Bedburg-Hau. Friedrich der Große hatte dort Fieber, Joseph Beuys war nie da, doch als Objekt einer „Ehe zu dritt“ ist Schloss Moyland ein süßer Zankapfel.
Friedrich der Große war da und Voltaire, Winston Churchill und Johannes Rau – ein kleiner Hauch von Weltgeschichte also für ein Bauwerk, das immer ein kleines bisschen Verstecken zu spielen scheint mit den Gästen von nah und fern. Die alte Römerstraße führt vorbei – und nicht hin. Ein alter Waldweg schlängelt sich irgendwo als Landstraße auf der anderen Seite vorbei, man muss schon einem alten Postweg folgen, um dann endlich tatsächlich anzukommen am Schloss Moyland.
Wer es denn findet, findet seit knapp einem Vierteljahrhundert ein Idyll: Ein durchsaniertes Wasserschloss im Tudorstil des frühen 19. Jahrhunderts, Backstein außen, italienischer Marmor innen. Schließlich hat Moyland, niederländisch für „schönes Land“, auch lateinische Wurzeln, kommt von Mediolanum und da weiß der Asterix-Kenner sofort: Das ist Mailand.
Friedrich I. war auch da
Schloss Moyland: Idyllisches Museum für Beuys' Werke
Mailand und Moyland, das sind gewissermaßen Antipoden. Denn Moyland ist eher: weg von allem. Ist nicht Kleve und und nicht Kalkar. Sondern: Ruheinsel, abseits gelegen, mal ausspannen, nachdenken, flanieren, die Gärten bewundern, was meist die Hälfte der Museumsbesucher tun, die das eigentliche Schloss Schloss sein lassen – es ist also so etwas wie Deutschlands größtes Gartenhäuschen, ein bisschen versteckt, aber schön gelegen.
Und geeignet als Liebeslaube. So hielt es seinerzeit Friedrich I., der sich auf Moyland mit einer 17-jährigen Katharina Rickers aus Emmerich vergnügt haben soll. Hat der Autor dieser Zeilen auch mal probiert, das war 1987, aber da lag das ganze Schloss in Schutt und Trümmern, roch nicht gut und im Wassergraben gab es schlammige Schuhe.
1997 wurde Moyland als Museum eröffnet
Insofern: Zehn Jahre später war jener Lost Place auferstanden aus Ruinen und wurde feierlich eröffnet und sollte fortan einer Menage à trois dienen, einer Dreierliebschaft, die wie im wahren Leben auch in Eifersüchteleien, Neid und Zwist endet und so gibt es derzeit allenfalls mal wieder so eine Art Burgfrieden im Schloss. Was der Idylle vielleicht gerecht wird, aber jenen versteckten kulturellen Stern am Niederrhein auch nicht so recht zum Leuchten bringt.
Aber der Reihe nach, kehren wir nochmals zum Festakt von 1997 zurück, in jene glücklichen Maientage, an denen alle dachten: Jetzt aber! Jetzt wird Moyland ein strahlendes Juwel. Es sprach der NRW-Ministerpräsident Johannes Rau: „Aus Schloss Moyland, der einstigen Ruine, ist wieder ein Juwel geworden. (...) Wer heute hierher kommt, der kann sich gut vorstellen, warum Friedrich der Große gerade hier Voltaire getroffen hat, warum er auf Moyland eine Philosophenakademie errichten wollte.“
Moyland als Ersatz für Brüssel
Nun ja, die historische Wahrheit ist wohl eher: Friedrich, der eher schwächliche Philosophenkönig, wollte eigentlich nach Brüssel reisen, um dort Voltaire zu treffen. Schon in Wesel jedoch hatte der König heftiges Fieber und bat darum, dass Voltaire ihm entgegenkommen möge – so traf man sich in Moyland. Am 11. September 1740 traf Voltaire den König von Preußen: „In einem Kabinett gewahrte ich beim Schein einer Kerze ein kleines Feldbett von zweieinhalb Fuß Breite, auf dem ein kleiner Mann lag, eingemummt in einen Morgenrock aus blauem Stoff: Das war der König, der schwitzte und sich unter einer alten Decke in einem heftigen Fieberanfall schüttelte.“
Das klingt in der Tat eher nach niederrheinischem Herbst denn nach Preußens Gloria, aber gerade das nahm Voltaire für den Philosophenkönig ein. Aber zurück zum glorreichsten Tag Moylands im 20. Jahrhundert: Das Land mit seinem Ministerpräsidenten gab reichlich Geld. Rau hatte vielleicht auch ein schlechtes Gewissen, hatte er doch 25 Jahre zuvor als Bildungsminister den renitenten Künstler Beuys aus Düsseldorfs Kunstakademie geschmissen.
Auf Moyland ist Beuys nie gewesen
Die Kunst indes kam von den engagierten Sammlern Franz-Josef und Hans van der Grinten, die endlich ein Museum für ihre Beuys-Sammlung bekamen, die in Kranenburg eher schlecht als recht lagerte. Vermutlich wäre das Klever Kurhaus der angemessenere Ort gewesen – schließlich hatte Beuys im dortigen Museum sein erstes Atelier. Auf Moyland ist er nie gewesen.
Aber die Ruine brauchte eine Sanierung und einen Zweck – nun also: Das Schloss kam von der Familie von Steengracht, die das Anwesen mehr als zwei Jahrhunderte bewohnten, es 1767 im Gegenzug für die Mitfinanzierung des Siebenjährigen Krieges von den Preußen bekamen. Die von Steengrachts bewohnten es, bis ein weit größerer Krieg das Schloss unbewohnbar machte: In der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs konnte Winston Churchill dort im März 1945 bei der Rheinüberquerung der alliierten Truppen kurz residieren.
Dann, so einige Quellen, sollen kanadische Soldaten das wertvolle Innenleben recht rigoros ausgenommen haben. Andere berichten wiederum, dass die umliegenden Niederrheiner alles aus dem Schloss mitnahmen. Natürlich nur, damit es keinen Dieben in die Hände fiel. Die Folge: Eine eher dürftige Notsanierung, ein ausgebrannter Dachstuhl und somit bis 1987 eine ziemlich heruntergekommene Ruine, deren Sanierung lockere zehn Jahre und reichlich viele Millionen in Anspruch nahm. So, dass Adrian Baron von Steengracht im Mai 1997 beglückt feststellte: „Schloss Moyland, dieses wundervolle Kleinod unserer niederrheinischen Heimat, ist wie ein Phönix aus der Asche wiederauferstanden.“
„Ehe zu dritt“ zwischen Land, Beuys-Sammlern und Beuys-Familie
Er war es auch, der schon damals von einer „Ehe zu dritt“ zwischen Land, Beuys-Sammlern und seiner Familie sprach. Die nur sehr bedingt glücklich ist. Dass künstlerische Leiter immer mal wieder nominiert und entlassen werden, gehörte in den letzten zehn Jahren quasi zum Alltag. Dass die Beuys-Erben Teile der Sammlung einfordern, ebenso. Immerhin, so NRW-Kulturministerin Pfeiffer-Poensgen, will man für dieses Jahr eine neue künstlerische Leitung installieren.
Zwei weitere Leitungsposten – der fürs Beuys-Archiv und der für Schloss und Park – sind ebenfalls vakant. Nächstes Jahr wird das wieder auferstandene Schloss Moyland 25 Jahre alt. Wäre schön, man könnte es feiern.