Beirut. Im Kampf gegen die Hisbollah nimmt Israel die libanesische Hauptstadt Beirut unter Beschuss. Ein Bewohner berichtet, wie es ihm ergeht.

In der Nacht auf Freitag hat Salam Aldeen nur wenig geschlafen. Erneut haben heftige Explosionen die libanesische Hauptstadt Beirut erschüttert. Wieder sind Geschosse in den südlichen Vororten eingeschlagen, den Hochburgen der Hisbollah. Aldeen zählt mindestens ein Dutzend Einschläge. „Es war unfassbar laut“, sagt der Gründer der Hilfsorganisation „Team Humanity“. Er ist in einem Wohnhaus untergebracht, das nur etwa einen Kilometer entfernt von Dahieh liegt, dem Beiruter Vorort, in dem am Freitag Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bei einem Luftschlag getötet wurde. Der jüngste Angriff soll seinem Nachfolger gegolten haben. 

In der Nacht zuvor trifft ein Luftschlag ein Gebäude im Stadtviertel Basta-Bachoura im Zentrum der Stadt. Sechs Menschen sterben, berichten die libanesischen Gesundheitsbehörden. „Was seit zwei Wochen geschieht, ist ein Schock für uns“, sagt Nabil Costa. Nur wenige Hundert Meter entfernt von dem Ort des Bombenangriffs hat er im Stadtteil Msaytbeh mit seiner Organisation Thimar ein Hilfszentrum für die vielen Flüchtlinge aus anderen Landesteilen eingerichtet, die im Herzen Beiruts auf Sicherheit hoffen.

Was das Ziel des israelischen Angriffs im Zentrum Beiruts war, ist unklar. Costa behauptet, es sei ein medizinisches Zentrum getroffen worden. „Es ist eine Schande.“ Er ist libanesischer Christ. Costa hat den verheerenden Bürgerkrieg in den siebziger und achtziger Jahren erlebt, den Libanonkrieg vor achtzehn Jahren. „Das jetzt ist das Schlimmste.“ Die Luftangriffe, durch die am vergangenen Freitag Hisbollah-Chef Nasrallah und andere Kader der Organisation eliminiert wurden, waren heftiger als alles, an das das er sich erinnern kann. „Wir haben so etwas noch nie gesehen.“

Beyrouth le 3 octobre apres une nuit de bombardement
Ein von Raketen getroffenes Haus in Beirut. © picture alliance/dpa/MAXPPP | Sylvain Rostaing / Le Pictorium

Manche Flüchtlinge sind schon zum zweiten Mal dort

Der 67-Jährige ist Chef von Thimar, einer baptistischen Hilfsorganisation, die unter anderem eine Schule im Beiruter Stadtteil Msaytbeh betreibt. In Friedenszeiten werden hier 1300 Kinder und Jugendliche unterrichtet. Jetzt stapeln sich in den Räumen Pakete mit Essen und anderen Hilfsgütern.

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In einem Seminar in Mansourieh, zehn Kilometer östlich von Beirut, hat die Organisation Flüchtlinge aufgenommen. „Wir haben Menschen aus dem Süden des Landes und Beiruts aufgenommen, aus der Bekaa-Ebene, aus dem Norden.“ Manche der Flüchtlinge, waren schon einmal hier. Das war 2006, als die Hisbollah und Israel im Sommer einen Monat lang Krieg führten. Damals starben bei den Auseinandersetzungen etwa 1500 Menschen, drei Viertel von ihnen Zivilisten.

Jetzt hält der Krieg schon deutlich länger an. Die Hisbollah hatte am 8. Oktober begonnen, den Norden Israels zu bombardieren, aus Solidarität mit der Hamas, deren Terrorüberfall auf Israel am Tag zuvor den Gazakrieg ausgelöst hatte. Lange Zeit beschränkte sich der Waffengang auf Scharmützel an der israelisch-libanesischen Grenze, jedoch mussten 60.000 Israelis ihre grenznahen Dörfer und Kleinstädte verlassen.

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Bis zu einer Million Libanesen sollen auf der Flucht sein

Seit Mitte September eskaliert der Konflikt massiv. Israel bombardiert seitdem intensiv die militärische Infrastruktur der Hisbollah, die häufig in Wohngebieten positioniert ist. Die Opferzahlen sind bereits höher als in dem Krieg vor achtzehn Jahren. Bis zu einer Million Libanesen sollen mittlerweile geflohen sein, manche ins Ausland, die meisten im Land selbst. Das libanesische Bildungsministerium hat auch die öffentlichen Schulen aufgefordert, Flüchtlinge aufzunehmen.

„Es bricht einem das Herz, wenn man die Menschen auf den Straßen oder auf Kinderspielplätzen schlafen sieht“, sagt Costa. Seine Mitarbeiter verteilen jeden Tag Essenspakete, Medikamente und andere Hilfsgüter an Tausende Notleidende. Ohne die Arbeit von Hilfsorganisationen würde alles kollabieren. Der Libanon ist ein ohnehin fragiles Land, die Regierung gilt als schwach. „Die Libanesen selbst sind widerstandsfähig, das Land ist es nicht.“

Costa
Nabil Costa ist Chef von Thimar, einer baptistischen Hilfsorganisation in Beirut. © FFS | FFS

Die Angriffe gehen weiter

Mit dem Einmarsch der israelischen Armee in den Süden des Landes am Anfang der Woche hat sich die Situation noch einmal zugespitzt. Am Boden toben heftige Gefechte. „Die Anspannung in Beirut ist deutlich angestiegen“, berichtet Costa. „Die Menschen sind müde und frustriert.“ Er sagt: „Die internationale Gemeinschaft muss alles tun, damit eine diplomatische Lösung gefunden wird. Wir beten für eine friedliche Lösung und für einen Waffenstillstand.“

Mehr von Israel-Korrespondentin Maria Sterkl

Noch scheint das ein frommer Wunsch zu sein. Auch am Freitag attackiert die Hisbollah Israel mit Raketen, die israelische Artillerie beschießt den Süden des Libanon, die Luftwaffe fliegt weitere Angriffe, vom Mittelmeer aus feuern israelische Kriegsschiffe. Am Freitag ruft die israelische Armee die Bewohner Dutzender Ortschaften im Süd-Libanon zur Flucht auf. Es ist eine Warnung vor weiteren Angriffen.

Israeli army airstrikes on south of Beirut
Rauchschwaden ziehen über Beirut auf. © picture alliance / Anadolu | Houssam Shbaro