der Befreiung”. Und der Beginn eines Prozesses, der die USA „größer, stärker, stolzer und besser als jemals zuvor” machen werde. Für Harris, die das Land mit ihrer „Inkompetenz” in den Dritten Weltkrieg treibe, werde es dann heißen: „Kamala, Du bist gefeuert, hau ab!” Trump, immer wieder von Jubel unterbrochen, in unumstößlicher Siegerpose: „Wir werden gewinnen!”
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Und dann? Steuern senken, Löhne erhöhen, den Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten beenden, das Militär wieder aufbauen, noch mehr nach Öl und Gas bohren.
Donald Trump will in New York geliebt werden
Warum zahlt ein Präsidentschaftskandidat eine Million Dollar für eine Show in einem Bundesstaat, den er nach aller Erfahrung nicht gewinnen kann? Donald Trump, sagen US-Analysten, kann nicht anders, als seinen tiefsten Wunsch zu zeigen, von New York geliebt zu werden – „und dann der Stadt, aus der er kommt, deren uneingeschränkte Bewunderung er sucht und nie bekommt, den Mittelfinger zu zeigen“.
New York ist für Trump die Bühne seiner größten Erfolge – der Trump Tower und viele andere Immobilien-Geschäfte – und der noch größeren Demütigungen.
Kann Trump den tiefblauen Bundesstaat erobern?
Hier wurde er erst vor wenigen Monaten wegen Verleumdung und sexueller Nötigung für schuldig befunden und vom Richter im Fall E. Jean Carroll als Vergewaltiger bezeichnet und zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von 83,3 Millionen US-Dollar verurteilt.
Hier wurde er wegen Finanzbetrugs für schuldig befunden und zu einer Zahlung von 364 Millionen Dollar für unrechtmäßig erworbene Gewinne verdonnert. Wie auch wegen 34 Kapitalverbrechen des Finanzbetrugs für Schweigegeldzahlungen an einen weiblichen Pornostar, mit dem er eine Affäre hatte. Hier hat er einst gesagt, er könne auf der Prachtmeile Fifth Avenue jemand am helllichten Tag erschießen, ohne von den Wählern abgestraft zu werden.
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Politisch haben Republikaner aber in New York bei Präsidentschaftswahlen seit 40 Jahren nichts mehr zu bestellen. Ronald Reagan war 1984 der letzte Erfolg. Trump strickt seit Monaten an der Legende, dass seine tiefblaue, sprich: demokratische „hood“ am 5. November gewonnen werden könne. Die vielen verbalen Ausfälle, die Häme, die allein über Puerto Rico ausgeschüttet wurde, könnten diesen Plan durchkreuzen.