Washington. Ohne es direkt auszusprechen, räumt Biden erstmals ein, was ihm lange vorgeworfen wurde. Auch eine Spitze gegen Trump darf nicht fehlen.

Es war eine historische Ansprache, die vor wenigen Tagen niemand hatte kommen sehen. Nach seinem plötzlichen Ausstieg aus dem Rennen um das mächtigste Amt der Welt wollte US-Präsident Joe Biden aber seinen Landsleuten erklären, warum er das Handtuch geworfen hat. 

Die Botschaft der zwölf Minuten langen Ansprache, einer faktischen Liebeserklärung an die Nation, war unmissverständlich: „Ich liebe dieses Amt, doch ich habe diesem Land mein Herz und meine Seele gegeben, und ich liebe meine Nation noch mehr“, sagte Biden. Der beste Weg in die Zukunft sei es, „die Fackel an eine neue Generation weiterzugeben“, betonte der Präsident. Im Klartext: Er räumte erstmals ein, zu alt zu sein, um weitere vier Jahre dem wohl stressigsten Job der Welt nachzugehen. Gleichzeitig kündigte er an, sich nun für seine Stellvertreterin, Kamala Harris kräftig ins Zeug zu legen.

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Joe Biden: Grundsatzrede statt Wahlkampf

Vorausgesagt hatten viele Analysten, dass Biden die Fernsehansprache während der abendlichen Primetime als Wahlkampfveranstaltung nutzen würde. Mitnichten. Jeder Gedanke, jede Formulierung, jedes Wort waren sorgfältig durchdacht. Die Rohfassung der Rede hatte er in seinem Heimatstaat Delaware verfasst, während der Präsident sich von seiner Corona-Erkrankung erholte. Noch wenige Stunden vor dem Auftritt im Oval Office gab er dem Text dann den letzten Schliff. Und es ging nicht darum, für Harris die Werbetrommel zu rühren. Biden hielt eine nachdenkliche und fast philosophisch anmutende Grundsatzrede.

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    Zwar werde er mit großem Engagement das letzte Halbjahr seiner Präsidentschaft absolvieren, gelobte der Präsident, der zweifellos sein politisches Vermächtnis über die Runden bringen will. Er wolle noch mehr Jobs schaffen, grüne Energien fördern, versuchen, den Krieg in Nahost zu beenden, die Ukraine weiter unterstützen und für Abtreibungsrechte kämpfen. Gleichwohl zeigte er seine eigenen Grenzen auf: „Die Machtübergabe an eine neue Generation ist der beste Weg, um unser Land zu einen“, sagte Biden. 

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    Ohne ihn beim Namen zu nennen, dann der unvermeidliche Seitenhieb gegen den republikanischen Spitzenkandidaten Donald Trump. „Das tolle an Amerika ist, dass nicht Könige und Diktatoren regieren, sondern das Volk.“ Auch der direkte Appell, vor allem an jüngere Wähler, die im November eine entscheidende Rolle spielen werden: „Die Geschichte liegt in euren Händen“. Dann die nächste Anspielung auf seinen Vorgänger: „Amerika befindet sich an einem Scheideweg und muss entscheiden, ob wir uns vorwärts oder rückwärts bewegen wollen“. 

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    Auch äußerte er sich zu einer Frage, die Millionen von Amerikanern seit Tagen beschäftigt. Warum der Präsident plötzlich ausgestiegen sei, nachdem er sich so lange an seine Kandidatur geklammert hatte? „ Die Verteidigung der Demokratie ist wichtiger als jeder Titel“, erklärte Biden. Gleichzeitig sprach er Harris nicht nur sein volles Vertrauen aus, sondern betonte, dass er während der letzten 100 Tage des Wahlkampfs sich energisch für seine Stellvertreterin einsetzen würde.

    Republikaner nervös, Trump schimpft

    Unterdessen machte sich bei Republikanern Nervosität breit. Schließlich liegt Donald Trumps neue Gegnerin in einigen Umfragen bereits knapp vor ihm. Trump selbst wetterte bei einer Wahlkampfveranstaltung in North Carolina gegen die Wachablösung bei den Demokraten. Harris sei „noch schlimmer als Biden“, schimpfte er. Der Kampf gegen illegale Immigranten sei Amerikas wichtigste Aufgabe, betonte der frühere Präsident. „Harris hat aber keine Ahnung von der Grenze“, mokierte er sich über seine Kontrahentin. 

    Andere Republikaner wiederholten rassistisch anmutende Äußerungen. Sie meinten, dass Harris ihren Job als Staatanwältin in Kalifornien, der zugleich den Weg für ihre politische Karriere bereitete, nur wegen ihrer Hautfarbe bekommen habe. Von den Attacken völlig unbeeindruckt hielt die Vizepräsidentin einen starken und souveränen Vortrag vor afroamerikanischen Studentinnen. Darin geißelte sie nicht nur Trumps politischen Pläne, sondern erinnerte das Publikum daran, dass ihr Gegner ein vorbestrafter Betrüger ist und eine Gefahr für die Zukunft der US-Demokratie darstelle.