Berlin. In Désirée Nosbuschs Leben ist viel los. Jetzt versucht sich die Schauspielerin zum ersten Mal als Regisseurin. Wie ihr Rituale helfen.
Désirée Nosbuschs Karriere kennt viele Höhepunkte, aber in diesen Monaten geht es bei der 59-Jährigen ganz besonders geschäftig zu. Denn neben ihren klassischen Fernsehrollen präsentiert sie nun auch den Film „Poison“, ihr Debüt als Regisseurin. Am 26. Oktober ist die neue Folge ihrer Justiz-Krimireihe „Ein Fall für Conti“ (um 20.15 Uhr im ZDF) zu sehen. Immerhin findet die Schauspielerin bei allem Trubel noch Zeit, das Leben an der Seite ihres Hundes zu genießen. Und für besondere Erdung sorgt ein Refugium im fernen Kalifornien.
Beim Start des „Conti“-Formats 2023, meinten Sie, Sie seien nervös. Waren Sie bei der Fortsetzung jetzt entspannter?
Désirée Nosbusch: Ein gewisser Grad an Nervosität ist immer dabei und gehört auch dazu. Wenn man sich zu sicher fühlt, ist die Gefahr groß, dass man wichtige Dinge übersieht. Aber in der Zwischenzeit sind die Figur Conti und ich näher zusammengewachsen. Wir kennen uns besser und ich konnte noch weiter in ihr Leben eindringen. Anna Conti bringt mich dazu, über meine eigenen Ängste hinwegzugehen und Grenzen auszutesten.
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Wo haben Sie die Grenzen ausgetestet?
Nosbusch: Diese Frau will unbedingt gewinnen, deshalb ist ihr nichts fremd. Wenn man glaubt, sie verstanden zu haben, macht sie wieder etwas Überraschendes. Ob ich mit ihr ins Drogenmilieu einsteige, ob ich in dieser Rolle Karaoke singe oder tanze oder verführen muss. Und wenn es mir dann gelingt, meine persönlichen Grenzen zu überwinden, dann spüre ich eine riesige Spielfreude. Wie ein Kind. Meine Schauspiellehrerin meinte dazu: „Das sind Momente, in denen man das Gefühl hat, dass man fliegt.“
Nosbusch über Glück: „Ich bemühe mich, mir immer wieder zu sagen, wie privilegiert ich bin“
Wann „fliegen“ Sie außerhalb des Jobs?
Nosbusch: Wenn ich meine Mitte spüre. Wenn ich zum Beispiel durch die Natur spaziere, die Sonnenstrahlen herauskommen und mein Hund Bowie über die Wiese hüpft. Vor Jahren habe ich mich gefragt: Warum nehmen wir Glück immer erst im Rückspiegel wahr, während uns Leid und Drama gleich so zusetzen? Seitdem bemühe ich mich, mir immer wieder zu sagen, wie privilegiert ich bin, was es für ein Glück ist, dass ich seit über 40 Jahren das machen darf, was ich am liebsten tue, dass ich zwei wunderbare Kinder habe, die empathische Menschen sind und ihren Weg gehen. Das alles ist nicht selbstverständlich. Man muss nur seinen Blick in die Welt schweifen lassen. Da stockt einem der Atem.
Inwieweit sind Ihnen die Geschehnisse des Weltgeschehens persönlich nahe gerückt?
Nosbusch: Bei meinem Bruder lebt seit über zwei Jahren eine ukrainische Mutter mit ihrer dreijährigen Tochter. Sie sind Teil unserer Familie geworden und wir nehmen Anteil an ihrem Leben. Gerade wurde das Haus der Familie in der Ukraine bombardiert, die 70 Jahre alte Mutter musste wegziehen und der Vater des Kindes ist vermisst. Bei so viel Leid und Schmerz wird man sehr demütig.
Sie erzählten einmal, dass Ihnen der indische Philosoph Krishnamurti sehr viel gegeben hätte. Inwieweit hilft er Ihnen bei der Bewältigung des Lebens?
Nosbusch: Irgendein Buch von ihm liegt immer bei mir auf dem Nachttisch. Manchmal lese ich mehr, manchmal reicht nur ein Satz, um mich wieder zu erden. Ich kann nur versuchen, in meinem kleinen Umfeld etwas Gutes zu tun – in der Hoffnung, dass viele kleine Tropfen irgendwann einen See oder ein Meer ergeben.
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Was ist so eine der wichtigsten Weisheiten Krishnamurtis, die Sie entdeckt haben?
Nosbusch: Er hat immer gesagt: „Du bist die Welt und die Welt bist du. Die Gesellschaft ist eine Abstraktion. Abstraktion ist keine Realität. Was Wirklichkeit ist, ist Beziehung. Die Beziehung zwischen den Menschen hat das geschaffen, was wir Gesellschaft nennen. Du kannst von niemandem abhängig sein. Es gibt keinen Führer, keinen Lehrer, keine Autorität. Es gibt nur dich – deine Beziehung zu anderen und zur Welt.“
Im kalifornischen Ojai gibt es die Krishnamurti Foundation mit einem Eichenhain, in dem Sie, glaube ich, viel Zeit verbracht haben. Ist das immer noch der Fall?
Nosbusch: Normalerweise bin ich zweimal im Jahr dort. Im letzten August war es zu heiß und ich habe den Besuch ausgelassen. Aber im Winter möchte ich wieder zurück. Der Eichenhain in Ojai ist ein Ort, an dem ich reflektiere und mit dem ich wahnsinnig viele Erinnerungen verbinde. Ich habe in meinem Leben so wenig Konstanten. Dann werden Fixpunkte und Rituale wahnsinnig wichtig. Ojai ist für mich ein meditativer Ort.
Nosbusch über ihren Arbeitsalltag: „Wünsche mir mehr freie Zeit“
Besteht nicht die Gefahr, dass Sie dann irgendwann den Boden unter den Füßen verlieren?
Nosbusch: Ich wünsche mir für nächstes Jahr auf jeden Fall ein bisschen mehr freie Zeit. Die letzten zwei Jahre waren sehr voll mit Arbeit. Wunderbare Projekte, die aber verlangt haben, dass ich zehn Monate von zu Hause weg bin. Man kann in unserem Beruf nicht wirklich planen. Projekte hängen von Finanzierungen und vielen anderen Aspekten ab. Mal passiert alles zur gleichen Zeit und mal bricht alles über Nacht weg. Damit muss man umgehen können. Für mein Regiedebüt „Poison“ habe ich zehn Jahre gebraucht, und auf einmal musste alles sehr schnell gehen. Weil Tim Roth und Trine Dyrholm, meine wunderbaren Hauptdarsteller, nur dieses eine freie Zeitfenster hatten.
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Sie sprachen gerade Ihr Regiedebüt an, das am 30. Januar ins Kino kommt. Es besteht also nicht die Gefahr, dass diese verschiedenen Projekte Sie sozusagen auffressen?
Nosbusch: Nein, die befruchten sich gegenseitig. Meine Regiearbeit profitiert davon, dass ich weiß, was für Schauspieler und Schauspielerinnen wichtig ist, damit sie sich sicher fühlen und über sich hinauswachsen können. Ich habe auf jeden Fall Blut geleckt und freue mich auf eine neue Regie-Herausforderung. Mein zweiter Film befindet sich bereits im Schreibstadium. Das Schöne an der Arbeit ist auch, dass man vieles von zu Hause aus vorbereiten kann. Man muss nicht immer weg sein, so wie das Drehen als Schauspielerin es verlangt.
Nachdem Sie sich nun die Regie erschlossen haben, würden Sie sich wünschen, Sie hätten andere Weichenstellungen in Ihrem Leben vorgenommen?
Nosbusch: Ich bereue nichts. Was mir ab und zu leidtut ist, dass ich nicht auf eine Filmhochschule gegangen bin, weil ich kein Abitur hatte. Das hätte mich sehr interessiert. Ich bin ein Teammensch und lerne gerne im geschützten Raum. Aber so musste ich das alles zeitversetzt auf dem zweiten Bildungsweg nachholen. Aber es ist alles gut, genau so, wie es ist!
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