Oberhausen. Kathrin Mädlers dritte Spielzeit am Theater Oberhausen reagiert auf die Terror-Verbrechen des 7. Oktober - glänzt aber auch mit Komödien.
Nach dem Terrorangriff des 7. Oktober waren die bereits entwickelten Ideen für Kathrin Mädlers dritte Spielzeit am Theater Oberhausen aus Sicht der Intendantin plötzlich Makulatur: In einer straffen Energieleistung entwickelte ihr Team ein neues Konzept: „The Rest is History“ lautet nun das Motto der 15 Produktionen vom 6. September 2024 bis zum 31. Mai 2025, von denen zwei Drittel wieder als Uraufführungen zu erleben sein werden. Doch die Chefin verspricht am Donnerstag in der Theaterbar auch „wieder einen Klassiker“ - und hat damit sogar untertrieben: Denn neben William Shakespeares „Viel Lärm um Nichts“, der hinreißenden Komödie zum ewigen Geschlechterkampf, darf auch die kommende Familienproduktion „Der Zauberer von Oz“ als Klassiker seines Genres gelten.
Wie ernst es dem Theater mit der zeitgeschichtlichen Linie der Spielzeit 2024/25 ist, macht schon das neue „Corporate Design“ deutlich. Denn die Grafiken von Götz Gramlich, zuvor poppig-bunt, sind nun kaum wiederzuerkennen: Mehr Farben als schwarz, weiß und rot hat sich der Haus-Designer nicht erlaubt. „Unser Theater bleibt aber ein Herzland“, versichert die Intendantin gewohnt schwungvoll. „Lasst uns gemeinsam wachsam sein“, formuliert Kathrin Mädler als Appell zu einer „sehr politischen Spielzeit“, die sehr bewusst auch den 80. Jahrestag der Befreiung von der NS-Tyrannei in den Blick nimmt - oder wie es die 48-Jährige formuliert: „Die Befreiung der Deutschen von sich selbst.“
Stolz verweist die Intendantin auf Oberhausens neuen Status als „Mehrspartenhaus“ - und übergibt das Mikro an Christopher Deutsch von der Urban Arts-Sparte: Am Vorabend des Theaterfestes nämlich, am 6. September, eröffnet die Spielzeit mit der Uraufführung „Utopia“, einem getanzten Plädoyer für eine globale Erinnerungskultur. Den Liederabend zum Start im Großen Haus lässt sich Kathrin Mädler nicht nehmen, doch soll das „Oratorium: Doycland“ ein ganz anderes Gepräge erhalten als die Popsong-Medleys der vorigen Jahre: Es feiert die Musiktraditionen der Migranten im „Meltingpot“ Ruhrgebiet.
Als Theater-Premiere: Ralf Rothmanns Tackenberg-Roman „Milch und Kohle“
Damit ist die Überleitung zu „Milch und Kohle“ ein leichtes: Der große Tackenberg-Roman von Ralf Rothmann, der schließlich im Vorjahr im Theater Oberhausen seinen 70. Geburtstag gefeiert hatte, präsentiert sich erstmals in einer Bühnenfassung. „Im Zentrum steht bei uns die Mutter der Familie.“ Dramaturgin Laura Mangels verspricht für den 20. September „eine große Produktion - ohne Ruhrgebietspathos“.
Eine Gelsenkirchener Geschichte aus den 1930ern erzählt die angesagte Literatin Nora Bossong mit „Grabeland“. Die Metropolenschreiberin des Vorjahres hat damit ihren ersten Theatertext zur Uraufführung dem Theater Oberhausen anvertraut. Es geht um eine Seidenraupenzucht, die Arbeitslosen eine neue wirtschaftliche Existenz ermöglichen soll - doch dann im „Autarkie“-Programm des NS-Regimes zu militärischen Zwecken missbraucht wird. Kathrin Mädler inszeniert; die Premiere steigt am 31. Oktober.
Als Tanztheater-Premiere: die afrikanischen Kirchengemeinden im Revier
Für „Lügen über meine Mutter“ - ein „sehr einfühlsames Projekt“, wie Laura Mangels betont - lädt die Dramaturgin Betroffene der im „Barbie“-Zeitalter grassierenden „Fettfeindlichkeit“ ein, auf der Studio-Bühne mitzuwirken. Diese Uraufführung basiert auf dem gleichnamigen Romanerfolg von Daniela Dröscher. „Kazimira“, ebenfalls eine Roman-Adaption, nach dem Werk von Svenja Leiber, erzählt von einer großen Bernstein-Fundstätte an der Ostseeküste: Jüdische Industrielle erschließen die „Annagrube“, die schließlich während des Zweiten Weltkriegs zum Massengrab wird.
Als zweite Premiere des Jahres 2025 im Großen Haus steigt die Urban Arts-Truppe mit „Preach“ in eine Glaubens-Szene, die der Oberhausener Choreograph Kwame Osei bestens kennt: Es geht um die afrikanischen Kirchengemeinden im Revier mit ihren mehrstündigen Gottesdiensten (die übrigens schon Ralph Hammerthaler im Roman „Die fünfte Nacht“ liebevoll beschrieb). Basierend auf Texten des US-Literaten James Baldwin fragt dieses aufwendig produzierte Tanztheater: „Wie macht der Glaube Menschen gefügig?“
Einen Skandalerfolg in den 1980er verbuchte Heinar Kipphardt mit „Bruder Eichmann“, bis heute ein bedeutender Text des politischen Dokumentartheaters. Kathrin Mädler verbindet diesen Blick auf den Bürokraten als Massenmörder in ihrer Regiearbeit mit dem jüngeren Text „Geschwister Eichmann“ von Lukas Hammerstein und will „den Schlussstrich gegen den Strich bürsten“.
Wie sich Deutschlands teils ritualisierte Erinnerungskultur in den Alltag des jüdischen Jugendlichen Dima rückkoppelt - das verrührt der in Oberhausen aufgewachsene Arkadij Khaet zum komödiantischen „Masel Tov Cocktail“: Die letzte Premiere der kommenden Spielzeit steigt am 31. Mai im Großen Haus.
Abonnements für 2024/25 sind schon jetzt erhältlich
Abonnements für die kommende Spielzeit sind bereits ab Samstag, 20. April, erhältlich. Auch der Vorverkauf für alle Theaterkarten im September und Oktober 2024 startet bereits vor der Sommerpause, nämlich am 1. Juni. Die aktuelle Spielzeit endet am 30. Juni mit dem Publikumsrenner „The Legend of Georgia McBride“.
Karten und Abos gibt‘s an der Theaterkasse, 0208 8578 184, per Mail an service@theater-oberhausen.de