Berlin. Seit 50 Jahren gibt es die Möbelhäuser hierzulande. Ikea-Deutschlandchef Walter Kadnar über Preise für Billy & Co., Trends und die Wirtschaftslage.

Billy und Pax, Köttbullar und Hotdog – die schwedischen Einrichtungshäuser von Ikea sind seit 50 Jahren Anlaufpunkt für die Deutschen, wenn es darum geht, Einrichten und Essen miteinander zu verbinden. Ikea-Deutschland-Chef Walter Kadnar sagt im Interview, warum er die Deutschen für begabt beim Möbelaufbau hält, wo neue City-Standorte eröffnet werden – und warum es bei Ikea niemals so hohe Rabatte wie bei den Konkurrenten geben wird.

Herr Kadnar, der klassische Hotdog kostet bei Ikea ja mittlerweile zwei Euro. Es gibt aber einen Trick, wie man ihn trotzdem noch für einen Euro bekommt. Kennen Sie den?

Walter Kadnar: Sagen Sie ihn mir. Ich kenne den nicht.

Der Trick funktioniert in Filialen, in denen es Ersatzteilautomaten gibt. Wer dort Schrauben für einen Euro pro Packung kauft, bekommt einen Gutschein für einen Hotdog mit dazu …

Kadnar: Ja, das stimmt.

Ist es eine besonders deutsche Eigenheit, beim Einkaufen sparen zu wollen?

Kadnar: Das ist nicht nur eine deutsche Eigenschaft. Die Leute wollen für ihr Geld auch etwas bekommen. Der Erfolg von Ikea begründet sich darauf, das Preis-Leistungs-Verhältnis in den Mittelpunkt zu stellen. Das ist in Indien oder Frankreich nicht anders als in Deutschland.

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Die Rabattschlachten von Höffner, XXXLutz & Co., die Betten und Sofas auch mal mit Preisnachlässen von 40 Prozent und mehr bewerben, macht Ikea aber nicht mit. Warum?

Kadnar: Weil wir schon vor dem ersten Verkauf den Wert eines Produktes festsetzen. Natürlich schauen wir auch, was im Wettbewerb passiert, aber wir haben unser eigenes Sortiment. Und wir sprechen mit Kunden und Lieferanten und lernen von beiden Seiten, was die Bedürfnisse und Wünsche sind – und versuchen, diese auch preislich leistbar zu machen.

Wer zu Ikea geht, kauft Dinge, die man gar nicht vorhatte zu kaufen. Wie erklären Sie sich das?

Kadnar: Ikea ist mehr als ein Möbelhaus. Es ist ein Treffpunkt, an dem ich mich mit anderen austausche und mich inspirieren lasse. Wir bieten ja nicht nur Produkte, sondern Lösungen an. Hinzu kommt, dass unsere Filialen zu Ausflugszielen geworden sind. Und wenn die Kunden entspannt sind, dann nehmen sie natürlich auch mal etwas mit.

Welchen Anteil haben Spontankäufe am Umsatz?

Kadnar: Da gehen wir nicht in die Details. Aber die Spontankäufe sind in dieser Phase nicht mehr so ausschlaggebend.

Das heißt, die Deutschen halten angesichts der schleppenden wirtschaftlichen Entwicklung ihr Geld zusammen?

Kadnar: Das verfügbare Einkommen hat sich verändert. Menschen kaufen anders ein, sie kaufen bewusster ein. Und falls doch Geld da ist, wird es zurückgelegt. Hinzu kommt, dass unsere Branche sehr von Corona profitiert hat. Anstatt in den Urlaub zu fahren, haben die Leute ihr eigenes Zuhause schön gemacht. Jetzt sind diese Einkäufe getätigt. Und wenn das Geld knapp ist, wird darauf verzichtet. Insgesamt können wir aber nicht klagen.

Zu hohe Energiepreise, zu hohe Steuerlast, viel zu viel Bürokratie – von Unternehmensvertretern hört man immer wieder, Deutschland sei nicht mehr wettbewerbsfähig. Wie beurteilt Ikea die Lage?

Kadnar: Die Wirtschaftslage ist nicht gut, aber es gibt Dinge, die ich beeinflussen kann. Und ich muss das Glas nicht halb leer, sondern kann es halb voll sehen. Das ist mein Standpunkt. Und so sieht es auch mein Konzern.

Sie sind ja Österreicher. Glauben Sie persönlich an ein Comeback des deutschen Wirtschaftsstandortes?

Kadnar: Zu einhundert Prozent. Es gibt gute Zeiten und weniger gute Zeiten. Wir haben in Deutschland extrem investiert dieses Jahr. Wir finden nach wie vor auch die Fachkräfte, die wir benötigen, bilden aber auch selbst Azubis aus. Das zeigt, dass wir auf Deutschland vertrauen.

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Ikea ist seit 50 Jahren in Deutschland. In vielen Haushalten finden sich Billy-Regale oder Pax-Kleiderschränke. Welche Trends erwartet Ikea in den nächsten Jahren in Wohn- und Schlafzimmern hierzulande?

Kadnar: Grundsätzlich passt sich Ikea auch an die veränderten Lebenswirklichkeiten seiner Kunden an. Wir sehen, dass sich die Wohnsituation der Menschen verändert. Viele ziehen in die Stadt. Dort werden Wohnungen teurer. Und Wohnraum wird kleiner. In den Fokus rücken deshalb zum Beispiel Aufbewahrungslösungen, aber auch das Leben mit Kindern und mit mehreren Generationen unter einem Dach. Hinzu kommt noch das Verschmelzen von Arbeits- und Lebenswelt.

Man sagt den Deutschen nach, handwerklich begabt zu sein. Stellen wir uns besser beim Möbelaufbau an als andere Nationen?

Kadnar: Die Deutschen sind begabt. Es gibt jemanden, der alleine einen Pax-Schrank in unter vier Minuten aufbaut. Da ist ein richtiger Wettbewerb entbrannt. Ich war auch lange in Frankreich. Dort ist do it yourself ebenfalls ein wesentlicher Faktor. In den asiatischen Ländern hingegen wird fast jeder Möbeleinkauf geliefert und aufgebaut. Da ist also der Service-Anteil wesentlich höher.

Wie häufig greifen die Deutschen auf den Aufbau-Service zurück?

Kadnar: Das ist unterschiedlich. Bei Küchen kommt das fast immer vor. Generell hat der eigenhändige Aufbau von Ikea-Möbeln für die Kunden einen Wert. Selbst abholen und danach selber aufbauen hat noch immer den größten Anteil an unserem Geschäft.

Wie stellen Sie sich selbst beim Aufbau von Billy, Pax & Co. an?

Kadnar: Meine Frau gibt mir sicher eine „Fünf“. Ich gebe mir eine „Drei“. Wir bauen aber unterschiedlich auf. Sie ist die Intuitive, die ohne Plan anfängt. Da habe ich aber auch schon erlebt, dass ich selbst dann das Bett ein zweites Mal aufbauen musste.

Haben Sie schon mal entnervt aufgegeben?

Kadnar: Nur wegen meiner Frau.

Gibt es einen ultimativen Aufbautipp?

Kadnar: Man muss wirklich dem Plan folgen, der ja gänzlich ohne Worte und ausschließlich mit Zeichnungen auskommt. Egal, welche Sprache Sie sprechen, Sie können ihn verstehen. Fehlt ein Teil, gibt es den Ersatzteil-Service, der Teil unserer Nachhaltigkeitsstrategie ist. Für unsere Topseller, das sind 1800 Produkte, haben wir bewusst ein Teilelager aufgebaut. Ist etwas kaputt, kann es repariert werden. Die Möbel halten so einfach länger.

Ikea setzt in den Möbelhäusern auch verstärkt Self-Check-out-Kassen ein. Sind die Kunden dabei immer ehrlich?

Kadnar: Einen gewissen Schwund hat es immer gegeben. Aber wir sehen keinen Anlass, darüber groß zu berichten. Größtenteils sind die Menschen ehrlich. Die Deutschen lieben zwar ihr Bargeld, aber wir sehen eindeutig, dass bargeldloses Bezahlen zunimmt.

IKEA Deutschland
Selbst die Artikel einscannen und dann bezahlen – das geht mit den Self-Check-out-Kassen. © Ikea | Ikea

Ist es für Ikea denkbar, Bargeldzahlungen irgendwann nicht mehr anzubieten?

Kadnar: Ich richte mich nach Kundenwünschen und kann nicht in die Zukunft blicken. Aber ich weiß, dass die digitalen Zahlungsmittel mehr und mehr angenommen werden. Die junge Generation kauft übrigens auch anders ein. Da wird zwar das Möbelhaus noch als Treffpunkt und zur Inspiration genutzt. Aber die jungen Leute probieren das Sofa aus, gehen nach Hause – und irgendwann in der Nacht wird dann bestellt.

Das veränderte Einkaufsverhalten ist eine Erklärung dafür, warum Ikea nun vermehrt Standorte in Innenstädten eröffnet. Hat das Möbelhaus am Stadtrand ausgedient?

Kadnar: Ob der stationäre Handel auf der grünen Wiese noch die Frequenz haben wird, weiß ich nicht. Aber er bleibt wichtig. Ich stehe zu den 54 Einrichtungshäusern, die wir in Deutschland haben. Die Frage wird aber sein: Wo möchte der Kunde sein? Zu welcher Uhrzeit? Und was braucht er? Danach richten wir uns. Der Kontakt von Mensch zu Mensch wird aber ein wesentlicher Faktor bleiben.

Wie viele City-Standorte sollen denn genau dazu kommen?

Kadnar: Wir haben das in den letzten Jahren in Berlin, Ravensburg und München getestet und haben sehr gute Erfahrungen gemacht. Jetzt sind wir gerade dabei, die nächsten Standorte in Marburg, Rheine, Köln und Stuttgart zu eröffnen. Da gibt es auch unterschiedliche Größen von 280 bis 700 Quadratmeter. Das ist ein bisschen davon abhängig, in welchen Lagen sich die City-Standorte befinden.

Heißt das, dass Ikea auch bei der Anzahl der Mitarbeiter in Deutschland wächst?

Kadnar: Wir stellen weiter ein, wir haben laufend Bewerbungen. Die Menschen erkennen, dass sie hier die Chance haben, sich zu entwickeln, dass sie ein gutes Arbeitsklima bekommen und einen fairen Lohn.

Ikea will Bestellungen künftig per Elektro-Lkw ausliefern und auch Ladesäulen vor den Filialen bauen. Wie läuft das?

Kadnar: Wir wollen innerhalb der nächsten drei Jahre rund 1000 Ladestellen an unseren deutschen Einrichtungshäusern errichten. Damit starten wir im Frühling und werden dann hierzulande eines der größten Netze sein für das Laden von E-Autos. Das Umstellen der Lieferflotte geht unterschiedlich schnell, weil es auch von den Stromnetzkapazitäten in den jeweiligen Regionen abhängt. In Berlin zum Beispiel werden über 90 Prozent der Speditionslieferungen zu Kunden bereits per Elektro-Lkw gemacht. Das Tempo wollen wir eigentlich weitergehen.

Welche Schwierigkeiten gibt es dabei?

Kadnar: Es gibt zu wenig Fahrzeuge und auch nicht genug Fahrer. Hinzu kommen Probleme mit den Starkstromanschlüssen. Es gibt Standorte, an denen wir vor 2028 nicht einmal den Antrag bei der jeweiligen Behörde stellen können. Ich finde, da könnte es im Zusammenspiel von Politik und Unternehmen besser laufen. Wir selbst sind motiviert, uns nachhaltiger aufzustellen. Ikea Deutschland hat vor, über 70 Millionen Euro in Energiesysteme zu investieren und hat bereits 23 Photovoltaik-Anlagen an 19 Standorten gebaut. Jetzt produzieren wir ein Vielfaches mehr an grünem Strom, als wir verbrauchen. Aber es müssen Hürden abgeschafft werden, um weiterzukommen.

Wie steht’s um das Holz für die Ikea-Möbel? Greenpeace warf Ikea auch schon mal vor, intakte Wälder in den rumänischen Karpaten für billige und kurzlebige Produkte abzuholzen.

Kadnar: Ikea betreibt selbst Forstwirtschaft gemeinsam mit den lokalen Stellen, hält sich an die nationalen Gesetzgebungen und ist selbst daran interessiert, dass das für die Möbel genutzte Holz zertifiziert ist. Gibt es Verbesserungsbedarf? Ja. Aber FSC-zertifiziertes Holz ist heute der beste Standard. Und dem folgen wir.

Wenn die Möbel dann erstmal produziert sind, tauchen durchaus lustige Namen im Katalog auf. Kagge, Äppelkaka, Gutvik sind unter anderem Namen von Ikea-Produkten. Müssen Sie da manchmal selbst lachen?

Kadnar: Natürlich. Und das hilft mir, meine Produkte zu lieben. Die Namen sind etwas ganz Besonderes und sie unterscheiden uns von der Konkurrenz.

Wie entstehen die Namen?

Kadnar: Nur zwei Menschen entscheiden bei Ikea über die Namen für die Produkte. Da wird systematisch vorgegangen. Sofas haben Flüsse- oder Seennamen, Textilien haben weibliche Namen, Sessel haben männliche Namen. Und die lustigen, die Sie nannten, sind dort verortet, wo sie verwendet werden, wie zum Beispiel in der Küche. Es gibt also eine Kategorisierung. Und es wird auch geschaut, ob die Namen legal sind und ob sich jemand diskriminiert fühlen könnte. Zu Hilfe genommen werden bei der Namenssuche skandinavische Landkarten, aber auch Wörterbücher und Astrid-Lindgren-Kinderbücher.

Glauben Sie, dass das Künstliche Intelligenz (KI) irgendwann mal besser kann?

Kadnar: Mir ist es wichtig, dass KI die Menschen mit Respekt behandelt. Und es sollte da eingesetzt werden, wo es hilft. Ikea arbeitet mit KI zum Beispiel in der Lagerorchestrierung, in der Gestaltung oder auch in der Abfallvermeidung. Ich glaube, die Namensfindung schaffen wir noch selbst. Ikea ist eine People-Company und deswegen ist es auch gut, wenn Menschen dahinterstehen.