Bedburg-Hau. Hut, Anglerweste, langer Mantel und Wanderstab – sieht so das Gewand eines Schamanen aus? Möglicherweise. Beuys jedenfalls sah sich so.
Die Gleichung geht so: Jeder ist ein Künstler, hat Beuys gesagt. Und er sah sich als Künstler und als Schamane. Folglich ist jeder ein Schamane. Was an dieser Gleichung dran ist, untersucht das Museum Schloss Moyland in seiner Ausstellung zum Beuys-Jubeljahr. Zwei Jahre lang ist die Schau vorbereitet worden, die erstaunlich viele Weit- und Weltblicke bietet. Und erstaunlich wenig Beuys.
Oder besser gesagt: Gerade, wenn man Beuys als Schamanen zeigen will, bekommen seine Aktionen mehr Gewicht als seine Arbeiten. Und die filmischen Dokumentationen, so das Museum mit gewissem Bedauern, darf man nicht zeigen. Zu sehen gibt es dennoch genug – und vor allem zu entdecken.
Die „Sibirische Sinfonie“ und eine Flasche Khan-Bräu
Wichtig zunächst: Beuys hat sich selbst natürlich als Schamanen gesehen, ihm wurde dieses Attribut schon Ende der 60er-Jahre zugeschrieben, und auch er selbst bekannte: „Ich habe ja die Figur des Schamanen wirklich angenommen.“ Attraktiv war diese Figur für Beuys vor allem deswegen, weil Schamanen in der Tradition stehen für diejenigen, die die Welten wieder vereinen, die geistige und die materielle, die diesseitige und die jenseitige.
Beuys’ Hinwendung zum Schamanismus und auch sein Selbstbekenntnis Schamane zu sein, rührt dabei nach Auffassung von Ulrike Bohnet, der Ethnologin vor allem aus seiner Schaffenskrise der 50er Jahre und nicht – wie vielleicht zu erwarten wäre – aus der berühmten, erdachten Tatarenepisode.“
In der Ausstellung steht beispielsweise der berühmte Beuys-Schlitten mit Fett, Filz und Taschenlampe einem traditionellen Schlitten der Sami gegenüber. Bilder der „Sibirischen Symphonie“ von Beuys werden kontrastiert mit Objekten der Schamanen – aber auch eine Flasche Khan-Bräu aus der Mongolei mit dem Beuys-Bild „Grab des Dschingis“.
Wäre Beuys heute ein Querdenker?
Viele Züge im Beuysschen Werk, die starke Bedeutung von Tieren, insbesondere des Hasen, rituelle oder habituelle Kleidung. Bei Beuys der Hut, die Anglerweste und der Mantel und natürlich auch der Stab – alles das wird gezeigt. Doch Kuratorin Barbara Strieder betont: „Bei der Figur des Schamanen geht es nicht nur um das äußere Erscheinungsbild, sondern eher um die Eigenschaften. Kräfte aussenden und spirituelle Botschaften vermitteln zu können.“ Und wer wollte bestreiten, dass Beuys Kunst Kräfte entfacht hat, wenn er einem toten Hasen die Bilder erklärt?
Mit Ausnahme der Aktion „I like America and America likes me“, bei der Beuys 1974 in New York drei Tage mit einem Kojoten in einer Galerie verbrachte, liegt der Deutungsraum in Eurasien. Hier wollte Beuys westliche Aufklärung und östliche Mystik über das Schmanentum verbinden – und politisch wirksam werden lassen.
Letzteren Aspekt thematisiert die Ausstellung indes nicht. Den politischen Beuys der späten 70er Jahre mit dem Schamanen Beuys in Beziehung zu setzen – das birgt womöglich Sprengstoff, der sich leicht entzünden ließe mit der Frage: Wäre Beuys heute ein Querdenker?
Eröffnet wird die Ausstellung am Sonntag, 2.Mai um 14 Uhr – zu erleben im Livestream unter moyland.de Derzeit ist sie öffentlich nicht zugänglich. Wenn Corona lange wütet, soll die Ausstellung über August hinaus verlängert werden. Der reich bebilderte Katalog kostet 34,50 Euro.