Oberhausen. Die rasante Komödie „The Legend of Georgia McBride“ glänzt mit zwei hinreißenden Stars - die nur niemand dem Theater abwerben darf.
So prompt sah man selten ein Oberhausener Theaterpublikum aus den Sitzen schnellen, um nach zweidreiviertel Stunden einer grandiosen Show standing ovations darzubieten. „The Legend of Georgia McBride“ hat in der Inszenierung von Cilli Drexel tatsächlich das Zeug, sich zu quasi „legendärem“ Status aufzuschwingen. Und wie zweifach aufbrausender Jubel überdeutlich machte, ist es eine „Two Women Show“ für zwei wunderbare Schauspieler: Jens Schnarre als abgeklärt-berufserfahrene, manchmal geradezu mütterlich-fürsorgliche Dragqueen Miss Tracy. Und Daniel Rothaug als unerschütterlich optimistischer Loser Casey, der als Titelheldin Georgia McBride zum wahren Showtalent aufblüht.
Der ungeplante Berufswechsel kommt so unerwartet wie von schriller Panik erfüllt. Denn zunächst müht sich Casey in „Cleo‘s“, der abgerockten Bar des super muffeligen Eddie (Torsten Bauer), als Elvis-Double. Dabei wirkt der Sänger im grabesschwarzen Outfit und mit pomadiger Perücke eher wie ein trauriger Roy Orbison, der nur statt „Pretty Woman“ die falschen Lieder covert. Simin Soraya hat als Gattin Jo die undankbare Aufgabe, dem Tagträumer die harten Wahrheiten des Lebens einzutrichtern: „Wir sind pleite.“ Auf der Bühne, die Ausstattungsleiterin Franziska Isensee für diese Produktion mal quasi-naturalistisch gestaltete, sind‘s nur ein paar Schritte aus der Künstlergarderobe in wahrlich kranken Türkistönen zur kaum hübscheren häuslichen Veranda: Kein gänzlich übler „White Trash“ wie in Oberhausens „Salome“-Inszenierung, aber bedenklich nahe dran.
Man erahnt also Existenzen am Rande des Absturzes, doch Autor Matthew Lopez macht aus seinem Komödienhit alles andere als ein Sozialdrama. Denn die göttliche Miss Tracy, angeheuert von ihrem Cousin Eddie, um die erfolglose Elvis-Nummer abzulösen, lässt selbst den kleinen Loser nicht verkommen. Denn eines Abends ist ihre Drag-Partnerin Rexy („Anorexia Nervosa“, den Kalauer hat einst schon Tori Amos in einen ihrer Songs verpackt) vom Alkohol völlig hinüber - übrigens die einzige Szene, in der eine hochtourige Komödie gen Klamauk abdriftet. Dennoch leistet David Lau vor und hinter der Bühne Erstaunliches: Er spielt in stetem Wechsel die zickige Dragqueen in vollem Glitzerornat - und Caseys hinterwäldlerischen Kumpel im Holzfällerhemd.
Wie schockgefroren im kleinen Schwarzen
Wie Miss Tracy für den völlig überrumpelten Casey das Mieder schnürt, ihn in Strumpfhosen wuchtet und mit Kleid und Perücke in wenigen Minuten zu „Edith Piaf“ aufdonnert - und dabei unerschütterlich Salven von ebenso charmanten wie coolen Pointen abfeuert: Das ist einfach hinreißend. Sollten auch für Dragshows wie für Führungsetagen gewiefte Headhunter unterwegs sein - dann muss das Theater Oberhausen wohl um Jens Schnarre fürchten. Daniel Rothaug hält nicht minder begeisternd mit: Zunächst wie schockgefroren im kleinen Schwarzen des „Spatzen von Paris“, verwandelt sich seine Performance zum Gassenhauer „Padam, padam“ in schönsten Nuancen von grottig zu erhaben. Lady Gagas kurzer Piaf-Auftritt am Anfang von „A Star is Born“ ist dagegen müdes Getue.
Ein Stern geht auf: Der zweite Akt startet als Mini-Dragshow jeweils mit Eddies Ansagen, die mit jedem Zeitsprung schwungvoller geraten. Auch der biestige Boss macht sich locker, denn die Existenzangst weicht dem Erfolg. Die Songauswahl zu den „Lip-Sync“-Auftritten und flottem Wechsel glänzt mit jenen Diven, denen Dragqueens einfach huldigen müssen: von Whitney Houston bis Adele. Sogar Joni Mitchells früher Folksong „Both Sides now“ schillert dank Georgia McBride plötzlich mehrdeutig.
Das komödiantische Feuer lodert im zweiten Teil nicht ganz so hoch. Matthew Lopez war als Bühnenautor in den USA mit „The Inheritance“ durchgestartet, einer Anverwandlung des britischen „Coming out“-Romans „Howard‘s End“ von E. M. Forster. Natürlich ist auch seine „Georgia McBride“ ein Plädoyer. Schließlich lässt er die biestige Rexy in ihrem klarsten Moment erklären, warum Drag viel mehr ist als irgendein Beruf im Showbiz: „Drag ist eine erhobene Faust in einem Paillletten-Handschuh.“ Und im Paillettenkleid überzeugt Casey schließlich sogar seine Jo, die den Heimlichtuer zunächst von der Veranda gejagt hatte.
Für den Schlussauftritt mit den grandiosesten Kostümen von Janine Werthmann und einer feingeschliffenen Choreographie konnte es schließlich nur einen Song geben: Zum zündenden Disco-Funk von „Lady Marmelade“ ließen Tracy, Rexy und Georgia die Ur-Girlgroup Labelle auferstehen. Und das Theater Oberhausen verwandelt sich - wie die Bruchbude „Cleo‘s“ - in einen glamourösen Showtempel.
Drei März-Vorstellungen und Dragqueens aus Düsseldorf
Vorstellungen im März folgen am Freitag, 1., Samstag, 9., und Freitag, 22., jeweils von 19.30 Uhr bis 22.15 Uhr, mit Pause. Karten von 11 bis 23 Euro gibt‘s unter 0208 8578 184, online via theater-oberhausen.de
Wer nicht genug bekommt von „The Legend of Georgia McBride“ , denen bietet das Theater Oberhausen am Freitag, 8. März, um 20.30 Uhr, eine Dragshow auf der Großen Bühne mit Effi Biest (Drag & Biest) und Loreley Rivers (Drag Race) aus Düsseldorf. Eintritt 10 Euro, anschließend Party in der Bar.