An Rhein und Ruhr. Die Oma im Heim, der Onkel in England: Familie Sunkel aus Walsum bereitet sich auf die Weihnachtstage vor. Wie die Generationen am Fest zusammenkommen.
Ihr erstes Weihnachtsfest im Altenheim. Margret Sunkel weiß nicht recht, wie es werden wird. Ein wenig nervös mustert die 90-Jährige die üppig geschmückte Tanne im Gemeinschaftsraum. Zwischen Lichterketten und vielen Glöckchen blitzen selbst gebastelte Figuren zwischen den Zweigen hervor. „Haben die Kindergartenkinder von gegenüber an den Baum gehängt“, erzählt die Seniorin und zupft sich ihren lila-gelb-braunen Schal zurecht.
Weihnachten. Das ist für die Dame aus Duisburg neben Christi Geburt vor allem ein Fest, an dem die Familie zusammenkommt. Ein Fest, das Generationen verbindet. Eigentlich. Sunkels Großfamilie lebt über Europa verstreut, in Berlin, Münster, Brüssel, England. Und auch Traditionen haben sich über die Jahre gewandelt. Wie feiert man da gemeinsam das Fest?
Erinnerungen an vergangene Weihnachtsfeste sind mittlerweile verblasst
An einem Vormittag wenige Tage vor Heiligabend sitzt sie gemeinsam mit ihrem Sohn Robert (64) und ihrem Enkel Tobias Sunkel (39) im festlich geschmückten Elisabeth Groß Haus in Walsum. Die dreifache Mutter und achtfache Großmutter ist sichtlich aufgeregt. Ihr steht der erste Heiligabend bevor, den sie nicht in ihrer eigenen Wohnung verbringen wird. Seit August lebt sie im Altenheim – „und ich fühle mich gut aufgehoben hier“, versichert die 90-Jährige. Zwar wisse sie noch nicht so recht, was am 24. Dezember passiert. „Aber ich freue mich, wir fahren gemeinsam zur Messe“, danach werde es wohl noch etwas zu essen und trinken geben.
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Die Erinnerungen an vergangene Weihnachtsfeste sind mittlerweile verblasst. Vor 16 Jahren verstarb Sunkels Ehemann. Seitdem verbringt sie Heiligabend alleine – weil sie es so möchte. Der Gang zur Kirche, danach eine kleine Fischplatte oder einen Käseteller, „etwas, das sich gut vorbereiten lässt“. Und besinnliche Musik. „Oh, Tannenbaum“ oder „Alle Jahre wieder“. So war es zumindest in den vergangenen Jahren.
Kartoffelsalat und Würstchen oder Raclette?
„Früher, als wir klein waren, gab es bei uns doch immer Kartoffelsalat und Würstchen“, versucht Sohn Robert sich zu erinnern. „Echt, an Weihnachten?“, fragt seine Mutter mit ungläubigem Blick. Ja, das kann sich Margret Sunkel heute wohl nicht mehr vorstellen. Auch bei Robert Sunkel hat sich das Festmahlritual in den Jahrzehnten verändert. Statt Kartoffelsalat und Würstchen wird im Haus der zweiten Generation, wenn seine Frau und er gemeinsam mit den erwachsenen Kindern feiern, der Raclette-Grill angeschmissen. „Damit sind wir einige Zeit beschäftigt“, sagt der 64-jährige Vermessungsingenieur mit Blick zu seinem Sohn Tobias und lacht.
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Eine Tradition aus seinem Elternhaus aber hat der Walsumer beibehalten: die Weihnachtsgeschichte. „Die CD von Carl Orff läuft jedes Jahr an Heiligabend.“ Auch für Sohn Tobias gehört die Geschichte fest zum Heiligabend dazu. „Dann wird meistens noch was gespielt und irgendwann lösen wir uns wieder auf“, erzählt der 39-Jährige. „Am nächsten Tag geht es dann ja auch wieder weiter.“ Und zwar so richtig.
Weihnachten 2024: Alle feiern gemeinsam – auch virtuell
„Früher haben wir den ersten Weihnachtstag immer bei Oma gefeiert“, erinnert sich der Enkel, der wie sein Vater als Vermessungsingenieur arbeitet. Seine Großmutter nickt. „Aber irgendwann ging das nicht mehr“, so die 90-Jährige. Seitdem richtet der Sohn das Zusammentreffen am ersten Feiertag aus. „Ein paar Jahre haben wir das Essen noch vorbereitet und mit zu meiner Mutter gebracht. Seit drei Jahren feiern wir jetzt bei uns“, erzählt der Walsumer.
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Die Familie ist groß – „in der heutigen Zeit ist es schwierig, alle unter einen Hut zu bekommen.“ Doch an Weihnachten klappt das. „Unter dem Jahr kommt der eine oder andere vielleicht mal zum Geburtstag vorbei. Aber dass alle zusammen sind, das ist wirklich nur an Weihnachten so“, freut sich Margret Sunkels Enkel Tobias, dessen Freundin am ersten Weihnachtstag auch mitfeiert.
„In der heutigen Zeit ist es schwierig, alle unter einen Hut zu bekommen.“
15 bis 20 Personen sind jedes Jahr dabei. Tante, Cousins, Cousinen, Partnerinnen, Partner. Auch Tobias‘ Onkel, also Margret Sunkels zweiter Sohn, der mit seiner Frau und drei Kindern mittlerweile in England lebt, ist quasi präsent. „Das Tablet kommt irgendwann auf den Tisch, und die schalten sich dann per Skype dazu“, so Robert Sunkel. „Das war ja früher nicht möglich, das ist schön“, ergänzt seine Mutter.
Der Sauerbraten gehört einfach dazu
Traditionell beginnt die Familienfeier mit dem Mittagessen. Und zumindest Oma, Sohn und Enkel sind sich einig, was da auf den Tisch kommt: Sauerbraten statt Kartoffelsalat. „Der gehört einfach dazu“, stellt die Familienälteste klar. „Seit einigen Jahren schon bringt meine Schwester mit ihrer Familie auch einen veganen Braten mit“, so Robert Sunkel. Probiert habe die 90-Jährige den noch nicht. „Ich bleibe lieber bei meinem Sauerbraten“, sagt sie und lacht.
„Es kann jeder für sich entscheiden, was er essen möchte. Streit gibt es bei uns an Weihnachten nicht“, betont Enkel Tobias. „Es ist wichtig, dass alles friedlich ist“, ergänzt seine Großmutter. Und wenn der Braten – ob vegan oder nicht – erstmal verspeist ist, dann werden Gesellschaftsspiele ausgepackt. Und es gibt Geschenke. „Bei uns kommt nicht der Weihnachtsmann, sondern das Christkind“, das ist der 90-Jährigen wichtig zu betonen.
Und das bringt statt großer Präsenteflut nur noch kleinere Aufmerksamkeiten. „Wir haben uns vor ein paar Jahren darauf geeinigt, dass alle über 18 nur noch kleinere Geschenke bekommen. Dann gibt es mal eine selbstgemachte Marmelade oder sowas“, erklärt der 64-jährige Robert Sunkel.
Und seine Mutter? Die rollt auch noch mit 90 Jahren fleißig die Geldscheine zusammen – und versteckt sie in dem Tannenbaum. Tradition ist eben Tradition.