Oberhausen. Im ausverkauften Atrium in Oberhausen ist das Dreigestirn gekürt worden. Warum der Karnevalsprinz besonders ist und was ChatGTP damit zu tun hat.

Es gibt höflichen Applaus auf dem Niveau einer Teeparty. Oder Hände bewegen sich so beschwingt, dass sie für jubilierendes Grundrauschen sorgen. Und dann wiederum gibt es die Kürung des Dreigestirns der Karnevalsgemeinschaft „Dampf drauf“ vom Freitagabend in Oberhausen: In der Atrium-Halle an der Wehrstraße schrillt es beim Einmarsch des neuen Karnevalsprinzen René Bargatzky so laut, dass auf manchen Tischen die Getränke in zitternden Gläsern kleine Wellen schlagen.

Trampeln, Klatschen und pustende Trillerpfeifen sorgen für einen kraftvollen Auftakt, der mit Baustellen-Pegeln konkurrieren könnte. Kein Wunder, wenn der Rufname des neuen Regenten „Bagga“ lautet.

Die Veranstalter meldeten einen ausverkauften Narrensaal: 600 Gäste lauschten in Oberhausen am Freitagabend der Inthronisierung und den folgenden Karnevalsbands.
Die Veranstalter meldeten einen ausverkauften Narrensaal: 600 Gäste lauschten in Oberhausen am Freitagabend der Inthronisierung und den folgenden Karnevalsbands. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

„In der Halle war es selten voll“, staunen uniformierte Jecken auf Sitzplätzen und an Stehtischen. 600 Eintrittskarten gingen im Vorfeld spielend weg. Die Veranstalter melden: ausverkauft! Der Regent im rot-weißen Ornat muss innehalten und wiederholt vom Moment gepackt die Worte des vor einer Woche in der Stadthalle gekürten Stadtprinzen: „Danke, danke, danke!“

Karneval Oberhausen: Jecke Rolle nimmt man dem „Babcock-Prinzen“ ab

Auch interessant

Für Laien schnell erklärt: Es gehört zu den Besonderheiten im Oberhausener Karneval, dass neben dem von allen Gesellschaften gewählten Stadtprinzen (in dieser Session Thorsten I. Eckrich) noch eine Karnevalsgemeinschaft einen zusätzlichen Regenten stellt. „Dampf drauf“ geht auf den Werkskarneval des ehemaligen Oberhausener Industrieunternehmens Babcock zurück. Die Jecken sind bundesweite Vorreiter und stellten 1957 eines der ersten Dreigestirne außerhalb des Kölner Karnevals.

„Prinz, Bauer, Jungfrau / Hand in Hand / bauen Brücken hier im Narrenland!“

Dreigestirnsmotto
von Prinz Bagga I. (René Bargatzky)

Wie der Name schon sagt: Neben Prinz René Bargatzky (30) - im bürgerlichen Leben politischer Geschäftsführer der FDP im Oberhausener Rat, Karnevalsorganisator, Mitarbeiter in der kirchlichen Jugendarbeit - funktioniert das Dreigestirn mit dem Handwerker Dirk Bäsch (56) als Jungfrau und Fachinformatiker Tobias Leuschner (28) als Bauer wie ein jecker Hattrick.

Von klassisch beim Gardetanz bis spektakulär beim Showtanz: Die Prinzengarde von Dreigestirnsprinz Bagga I. (René Bargatzky) zeigte sich in zwei Auftrittswellen sportlich.
Von klassisch beim Gardetanz bis spektakulär beim Showtanz: Die Prinzengarde von Dreigestirnsprinz Bagga I. (René Bargatzky) zeigte sich in zwei Auftrittswellen sportlich. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Letzterer sorgt für ein Novum. Wahrscheinlich tauchte Künstliche Intelligenz (KI) im Oberhausener Brauchtum bislang noch bei keiner Teamvorstellung auf. Der Fachmann versichert mit einem Augenzwinkern in der offiziellen Prinzenschrift, seinen Vorstellungstext ganz ohne ChatGTP verfasst zu haben. „Wer braucht schon KI, wenn man solche literarische Glanzstücke aus dem Ärmel schütteln kann?“ Tusch!

Karneval Oberhausen: Kurzweilige Inthronisierung dauert viereinhalb Stunden

Ansonsten klappen die ersten Schritte des mancherorts noch als „Babcock-Prinzen“ benannten Regenten problemlos. Schon das Schulterklopfen der „Offiziellen“ zeigt, dass Bargatzky in der Narrenszene bestens bekannt ist. Die Freude über eine sicher auch anstrengende Regentschaft, die bis zum Aschermittwoch, 5. März 2025, außergewöhnlich lange reicht, nimmt man ihm ab. Ein Vollblut-Karnevalsprinz ist nicht immer selbstverständlich.

Auch interessant

Dass es bei viereinhalb Stunden Programm hier und da noch nicht ganz flüssig läuft, gehört dazu und wird souverän pariert: „Ich habe im vergangenen Jahr meine erste Karnevalssitzung moderiert und wusste auch nicht, was ich sagen sollte.“ Der wohl wichtigste Satz des Abends ist das Bekenntnis des Dreigestirn-Oberhaupts, viele Termine in sozialen Einrichtungen und Alteneinrichtungen wahrnehmen zu wollen.

Viele Karnevalsbands, gute Stimmung: Die Dräcksäck aus Köln spielten in Oberhausen eine gute halbe Stunde lang jecke Klassiker im Akkord.
Viele Karnevalsbands, gute Stimmung: Die Dräcksäck aus Köln spielten in Oberhausen eine gute halbe Stunde lang jecke Klassiker im Akkord. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Wahrscheinlich wird auch den Machern der KG „Dampf drauf“ ein Stein vom Herzen fallen. Der Fortbestand des Dreigestirns in der mit immer weniger Aktiven ausgestatteten Traditionsgesellschaft war alles andere als gesichert. Nachdem sogar über das baldige „Aus“ des Dreigestirns getuschelt wurde, rückten die Oberhausener Narren zusammen. Auch wenn Bargatzky eigentlich der Karnevalsgesellschaft „Echte Fründe“ angehört und auch das Traditionskorps „Blaue Funken“ im Prinzenteam beteiligt ist, grüßt das Dreigestirn weiter in Dampf-drauf-Farben.

Karneval Oberhausen: Der Prinz und Bel Air - „Konfetti in der Luff“

Die Inthronisierung gelingt überraschend kurzweilig. Der Redeanteil wirkt gegenüber den Vorjahren spürbar reduziert. Das Programm rückt stärker in den Fokus. Daran hat die Prinzengarde, bestehend aus Tänzerinnen der KG „Echte Fründe“, einen maßgeblichen Anteil. Neben klassischem Gardetanz sorgt der Showtanz für magisch anmutende Jubelstürme. Potz-Blitz! Bei der aufwendigen Stapelarbeit von Gardistinnen hätten AC/DC („Thunderstruck“ ist im Musik-Potpourrie enthalten) und Harry Potter wohl jecke Freude gehabt. Auch beim Mariechentanz von Talina Peters brandet Applaus auf.

Einmarsch der närrischen Gladiatoren: Viele Karnevalsgesellschaften aus Oberhausen beteiligten sich im Publikum an der Inthronisierung des Dreigestirns.
Einmarsch der närrischen Gladiatoren: Viele Karnevalsgesellschaften aus Oberhausen beteiligten sich im Publikum an der Inthronisierung des Dreigestirns. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Zudem überzeugen eingeladene Karnevalsbands, wenn auch manchmal die Akustik lahmt. Die bergische Gruppe „Bel Air“ wird im Kölner Karneval immer beliebter. „Konfetti in der Luff“ können viele Jecken zeilengenau mitsingen. Der (Karnevals-)Prinz und Bel Air? Passt irgendwie! Solo-Interpret Torben Klein sorgt mit „Rut sin de Ruse“ für eine fast hundertprozentige Schunkelquote.

Dass der neue Regent übrigens auch in den Karnevalsgeschichtsbüchern nicht René I., sondern abgeleitet von seinem Nach- und Rufnamen Bagga I. heißt, dürfte Statistiker interessieren.

Auch interessant

Mehr zum Karneval in Oberhausen