Hamminkeln. In Hamminkeln leben auch Palästinenser, die Familie im Gazastreifen haben. Wie sie um ihre Verwandten bangen und mit ihnen leiden.
„Ich befürchte das Schlimmste“, sagt Wissam Albash. Er ist Palästinenser, lebt mit seiner Frau und den gemeinsamen Kindern in Hamminkeln. Sein Leben dreht sich seit dem 7. Oktober um den Nahostkonflikt. Der Hamminkelner verfolgt mit großer Aufmerksamkeit die Nachrichten aus dem Gazastreifen. „Denn dort leben mein Cousin und seine Familie, darunter drei Kinder“, sagt er.
Wissam ist wegen des Kriegs aus Syrien geflohen. Dort lebte er als palästinensischer Flüchtling in einem Flüchtlingscamp im Süden der syrischen Hauptstadt. Seit 2015 ist Hamminkeln die zweite Heimat für den Palästinenser und seine Familie. „Hier haben wir unser Leben neu aufgebaut, trotzdem halten wir immer noch Kontakt zu Familienangehörigen in Syrien und in Gaza“, sagt der Mehrhooger.
Mehrhooger hält Kontakt zur Familie in Syrien und Palästina
Nun herrscht wieder Krieg in der Region: Der Kontakt zu den Familienangehörigen im Gazastreifen ist seit ein paar Tagen abgebrochen. Wissam versucht täglich seinen Cousin zu kontaktieren, aber erfolglos. „Meine Tante lebt auch in Gaza, aber zehn Tage vor der Eskalation ist sie aus Ägypten zu einem Besuch in den Libanon geflogen. Sie würde ihren Sohn und seine Familie über die Nachbarn kontaktieren, wenn es möglich wäre“, sagt der 46-Jährige. Nun hoffe die Mutter, ihren Sohn und seine Familie lebend wiederzusehen. „Aber erst, wenn der Grenzübergang geöffnet wird. Denn in Kriegszeiten bleibt die Grenze normalerweise dicht“, erklärt der Hamminkelner.
Besonders hart sei für Wissam, dass er die Familie nicht immer erreichen kann. Denn wegen der Stromausfälle gibt es auch kein Internet. „Video-Anrufe sind unmöglich. Man schreibt eine Whatsapp-Nachricht. Doch die Antwort kommt ein paar Tage später“, so der Palästinenser.
Palästinenser aus Hamminkeln: Im Gazastreifen gibt es keinen sichern Ort
Als Reaktion auf Hamas-Angriffe bombardiert und beschießt die israelische Armee Ziele in Gaza, dies trifft auch die Zivilbevölkerung. Nach unbestätigten palästinensischen Angaben sind mehr als 3500 Menschen getötet worden. Davon seien mehr als 60 Prozent Kinder und Frauen. „Ich befürchte jeden Tag, dass ich eines Tages die Nachricht bekomme, dass mein Cousin und seine Familie nicht mehr leben“, sagt er und ergänzt: „Denn es gibt im Gazastreifen keinen sicheren Ort. Dort gibt es keine Bunker. Menschen versuchen, sich in den UN-Schulen oder den Krankenhäusern zu verstecken“, erklärt der Palästinenser.
Während die israelische Armee eine Bodenoffensive vorbereitet, müssen viele Menschen in Gaza ihre Häuser im Norden des Gazastreifens verlassen. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind etwa eine Million Palästinenserinnen und Palästinenser in den Süden des Gazastreifens geflohen. Auch Wissams Cousin und seine Familie müssen ihr Haus verlassen. Nun ließen sich bei Familienangehörigen nieder. „Sie lebten in einem Hochhaus, das während des Kriegs als gefährlicher Ort gilt“, erklärt der deutsche Staatsbürger.
Hamminkelner: In Gaza sind Krankenhäuser am Limit
Angesichts des Mangels an Trinkwasser – die Menschen können auch nicht duschen – spricht der 46-Jährige von schwierigen Bedingungen in diesen UN-Schulen. „Dies könnte zu einem Ausbruch von Epidemien und Krankenbetten-Knappheit führen.“
Die Lage im Gazastreifen ist seit Jahren angespannt. Dort leben mehr als zwei Millionen Menschen: Viele von ihnen leben unter der Armutsgrenze. Derzeit gehen dem Gazastreifen Wasser, Strom und andere lebenswichtige Güter aus. „Die humanitäre Lage hat sich auch aufgrund der jüngsten Blockade und des Krieges weiter verschärft. Es gibt weder Trinkwasser noch Treibstoff, auch die Krankenhäuser sind am Limit. Es fehlen vor allem Medizin oder wichtige Geräte, um Verletzte zu retten“, sagt Wissam.
Mehrhooger Palästinenser: Gewalt ist keine Lösung
Viele Bilder und Videos aus dem palästinensisch-israelischen Konflikt kursieren gerade und zeigen: Bei Raketenangriffen sterben Männer, Frauen und Kinder, Angehörige trauern auf beiden Seiten. „Zwar verfolge ich gemeinsam mit meiner Frau die Nachrichten, aber wir versuchen gleichzeitig, unsere Kinder zu schützen. Denn sie sind noch zu klein, um solche Bilder oder Videos zu sehen“, meint Wissam. Doch man könne die Kinder nicht komplett davon fernhalten. „Aber wir tun unser Bestes“, sagt er.
Die Lösung des Konflikts erfordere laut dem Palästinenser politische Veränderungen. Vor allem leiden die Zivilistinnen und Zivilisten im Gazastreifen unter den Auswirkungen dieses Konflikts. „Deshalb ist es dringend erforderlich, die humanitäre Hilfe zu verstärken und langfristige Lösungen anzustreben, denn die Gewalt bringt keine Lösung“, so Wissam.