An Rhein und Ruhr. In NRW mussten Bewerber für die Einbürgerung ihr Bekenntnis zu Israel erklären. Diese Änderungen plant die Landesregierung.

Endlich ist sie Deutsche! Als sie 16 Jahre alt war, ist Lara (Name von der Redaktion geändert) mit ihrer Familie vor dem Krieg in Syrien nach Deutschland geflohen. Geboren und aufgewachsen ist sie in Damaskus. In NRW ging sie zur Schule, nun studiert sie hier an einer Universität.

„Mein Gefühl ist eine Mischung aus Stolz und Dankbarkeit gegenüber Deutschland. Das Land hat mir Türen geöffnet, um mich weiterzuentwickeln. Diese Staatsbürgerschaft ist für mich nicht nur ein Dokument, sondern sie ist ein Symbol der Zugehörigkeit und der Möglichkeit, eine nachhaltige Zukunft aufzubauen“, sagt Lara.

Allerdings war ihr Weg zur Einbürgerung nicht einfach. Sie stand vor Herausforderungen: neue Sprache, neue Kultur, neues Land und vor allem neue Gesetze. Trotzdem habe sie sich bemüht, sich in ihre neue Gesellschaft zu integrieren. „Trotz all dieser Herausforderungen bin ich jetzt ein Teil dieser Gesellschaft und ich kann tatsächlich am Leben hier teilhaben“, so Lara.

Behörden in NRW verlangen vor dem 7. Oktober Bekenntnis zum Existenzrecht Israels

Ob sie wirklich zu dieser Gesellschaft gehört, hat sie sich während des Einbürgerungsverfahrens gefragt. Denn schon vor dem verheerenden Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober wurde sie schriftlich aufgefordert, ihre politische Position zum Staat Israel zu erklären. „Aufgrund der Tatsache, dass das palästinensische und israelische Volk außerhalb von Deutschland keine friedliche Koexistenz bildet, aber das Verhältnis des Staates Israel mit Deutschland ein besonders Verhältnis darstellt, möchte ich Sie gerne befragen, wie Sie dazu stehen. Bitte geben Sie dazu eine schriftliche Stellungnahme (mit Datum und Unterschrift) ab“, hieß es in einem Schreiben des Einbürgerungsbüros im Rhein-Sieg-Kreis an sie. Unserer Redaktion liegt dieses Schreiben vor.

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Anscheinend ist das kein Einzelfall. Denn immer wieder berichten Menschen, dass sie vor und nach dem 7. Oktober ihre Meinung zum Existenzrecht Israels ablegen mussten. Nach NRZ-Informationen wurde ein Grieche, der am Rande des Ruhrgebiets wohnt, auch nach seiner Meinung zum Thema gefragt, obwohl er seit mehr als 30 Jahren in Deutschland lebt. Allerdings möchte er nicht öffentlich darüber reden, weil sein Einbürgerungsverfahren immer noch läuft.

NRW will Einbürgerung mit Bekenntnis zu Existenzrecht Israels führen

Nun will die schwarz-grüne NRW-Landesregierung über eine Bundesratsinitiative erreichen, dass das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels zur Voraussetzung für eine Einbürgerung in Deutschland wird. Diese Initiative soll laut die Staatskanzlei unter anderem auf eine Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts abzielen „Wer das Existenzrecht Israels leugnet, wendet sich gegen die Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland und kann daher nicht deutscher Staatsangehöriger werden. In das Staatsangehörigkeitsgesetz soll deshalb ein glaubhaftes Bekenntnis zum Existenzrechts Israels als Voraussetzung für die Einbürgerung aufgenommen werden“ teilt eine Sprecherin mit. Das Land habe nach eigenen Angaben bereits am 13. Dezember 2023 die Initiative in den Bundesrat eingebracht.

„In einem freiheitlichen Land zu leben ist ein Geschenk, und gerade deshalb ist mir die Demokratie sehr, sehr wichtig.“

Lara
Bewerberin für Einbürgerung im Rhein-Sieg Kreis

Außerdem fordert die NRW-Regierung eine Verschärfung des Straftatbestands der Volksverhetzung. Auch die Leugnung des Existenzrechts Israels solle künftig unter Strafe gestellt werden. „Das Bekenntnis zum Existenzrechts Israels gehört für mich zum Deutschsein dazu“, sagt NRW-Ministerpräsident Hendrick Wüst (CDU) und ergänzt: „Die Leugnung des Existenzrechts Israels ist genauso menschenverachtend wie die Leugnung des Holocaust, deswegen sollte sie auch genauso strafbar sein.“

Ob die Loyalitätserklärung in NRW mündlich oder schriftlich erfolgen soll, ist noch unklar. „Die konkrete gesetzliche Regelung ist noch zu erarbeiten. Die Bundesregierung soll mit dem Entschließungsantrag aufgefordert werden, zeitnah in Abstimmung mit den zuständigen Ministerien der Länder einen entsprechenden Vorschlag zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts zu entwickeln“, so die Sprecherin der Staatskanzlei.

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Syrerin: Das Leben in einem freiheitlichen Land ist ein Geschenk

Das Staatsangehörigkeitsgesetz verlangt aktuell als Voraussetzung für die Einbürgerung eine sogenannte Loyalitätserklärung, in der sich Bewerberinnen und Bewerber zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes bekennen. Damit erklären sie ihre Ablehnung aller Formen des Extremismus. Doch das reiche anscheinend in einigen Fällen nicht. „Obwohl ich die Loyalitätserklärung unterschrieben habe, bekam ich dieses weiteres Schreiben“, sagt Lara.

Als die Bewerberin gefragt habe, warum sie ihre politische Meinung äußern solle, habe die Mitarbeiterin des Kreises darauf erwidert, dass es eine politische Entscheidung sei und sie gelte für alle. „Wäre das eine politische Entscheidung, wieso musste meine Schwester dann keine Stellungnahme zu diesem Thema beziehen?“, so die Studentin.

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Zudem bestätigt der Rhein-Sieg-Kreis, dass zu den Einbürgerungsvoraussetzungen die Abgabe einer Loyalitätserklärung als Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung gehöre. „Die Existenz des Staates Israel gehört zur deutschen Staatsräson und damit zur freiheitlich demokratischen Grundordnung“, so ein Pressesprecher auf NRZ-Anfrage. Ob die Antragsteller den Inhalt der unterzeichneten Loyalitätserklärung verstanden haben, müsse das vom Einbürgerungsbüro geprüft werden. „Dies erfolgt mitunter durch eine Befragung der oder des Antragstellenden“, teilt der Pressesprecher mit.

Lara hatte keine andere Wahl. Sie musste die Befragung beantworten, um sich einbürgern zu lassen. „Hätte ich das nicht gemacht, dann werde ich nie deutsche Staatsbürgerin“, erklärt Lara. Betonen wollte sie in ihrer Stellungnahme, dass sie als Einzelperson weder politisch noch ideologisch mit irgendwelchen Konflikten in der Welt verbunden sei. „Meine ehemaligen Lehrer, derzeitigen Professoren und Freunde sowie meine befreundeten deutschen Familien wissen, dass ich mich, seit ich hier in Deutschland lebe, immer respektvoll verhalten habe. In einem freiheitlichen Land zu leben ist ein Geschenk, und gerade deshalb ist mir die Demokratie sehr, sehr wichtig.“