Düsseldorf. Die Übertragung von Flensburger Punkten auf Dritte stößt in NRW zunehmend auf Widerstand. Wird die Gesetzeslücke geschlossen?

Das Blitzer-Foto ist unscharf, Fahrer oder Fahrerin nicht genau zu erkennen. Für bis zu 1000 Euro Ablasszahlung bieten EU-weit professionelle Agenturen in solchen Fällen eine passende Person, auf die man die Verkehrssünde abschieben kann.

„Das ist moralisch höchst verwerflich, aber strafrechtlich bislang nicht verfolgbar“, klagt Michael Mertens, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Vor allem Autofahrer, denen wegen vorheriger Einträge im Flensburger Fahreignungsregister ein Führerschein-Entzug droht und die beruflich zwingend auf ihre Mobilität angewiesen sind, nutzen die Möglichkeit des sogenannten Punktehandels.

Flensburger Fahreignungsregister ist eigentlich keine „Sünderdatei“

Für Mertens ist das ein Unding: „Sinn und Zweck der Punkte ist es, sein Fahrverhalten zu ändern und nicht, sich freizukaufen.“ Verkehrssicherheit dürfe nicht länger verramscht werden. Es sei in Europa ein regelrechter Markt entstanden, um Bußgeldverfahren auf Dritte zu übertragen, warnt Mertens.

Im Bemühen, diese rechtliche Grauzone auszuleuchten, hat die GdP auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) an ihrer Seite: „Das Ministerium des Innern ist ebenfalls der Ansicht, dass eine Gesetzeslücke besteht und diese zu schließen ist“, erklärte ein Sprecher am Donnerstag auf Anfrage unserer Redaktion. Das ist aber offenbar gar nicht so leicht.

Wird falsche Selbstbezichtigung ein Straftatbestand?

Der Verkehrsgerichtstag in Goslar beriet zuletzt die Einführung eines neuen Straftatbestandes, um das Weiterreichen von Geldbußen und Fahrverboten zu verhindern. Das NRW-Innenministerium sieht bislang keine Handhabe: „Eine Sanktionierung von Verkehrssünderinnen und Verkehrssündern, die die eigene Täterschaft durch die Veranlassung einer wahrheitswidrigen Selbstbezichtigung eines Unbeteiligten zu verschleiern versuchen, scheint derzeit nicht möglich. Sie ist aus verkehrspolizeilicher Sicht jedoch wünschenswert.“

Neben Geschwindigkeitsüberschreitung geht es auch um Handy am Steuer

Im Klartext: Wenn sich ein vermeintlicher Fahrer freiwillig bei der zuständigen Behörde meldet, den ausgefüllten Anhörungsbogen übermittelt und das Bußgeld übernimmt, ist für den Staat kaum etwas dagegen zu unternehmen. In Strafverfahren wiederum, die etwa bei Fahrerflucht oder grob rücksichtslosen Fahrens eingeleitet werden, sieht es schon wieder anders aus. Da dürfte die falsche Selbstbezichtigung schnell als Vortäuschung einer Straftat zu verfolgen sein.

Wie oft es zum umstrittenen Punktehandel kommt, kann auch die Polizei nicht abschätzen. Da aber pro Jahr bundesweit mehrere Millionen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr mit Punkten geahndet werden, dürfte es häufiger vorkommen als gemeinhin bekannt. Klassische Ordnungswidrigkeiten sind neben Geschwindigkeitsüberschreitungen noch Ampel-Verstöße oder das Telefonieren am Steuer.

GdP-Landeschef Mertens hält das sofortige Anhalten eines Autos nach der Verkehrssünde noch immer für die „wirkungsvollste Maßnahme“. Dafür benötige man jedoch Personal.