Jerusalem. 32 Jahre lang stand Nasrallah an der Spitze der Terrormiliz Hisbollah. Immer wieder suchte er die Konfrontation – bis er einen Fehler machte.

„Sein Tag ist gekommen“: So titelt Israels Zeitung Yediot Achronot am Sonntag mit riesigen Lettern, die sich quer über einen seitenfüllendes Portraitfoto Hassan Nasrallahs ziehen. Israel ist in Feierlaune. Nach der erfolgreichen Tötung des langjährigen Hisbollah-Führers, der das Leben zahlreicher Israelis auf dem Gewissen hat, herrscht Euphorie: Nach vielen erfolglosen Tötungsversuchen ist nun einer der wichtigsten Erzfeinde Israels endgültig von der Bildfläche verschwunden.

Hassan Nasrallah wurde 1960 als Sohn armer Gemüsehändler geboren, die der schiitischen Minderheit angehörten. Er war das älteste von neun Kindern und sein Interesse für islamische Lehren nahm bald eine Wende in eine konservative Auslegung und schließlich hin zum Islamismus.

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Nasrallah formte die Hisbollah zur stärksten nicht-staatlichen Militärmacht

Er studierte im Irak und im Iran, auf seinen Auslandsaufenthalten lernte er auch den Ayatollah Ruhollah Khomeini kennen. Seine guten Beziehungen zum Iran machten ihn zum 1992 logischen Nachfolger von Hisbollah-Führer Said Abbas Mussawi, als dieser von Israel per Raketenbeschuss gezielt getötet wurde. Nasrallah war aber schon davor eine zentrale Figur in der Bewegung, die er mitbegründet hatte.

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Unter seiner Führung wandelte sich die Hisbollah von einer Partei mit sozialen Einrichtungen und einer Miliz zur stärksten nicht-staatlichen militärischen Macht im Nahen Osten. Nasrallah genoss das Vertrauen des Regimes im Iran, er machte die Hisbollah zu einem militanten Außenposten der Revolutionsgarden.

Nicht nur die palästinensische Hamas, sondern auch radikale schiitische Milizen in Syrien, dem Irak und im Jemen wurden von Hisbollah-Kommandanten trainiert. Der 64-Jährige schaffte es im Lauf seiner langen Karriere aber vor allem, in der libanesischen Bevölkerung mehr Zulauf zu erhalten und dort eine Art Staat im Staat aufzubauen.

Ayatollah Ali Khamenei (rechts) bei einem Treffen mit  Hassan Nasrallah in Teheran im Juli 2000. Für den Iran hatte Nasrallah besondere Bedeutung, da seine Hisbollah einen Stellvertreterkrieg mit Israel führte.
Ayatollah Ali Khamenei (rechts) bei einem Treffen mit Hassan Nasrallah in Teheran im Juli 2000. Für den Iran hatte Nasrallah besondere Bedeutung, da seine Hisbollah einen Stellvertreterkrieg mit Israel führte. © AFP | ATTA KENARE

Nasrallah suchte immer wieder die Konfrontation mit Israel

Das gelang ihm nicht zuletzt durch mehrere Konfrontationen mit Israel, die er als Sieg für die Hisbollah verkaufen konnte: zuerst der Abzug der israelischen Truppen aus dem Südlibanon im Jahr 2000, sechs Jahre später dann der Zweite Libanonkrieg. In vielen westlichen Staaten wird die Hisbollah-Miliz als Terrororganisation geführt. Einige ihrer Kommandeure stehen – oder standen, bevor Israels Armee sie in den vergangenen zwei Wochen tötete – auf der Schwarzen Liste gesuchter Terroristen der USA.

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Als am 7. Oktober 2023 Terroristen der Hamas und des Islamischen Dschihads in Israels Süden einfielen und mehr als Tausend Menschen ermordeten sowie 383 nach Gaza verschleppten, zögerte Nasrallah nicht lange, um ebenfalls in den Krieg einzusteigen. Bereits am 8. Oktober befahl er intensiven Raketenbeschuss auf Israels Norden. Bald sah sich Israels Regierung gezwungen, alle Dörfer und Städte binnen fünf Kilometer Entfernung von der Grenze zum Libanon zu evakuieren. Die rund 60.000 Evakuierten konnten bis heute nicht in ihrer Häuser zurückkehren – auch das verbuchte Nasrallah als klaren Sieg der Hisbollah.

Über 8000 Raketen feuerte die Hisbollah im Laufe des Kriegs auf Israels Norden ab. In seiner letzten Rede vor TV-Kameras beschuldigte Nasrallah Israel, mit der Pager-Attacke „alle roten Linien überschritten“ zu haben. Eine Linie hatte der Terrorführer da wohl nicht bedacht – einen tödlichen Anschlag auf ihn selbst.

Mehr von Israel-Korrespondentin Maria Sterkl