Chicago. Der Mann aus Minnesota blickt auf eine Karriere zurück, bei der es stets darum ging, andere zu motivieren. Das macht sich jetzt bezahlt.
Er gehört zur kulturellen DNA der USA wie Truthahn an Thanksgiving. Der nimmermüde Football-Coach, der mit Autorität, 24-Stunden-Einsatz und großartiger Kabinenansprache aus einer Gurkentruppe nach vielen Anläufen und Rückschlägen ein Meisterteam formt. Gerade abseits der milliardenschweren NFL, in den Klein- und Kreisstädten auf dem Land, wo die örtliche Highschool-Mannschaft oft die größte Sensation und Projektionsfläche für Lokalpatriotismus darstellt, ist der in Büchern und Hollywood-Filmen gefeierte „Coach” gleich hinter Pastor, Bürgermeister und Sheriff die wichtigste Respektsperson.
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Tim Walz, Gouverneur von Minnesota, landesweit noch eher unbekannter Vize-Präsidentschaftskandidat von Kamala Harris und somit ihr wichtigster Partner im Wettbewerb gegen das republikanische Gespann Donald Trump / J.D. Vance, war vor 25 Jahren genau dieser Trainer.
US-Wahl 2024: Tim Walz erwarb sich Respekt von früheren Schützlingen
Binnen drei Jahren brachte der in Ansprache und Auftreten nahbar, sympathisch und extrem normal daherkommende 60-jährige Familienvater die Mankato West Highschool-Mannschaft zur Bundesstaats-Meisterschaft. Wie er dies tat, daran erinnern sich ehemalige Begleiter und Schützlinge in diversen Interviews – kurz vor Walz‘ erwarteten Antrittsrede am Mittwoch beim Parteitag in Chicago.
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Was sie zu Protokoll geben, erklärt ein bisschen die außerordentlichen Beliebtheitswerte, die sich der gelernte Erdkunde-Lehrer, der ihm Nebenruf ein Vierteljahrhundert in der Nationalgarde diente, zuletzt im höchsten Feldwebel-Rang, in kürzester Zeit bei den Amerikanern erworben hat.
„Er hat nie jemandem den Kopf abgerissen”, heißt es da. Oder: „Wenn seine bis ins kleinste taktische Detail reichenden Spielanweisungen erklärt waren, wollten wir für ihn durch Dick und Dünn gehen.” Oder: „Ich habe zu ihm aufgeschaut, weil er sich wirklich immer gekümmert hat.”
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USA: Walz hat etwas von Pep Guardiola
Wenn Tim Walz, der an die freundlichen Senioren bei „Home Depot“ erinnert, die den Kunden den Weg durch zehn Regalreihen hin zu der einen speziellen Schraube führen, sich zuletzt auf Kundgebungen mitreißend in Rage redete, geschah dies nie, ohne gute Laune zu verbreiten.
Walz hat etwas von der alles durchdringenden Begeisterungsfähigkeit eines Pep Guardiola. Er versteht es, mit zwei, drei Sätzen Nachdenklichkeit und Lacher zugleich zu erzeugen. Etwa, wenn er Trump & Co., die der Demokratie bekanntermaßen mit der Abrissbirne kommen wollen, entdämonisiert, als schlicht „seltsam” (weird) abkanzelt und so der Lächerlichkeit preisgibt. Oder wenn er der von religiös grundierten Interventionswut geprägten Gesellschaftspolitik der Republikaner, die mit der bunten, multikulturellen US-Gesellschaft auf Kriegsfuß stehen, sein Mantra entgegenschleudert: „Kümmert euch um euren eigenen Kram – und lasst die anderen in Ruhe.”
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Walz redet dabei nie mit dogmatisch erhobenem Zeigefinger. Der Mann, dessen Vorfahren aus dem badischen Kuppenheim stammen, hat etwas vom fröhlich rheinischen Leben-und-leben-Lassen. Am Mittwochabend bekommen Zigtausende in Chicago eine Kostprobe von Coach Walz.