Jerusalem. Israelische Soldaten sind in den Libanon eingedrungen, um gegen die Hisbollah vorzugehen. Die Terrormiliz reagiert mit heftigen Angriffen.

Die Hisbollah ist geschwächt, nun rückt Israel in den Libanon vor: Am Montagabend überquerten gegen 22 Uhr die ersten israelischen Soldaten die Grenze, um gegen die Hisbollah vorzugehen. Die Bodenoffensive ist für Israel der nächste Schritt im Kampf gegen die Terrormiliz nach dem spektakulären Geheimdienst-Coup von tausenden explodierenden Pagern und Walkie-Talkies sowie der Tötung von Hisbollah-Anführer Hassan Nasrallah und hochrangigen Kommandeuren in den vergangenen Tagen. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was unternimmt Israel militärisch?

Kurz vor zwei Uhr morgens kam über den offiziellen Pressekanal der Armee die Nachricht, die schon von allen erwartet worden war: Israels Streitkräfte haben mit ihrer Bodenoffensive im Süden des Libanons begonnen.

Laut der Armee handelt es sich um „begrenzte, gezielte und lokale“ Truppeninvasionen entlang Israels nördlicher Grenze: Anders als in Gaza, wo große Bataillons an Bodentruppen einmarschierten, sind es jetzt Eliteeinheiten und Fallschirmjäger, die in der unmittelbaren Grenznähe gegen Stellungen der Hisbollah vorgehen.

Pläne für eine Bodeninvasion gibt es schon länger, seit mindestens einigen Wochen waren auch bereits Spähtrupps der Eliteeinheiten auf der libanesischen Seite der Grenze unterwegs, um die Gegend zu erkunden und die Risikolage für Israels Soldaten auszuloten. Die eindringenden Truppen haben jetzt laut Armee die Aufgabe, das unmittelbare Grenzgebiet von Hisbollah-Stellungen zu befreien, um Israels Norden wieder bewohnbar zu machen. Zugleich findet aber auch schwerer Artilleriebeschuss statt, auch Kampfjets und Drohnen führen weiter Angriffe aus der Luft durch – auch in der Hauptstadt Beirut.

Nahostkonflikt - Israel
Ein israelischer Panzer nahe der israelisch-libanesischen Grenze. Foto: Baz Ratner/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ © DPA Images | Baz Ratner

Welches Ziel verfolgt Israel?

Israel verfolgt im Libanon das Ziel, dem jahrelangen niederschwelligen Schlagabtausch mit der Hisbollah nun ein Ende zu setzen. Nach dem Zweiten Libanonkrieg im Jahr 2006 hatte sich nie wirklich Ruhe eingestellt. Israels Armee will jetzt endgültig dafür sorgen, dass die Grenzregion im Südlibanon entschärft wird.

Die Taktik Israels baute sich bisher so auf, dass man in einem ersten Schritt auf die Personalaustattung und die Führungsspitze der Hisbollah abzielte – bis hin zum obersten Führer Hassan Nasrallah, der am Freitagabend getötet wurde. Zugleich wurden immer wieder aus der Luft Waffendepots und Stellungen bombardiert, um die Bodenoffensive vorzubereiten.

Ab jetzt sollen die Bodentruppen vor Ort dafür sorgen, dass die Hisbollah aus dem Süden des Libanon verschwindet. Wie lange das dauern wird, ist völlig offen. Israels Armee bemüht sich zu betonen, dass es sich um eine „begrenzte Operation“ handelt – wohl auch im Hinblick auf die USA, die stets darauf gedrängt hatten, eine Eskalation im Libanon zu vermeiden. Die Truppen seien lediglich „in Gehweite“ zur Grenze mit Israel unterwegs, sagt ein hochrangiger Offizier. Von einem Vordringen in nördlichere Gebiete oder sogar nach Beirut könne keine Rede sein. Auch zeitlich will man sich beschränken – die Bodenoffensive soll diesmal möglichst schon nach wenigen Tagen vorbei sein.

Der heftige Raketenbeschuss der Hisbollah auf Israel setzte sich indes auch am Dienstag fort. Diesmal war nicht nur der Norden betroffen, sondern auch Zentralisrael und Tel Aviv, und anders als zuvor handelte es sich nicht um eine einzige Rakete, sondern eine ganze Raketensalve. Millionen Menschen im Ballungsraum Tel Aviv mussten die Luftschutzräume aufsuchen. Zwei Menschen wurden durch Splitter verletzt.

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Was sind die Chancen dieser Operation?

Dieser Krieg bietet viele Risiken, aber auch Chancen: Im besten Fall gelingt es nun, den Einfluss der Hisbollah im Libanon zurückzudrängen und der libanesischen Regierung und Armee die Macht im Staat zurückzugeben. Die Tötung Nasrallahs war dafür ein wichtiger Schritt, die Schwächung der Hisbollah-Spitze wird aber laut israelischen Beobachtern nicht ausreichen. Es brauche dafür die intensive Kooperation mit den sunnitischen arabischen Staaten im Nahen Osten, um im Libanon die demokratischen Kräfte zu stärken. Diese Staaten werden dabei aber die Zukunft Gazas – oder auch allgemein der Palästinenser – nicht ausblenden wollen.

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Was sind die Risiken dieser Offensive?

Der letzte Libanonkrieg hat gezeigt, dass die Lage leicht außer Kontrolle geraten kann. Die Hügel im Süden sind durchsetzt von Tunneln, von denen aus die Guerillakämpfer der Hisbollah immer wieder auf israelische Panzer feuerten. Israel hat diesmal versucht, durch intensive Luftangriffe diese Risiken zu minimieren. Schon am Dienstagmorgen erklärte die Hisbollah jedoch, man habe israelische Truppeneinheiten im Süden des Libanon attackiert. Ein hochrangiger Offizier der israelischen Armee hält das auf Anfrage für möglich, will es aber nicht bestätigen.

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Zugleich muss Israel immer mit Angriffen aus dem Iran und seinen Verbündeten im Irak und im rechnen. Laut israelischen Medienberichten sind die Vorbereitungen für eine neue Attacke aus dem Iran im Gange. Angriffe der iranischer Milizen betreffen nicht nur Israel, sondern auch US-Stellungen im Nahen Osten. So wurde eine US-Einrichtung am Internationalen Flughafen Bagdad vergangene Nacht zum Schauplatz eines Raketenangriffs, verletzt wurde dabei laut US-Angaben niemand.

In Israel gibt es indes laute Stimmen, die jetzt den optimalen Zeitpunkt für einen präventiven Schlag auf die iranische Nuklearinfrastruktur sehen: Da die Stellvertreter-Milizen des Iran in der unmittelbaren Nachbarschaft – also Hamas und Hisbollah – nun stark geschwächt sind, seien die Gefahren für Israel im Falle iranischer Vergeltungsmaßnahmen nun viel weniger groß als sie es in den letzten beiden Jahrzehnten waren, heißt es. Ein solcher Krieg würde aber die gesamte Region destabilisieren – und durch die massiven wirtschaftlichen Folgen letztlich die ganze Welt.

Mehr von Israel-Korrespondentin Maria Sterkl