Düsseldorf. Zu viel Stress oder normale Fluktuation? Das NRW-Schulministerium muss die vielen „Dienstaustritte“ im vergangenen Jahr erklären.

930 Lehrerinnen und Lehrer haben im Jahr 2023 in NRW gekündigt. Im Jahr zuvor wurden laut dem WDR-Magazin „Westpol“ 798 „Dienstaustritte“ gezählt, 2013 nur 299. Das Schulministerium bestätigt diese Zahlen, erkennt darin aber keine Dramatik.

Fast 1000 Lehrkräfte verlassen in einem Jahr den Schuldienst in NRW. In Zeiten des Lehrkräftemangels lässt das aufhorchen. Müsste der Staat nicht alles daransetzen, um diese Fachkräfte zu halten?

Lehrer-Kündigungen: „Das schreckt auf und bedrückt“, sagt Anne Deimel (VBE)

„Das ist eine Zahl, die gleichzeitig aufschreckt und bedrückt“, sagte am Montag Anne Deimel, NRW-Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). Die Gründe dafür müssten analysiert werden. Der VBE selbst führt die steigende Zahl von Kündigungen auf eine zunehmende Berufsunzufriedenheit zurück. Lehrkräfte würden nicht genügend wertgeschätzt, es gebe zu wenig Personal in den Schulen, und Teilzeit werde auch noch eingeschränkt.

„Es ist fatal, dass Menschen, die bereits im System sind, das Handtuch werfen, weil die schlechten Arbeitsbedingungen und die Überlastung sie dazu nötigen“, warnt Ayla Çelik, die Landesvorsitzende der Gewerkschaft GEW.
„Es ist fatal, dass Menschen, die bereits im System sind, das Handtuch werfen, weil die schlechten Arbeitsbedingungen und die Überlastung sie dazu nötigen“, warnt Ayla Çelik, die Landesvorsitzende der Gewerkschaft GEW. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

„Der Lehrerberuf ist einer der schönsten, und es ist fatal, dass Menschen, die bereits im System sind, das Handtuch werfen, weil die schlechten Arbeitsbedingungen und die Überlastung sie dazu nötigen“, sagte die NRW-Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Ayla Celik, dieser Redaktion. Angesichts der in NRW rund 7000 fehlenden Lehrkräfte sei kein einziger Mensch im Schuldienst verzichtbar. Die Regierung dürfe den Verlust nicht „runterspielen“.

Lehrer-Kündigungen: Ist das Ruhrgebiet ein unattraktiver Arbeitsort?

Auffällig: Die Zahl der Kündigungen lag laut dem WDR im Regierungsbezirk Düsseldorf, zu dem Teile des Ruhrgebietes mit vielen benachteiligten Stadtteilen zählen, mit 278 besonders hoch. Im Regierungsbezirk Detmold waren es „nur“ 105.

NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) ist zuversichtlich, dass ihr „Handlungskonzept zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung“ Früchte tragen werde. Sie reagiert auf die aktuellen Vorwürfe mit einer anderen Zahl: Anfang Dezember 2023 hätten an den Schulen in NRW mehr als 5000 Menschen mehr gearbeitet als ein Jahr zuvor. Darunter fallen allerdings zum Beispiel auch Schulsozialarbeiter, -psychologen sowie Alltagshelferinnen und Alltagshelfer.

Lehrer-Kündigungen: Schulministerium spricht von „minimalem“ Anstieg

Im aus Sicht des Schulministeriums „minimalen“ Anstieg der Kündigungen von Lehrkräften sieht das Land keine Dramatik. Arbeitsplatzwechsel seien in allen Branchen normal. Laut der EU-Kommission hätten 66 Prozent der Beschäftigten in Deutschland ein- bis fünfmal den Arbeitgeber gewechselt.

2023 seien in NRW 320 der insgesamt 154.628 Beamtinnen und Beamten auf eigenen Antrag aus dem Schuldienst entlassen worden. Dies entspreche einem Anteil von 0,21 Prozent (2022: 0,19 Prozent). Darüber hinaus seien 610 von 25.982 unbefristete Tarifbeschäftigte per Kündigung aus dem Schuldienst ausgeschieden.

VBE-Landeschefin Deimel sagte, es reiche nicht, auf eine „natürliche Fluktuation in der Arbeitswelt“ hinzuweisen. Es liege nahe, dass sich viele Lehrerinnen und Lehrer überlastet und alleingelassen fühlten.

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