Düsseldorf. Ein Rechtsgutachten beschreibt Fehler in der Regionalplanung und gibt den vom Kiesabbau gebeutelten Städten Argumente für eine Klage.

Sieben vom Kiesabbau betroffene Kommunen am Niederrhein erhöhen mit einem Rechtsgutachten den Druck auf die Landesregierung und den Regionalverband Ruhr (RVR). Für den Fall, dass das Land seine Pläne zum Kiesabbau nicht korrigieren sollte, drohen die Kommunen mit einer Klage vorm Oberverwaltungsgericht. „Dann stünde womöglich der gesamte Regionalplan Ruhr im Feuer“, warnte der Landrat des Kreises Wesel, Ingo Brohl (CDU), am Freitag im Landtag.

Protest in Wesel, Hamminkeln, Kampf-Lintfort, Neukirchen-Vluyn, Rheinberg, Alpen, Hünxe

Das Rechtsgutachten, in dem der Regionalplanung in Bezug auf den Kiesabbau schwere Fehler vorgeworfen werden, hat der Jurist Prof. Martin Beckmann im Auftrag des Kreises Wesel sowie der Kommunen Hamminkeln, Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn, Rheinberg, Alpen und Hünxe geschrieben. Er nennt mehrere Gründe für die angebliche „Untauglichkeit“ der Pläne zum Kiesabbau.

Eine Mahnwache in Hünxe-Bruckhausen vor einem Jahr gegen den Kiesabbau.
Eine Mahnwache in Hünxe-Bruckhausen vor einem Jahr gegen den Kiesabbau. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

„Das Interesse, Kies abzubauen, genießt hier Vorrang vor gegenläufigen Interessen“, sagte Beckmann. Heute schon seien „große Teile der niederrheinischen Kulturlandschaft unwiderruflich zerstört“, erklärte Christoph Landscheidt (SPD), Bürgermeister von Kamp-Lintfort und Präsident des Städte- und Gemeindebundes NRW. Der Regionalplan Ruhr, der kurz vor der Genehmigung steht, würde in den nächsten zwei Jahrzehnten „die Ausbeutung und Zerstörung von weiteren 932 Hektar unberührter Flächen ermöglichen“, so Landscheidt.

These der Kies-Gegner: „Um den Bedarf zu errechnen, reicht der Blick zurück nicht“

Das Gutachten kritisiert zudem, wie der künftige Kies-Bedarf vom RVR berechnet wurde. Der Verband habe schlicht die Jahres-Förderung in der Vergangenheit mit 20 multipliziert, um den Bedarf für 20 Jahre vorherzusagen. So einfach dürfe man es sich nicht machen, findet Rechtsexperte Beckmann. Die bisherigen Flächen reichten noch für weitere 17 Jahre Kies-Förderung. In dieser Zeit könne man noch über Recycling und andere Technologien nachdenken, argumentiert Christoph Landscheidt.

Kies-Streit gefährdet Regionalplan Ruhr

Die schwarz-grüne Landesregierung bekennt sich im Koalitionsvertrag dazu, die Kiesförderung in besonders betroffenen Regionen zu bremsen. Dort steht: „Wir wollen die Landesverwaltung zum Vorbild bei Müllvermeidung, Mehrweg und Recycling machen. Gemeinsam mit unseren Bemühungen um die Förderung des Einsatzes alternativer Baustoffe ermöglichen wir so einen verbindlichen Degressionspfad und perspektivisch einen Ausstieg aus der Kies- und Kiessandgewinnung in den besonders betroffenen Regionen.. Dennoch macht der neue Regionalplan Ruhr offenbar den Weg frei für mehr Kiesabbau am Niederrhein.

Schließlich, so das Gutachten, beruhe der Regionalplan auf einer „unzureichenden“ Umwelt- und Klimafolgenprüfung beim Kiesabbau.

Bürgermeister Landscheidt (SPD): „Das Gutachten ist eine schallende Ohrfeige für das Land“

„Das Gutachten ist eine schallende Ohrfeige für den RVR und das NRW-Wirtschaftsministerium“, meint Christoph Landscheidt. Landrat Brohl vergleicht den Protest gegen den Kiesabbau mit den aktuellen Bauernprotesten. Die Förderung von Sand und Kies gefährde die bäuerliche Kulturlandschaft am Niederrhein.

Die Sand- und Kiesindustrie dringt auf neue Abbau-Flächen, weil die Nachfrage nach Wohnungsbau und -sanierung sowie nach Straßen- und Brückenbau zunehme. Der RVR erinnerte am Freitag daran, dass das Ruhrparlament den Regionalplan nach sorgfältiger Abwägung am 10. November 2023 mit großer Mehrheit beschlossen habe. Der Regionalplan tritt absehbar am 6. Februar 2024 in Kraft, und danach könnten die niederrheinischen Kommunen Klage einreichen. Die betroffenen Städte fordern die Landesregierung auf, das Thema Kies jetzt noch aus dem Regionalplan zu lösen und darüber gesondert zu verhandeln.

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