Berlin. Der Bundeskanzler gibt vor dem Urlaub noch einmal eine große Pressekonferenz. Dabei wird er deutlich – aber nicht bei allen Fragen.
Noch einmal Kreuzfeuer, und dann in ab in den Urlaub: Etwa so lässt sich das Ritual der sogenannten Sommer-Pressekonferenz beschreiben. Dabei stellt sich der Kanzler oder die Kanzlerin vor der Sommerpause einmal etwa eineinhalb Stunden lang den Fragen von Journalisten und Journalistinnen.
Dabei gibt es keine Agenda, keine vorher festgelegten Themen, aber: Nur weil alles gefragt werden darf, gibt Olaf Scholz (SPD) nicht auf alles eine klare Antwort. Wo der Kanzler deutlich wird und wo er sich in Schachtelsätze flüchtet – ein Überblick.
Neue Raketen-Stationierung in Deutschland: Ab 2026 sollen wieder US-Raketen in Deutschland stationiert werden, die bis nach Russland reichen, unter anderem Marschflugkörper vom Typ Tomahawk, die atomar bestückt werden können. Eine Nachricht, die Sorgen vor einer Eskalation des Konflikts mit Russland ausgelöst hat, nicht zuletzt bei einigen in der SPD. Scholz verteidigte die Entscheidung am Mittwoch klar – sie diene der Abschreckung, sie diene dazu, dass die Nato-Staaten und Deutschland nicht angegriffen würden, sie „dient dazu, dass kein Krieg stattfindet“.
Scholz‘ Sommer-Pressekonferenz: „Das unterstützt die Haltung des Bundeskanzlers“
Migration und Rückführungen: Abschiebungen im großen Stil hatte der Kanzler im vergangenen Jahr angekündigt, in diesem Frühjahr noch einmal nachgelegt, indem er Abschiebungen von Straftätern auch nach Afghanistan und Syrien ankündigte. In diese Länder wird wegen der Regime vor Ort derzeit nicht abgeschoben. Scholz sieht sich deshalb bestätigt durch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster. Das hatte jüngst entschieden, dass in Syrien für Asylbewerber zurzeit keine pauschale Gefahr mehr durch einen Bürgerkrieg vorliegt.
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Das Urteil „unterstützt die Haltung der Bundesregierung und auch die Haltung des Bundeskanzlers“, sagte Scholz dazu in der Bundespressekonferenz. Die Bundesregierung arbeite im Hintergrund daran, dass auch solche Rückführungen möglich werden.
Und dann wurde der Kanzler beim Thema Migration auch noch ein Stück allgemeiner. „Dürfen wir uns aussuchen, wer nach Deutschland kommt? Die Antwortet lautet Ja“, sagte Scholz. Gleichzeitig müsse man sagen, wer nicht bleiben kann, müsse gehen. Scholz betonte aber auch: Auf Migration vor allem von Arbeitskräften ist Deutschland weiterhin angewiesen.
Kindergrundsicherung: Mehr Kindergeld, höhere Kinderfreibeträge, etwas höherer Kindersofortzuschlag, das alles soll für Familien demnächst kommen. Vor allem die Grünen in der Koalition hatten das als Einstieg in die Kindergrundsicherung gefeiert, als ersten Schritt. Scholz macht jetzt klar: Im Wesentlichen bleibt es wohl auch erst einmal dabei. Ein zweiter Schritt folge „vermutlich dann nicht in dieser Legislaturperiode“, sagte der Kanzler. Die Diskussionen darüber fänden aber „mit ganz gutem Fortschritt“ statt. Ursprünglich einmal war die Kindergrundsicherung mit einer automatisierten Anspruchsprüfung und einem Ausstieg armer Kinder aus dem Bürgergeld-System als großes sozial- und familienpolitisches Projekt der Legislatur geplant gewesen.
Beim Thema Trump lässt Scholz klare Antworten missen
Donald Trump: Große Schlenker um eine eindeutige Antwort machte Scholz vor allem bei zwei Fragen, die sich um Donald Trump drehen. Nachdem der Kanzler Kamala Harris, Vizepräsidentin und voraussichtlich Kandidatin der Demokraten, als kompetente und erfahrene Politikerin gelobt hatte, wollte ein Journalist wissen, ob es denn auch Dinge gebe, die Scholz an Harris‘ Gegenkandidat Donald Trump schätzt oder vielleicht sogar bewundert? Was die Wahl in den USA angeht, findet Scholz, solle man sich in Deutschland – oder jedenfalls als deutsche Regierung – eher zurückhalten. „Das entscheiden die Amerikanerinnen und Amerikaner.“ Der transatlantische Kurs könne nicht davon abhängen, wer Präsident oder Präsidentin der USA ist.
Scholz wurde auch gefragt, ob er sich bei Donald Trump gemeldet habe, nachdem der Ex-Präsident und jetzige Kandidat der Republikaner bei einem Attentat verletzt worden war. Dazu sagte der Bundeskanzler unter anderem: „Ich habe Beziehungen immer als Regierungschef auch zu den Ländern, zu denen wir Kontakte haben. Ansonsten pflegen wir natürlich sehr viele umfassende Kontakte in andere Länder, immer im gebotenen Rahmen.“ Weiter sagte er, er kenne Trump von Begegnungen aus der Vergangenheit. Ein Ja war das nicht.
Selbstkritik? Nicht mit Kanzler Scholz
Selbstkritik: Eher sparsam antwortete der Kanzler außerdem, wenn es um eigene Fehleinschätzungen ging. Den größten Misserfolg des vergangenen Jahres sieht Scholz – wenig überraschend – im Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das kurz vor dem Jahreswechsel 2023/2024 mehrere Haushalte der Ampel-Koalition sehr viel schwieriger machte. Darüber hinaus übte er sich aber zumindest öffentlich wenig in Selbstkritik. Konkret danach gefragt, lieferte Scholz eine ganze Liste von Dingen, von denen er glaubt, die Koalition habe sie richtig gemacht.
Nicht gefragt wurde Scholz nach seinen Urlaubsplänen, bekannt ist aber, dass dieser nach einem Stopp bei den Olympischen Spielen in Paris am Wochenende beginnen soll. Im vergangenen Jahr ging es für den Bundeskanzler mit seiner Frau Britta Ernst nach Frankreich.
Geht es nach Scholz, wird es viele weitere Sommer-Pressekonferenzen dieser Art geben. Das stellte er gleich am Anfang klar, als er gefragt wurde, ob er nicht dem Vorbild von Joe Biden folgen wolle. Will er nicht, macht Scholz klar: „Ich werde als Kanzler antreten, um erneut Kanzler zu werden.“ Und ansonsten, nicht ohne spöttischen Unterton: „Danke für die überaus nette und freundliche Frage.“