Oberhausen. Acht Neuheiten stehen im Großen Haus auf dem Theater-Spielplan. Die Vorschau mit Liederabend, einem Ralf-Rothmann-Drama - und sogar Shakespeare.
Als reaktionsschnelle „Antwort auf den Rechtsruck in Europa“ hatten Dramaturginnen und Intendantin im Theater Oberhausen eine schon konzipierte dritte Spielzeit radikal überarbeitet: Mit etlichen Premieren stellen sich Kathrin Mädler und ihr Team der kritischen Gegenwart - und liefern dennoch kein eingleisiges Thesentheater. Auch zeitlose Klassiker haben in der Saison 2024/‘25 ihre Chance. Für Abonnenten und für Ticket-Käufer der ersten Premieren hat das Besucherbüro bereits wieder geöffnet. Acht Neuheiten stehen im Großen Haus auf dem Theater-Spielplan: hier der Ausblick vom spätsommerlichen „Oratorium“ bis zum Uraufführungs-„Cocktail“ im Mai kommenden Jahres.
Nicht weniger als eine „Discographie des Lebens“ verheißt der inzwischen zu erwartende Liederabend zum Spielzeit-Auftakt. Allerdings setzt „Oratorium Doycland“ am Samstag, 7. September, ganz andere Akzente als die „herzigen“ Hit-Medleys der beiden Vorjahre. Regisseur Caner Akdeniz startet eine musikalische Spurensuche, um in diesem Liederabend den Songs der in den 1960ern so genannten „Gastarbeiter“ nachzuspüren - und dieser alternativen „deutschen Hitparade“ bis in die Gegenwart zu folgen.
Jukebox-Hits, vollgestopft mit alter Schlagerseligkeit, würden auch eher zum Zeitkolorit von „Milch und Kohle“ passen, Ralf Rothmanns wohl bekanntestem Roman vom Tackenberg. Regisseurin Maike Bouschen schuf mit Till Beckmann von den Herner „Spielkindern“ die Bühnenfassung für die Uraufführung am Freitag, 20. September. Dramaturgin Laura Mangels verspricht „eine große Produktion“, in deren Mittelpunkt die verzweifelt lebenshungrige Mutter des Erzählers stehen wird, „die sich abends beim Twist in die Ferne träumt“.
Einen pointensatten Krieg der Geschlechter führte allerdings mit noch feiner ziseliertem Florett ein früherer Frauenverehrer: „Shakespeares beste Wortgefechte zwischen Mann und Frau“ erkennt Chefdramaturgin Saskia Zinsser-Krys in „Viel Lärm um Nichts“. Mit der Premiere am 5. Oktober, zugleich ihre erste Arbeit für Oberhausen, will sich Regisseurin Anne Mulleners mit einer bildstarken und musikalischen Inszenierung des elisabethanischen Verwirrspiels annehmen.
„Der Zauberer von Oz“ feiert die Magie der Freundschaft
Ein Traumspiel von besonderem Charme ist seit Jahrzehnten auch „Der Zauberer von Oz“. Nicht ohne guten Grund glitzern Dorothys rote Paillettenschuhe aus der 1939er Verfilmung längst in Washingtons Nationalmuseum für Amerikanische Geschichte. Die Premiere am 16. November feiert die Magie der Freundschaft und zeigt, dass der Weg wertvoller sein kann als das Ziel. Auch für diese Familienproduktion will Ausstattungsleiterin Franziska Isensee wieder in eine magische Welt entführen.
Mit einer weiteren Adaption eines Roman-Bestsellers, „Kazimira“ von Svenja Leiber, startet das Theater am 17. Januar ins neue Jahr 2025. Die Uraufführung erzählt vom unbändigen Drang der Titelheldin, wie ihr Ehemann Antas um 1900 in der Bernsteingrube an der baltischen Ostseeküste arbeiten zu dürfen - anstatt sich um Heim und Kind zu kümmern. Der Roman folgt Kazimira bis zu deren Kindern und Kindeskindern. Man darf gespannt sein, wie die Inszenierung von Krystyn Tuschhoff diese Stofffülle in Form bringt.
Tanztheater feiert mit „Preach“ die Messen afrikanischer Gemeinden
Eine Frömmigkeit, wie man sie in Mitteleuropa gar nicht mehr zu kennen glaubt, übersetzt „Preach“ am 14. Februar in mitreißendes Tanztheater: Kwame Osei, Tänzer und Choreograph der neuen Urban Arts-Truppe des Theaters, arbeitet mit Texten des großen US-Autors James Baldwin (1924 bis 1987) und mit der eigenen Anschauung von ekstatischen Gottesdiensten in Oberhausens ghanaischer Gemeinde, um der Frage nachzugehen: „Wie macht der Glaube Menschen gefügig?“
Quasi eine Vorgeschichte zum viel diskutierten Dokumentar-Thriller „And now Hanau“ (den das Theater auch in der neuen Spielzeit in den Oberhausener Ratssaal bringt) schrieb Heinar Kipphardt 1983 mit „Bruder Eichmann“: Es ist einer der wichtigsten Texte des politischen Dokumentartheaters. Auf Basis der Verhörprotokolle aus Jerusalem zeichnete der Autor den Weg Eichmanns vom biederen Vertreter einer Öl-Firma zu jenem Verbrecher nach, der den Mord an sechs Millionen jüdischen Menschen organisierte. Die Premiere am 14. März erweitert den zeitgeschichtlichen Text um die Uraufführung von Lukas Hammersteins „Geschwister Eichmann“: Ein vielstimmiger Chor bürstet den „Schluss” gegen den Strich.
Von jüdisch-deutscher Gegenwart erzählt - aus Sicht eines jungen Oberhauseners - die letzte Uraufführung im Großen Haus: „5cl Erinnerungskultur, 3cl Stereotype, 2 TL Patriotismus, 1 TL Israel, einen Spritzer Antisemitismus“ – so lauten (die hier nicht ganz vollständigen) Zutaten, die der junge Filmemacher Arkadij Khaet mit Merle Teresa Khaet in seinem „Masel Tov Cocktail“ verrührt. Mit viel Ironie führt das Paar durch den Alltag seines jugendlichen Helden Dima und zeigt, was es bedeutet, heute als Jude in Deutschland zu leben.
Nicht nur für Abonnenten: Theaterkasse ist wieder geöffnet
Die Theaterferien beendet die emsige Crew der Theaterkasse stets als Erstes: Sie ist bereits wieder zur Stelle und berät, sei es am Will-Quadflieg-Platz, per Kartentelefon 0208 8578 184 oder per Mail an service@theater-oberhausen.de.
Für einige gefragte Inszenierungen bietet das Repertoire ein Wiedersehen im Großen Haus. Zu den Wiederaufnahmen zählen die grelle Düster-Revue „Ich zittere“ von Joel Pommerat, aber vor allem der große Hit der vorigen Spielzeit, nämlich Matthew Lopez‘ „The Legend of Georgia McBride“ um den Aufstieg eines Elvis-Imitators zur gefeierten Dragqueen. Dritte Wiederaufnahme im Großen Haus ist schließlich Zülfü Livanelis „Serenade für Nadja“, das große zeithistorische Panorama aus der Türkei.