Mülheim. Doch die Mülheimer Bildungseinrichtung will keine Institution nur für Besserverdienende sein. Wie es um das Insolvenzverfahren steht.

Es besteht „berechtigte Hoffnung“, dass das Insolvenzverfahren, in dem Mülheims Junior-Uni Ruhr aktuell steckt, Ende März 2025 Geschichte ist. David Kremer, der seit November als Geschäftsführer fungiert, freut sich: „Dann ist die Juni wieder ganz die alte, zumindest rechtlich gesehen.“ Inhaltlich hingegen soll sich manches ändern, um die beliebte Bildungseinrichtung für Kinder und Jugendliche auf wirklich stabile Beine zu stellen. Einen ersten großen Unterschied spüren Eltern schon jetzt: Seit dem 1. Januar müssen sie für den Unterricht des Nachwuchses mehr bezahlen.

Bislang kostete eine Stunde Junior-Uni zwei Euro, nun sind es fünf. „Dieser Schritt war auch nötig, um das Kursangebot erweitern zu können, die Qualität zu wahren und Wartelisten zu verkürzen“, erklärt Juni-Geschäftsleiterin Anke Hötzel. Mehrfach hätten Eltern selbst diesen Vorschlag gemacht, um bei der Rettung mithelfen zu können.

Ausschließen werde man dadurch kein einziges Kind, betont Kremer. „Unsere Mission heißt weiterhin: Bildung für alle. Wir sind uns der sozialen Verantwortung bewusst und wollen unabhängig von Startvoraussetzungen Talente finden.“ Jungen und Mädchen aus sozial schwächeren Familien könnten Gutscheine aus dem Bildungs- und Teilhabepaket für die Kurse nutzen. „Wir werden definitiv keine Bildungseinrichtung für Besserverdienende.“

Mülheimer Junior-Uni: Neuer Chef hat schon andere Insolvenzverfahren begleitet

Schon länger hatte David Kremer „als echter mölmscher Jung“ das Geschehen an der angeschlagenen Institution seiner Heimatstadt beobachtet. Er hat einen sechsjährigen Sohn, der das Angebot spannend findet. Und er hat von Berufs wegen seit Jahren mit der Restrukturierung finanzschwacher Unternehmen zu tun. Der selbstständige Unternehmensberater war in der Vergangenheit unter anderem federführend am Insolvenzverfahren der traditionsreichen Mülheimer Friedrich-Wilhelms-Hütte beteiligt, erzählt er.

Ende August hatte er dann in der Zeitung von der Insolvenz gelesen und der Juni direkt via E-Mail Hilfe angeboten. „Ich wolle nicht, dass so ein großartiges Angebot kaputtgeht.“ Dagmar Mühlenfeld, Gründerin und langjährige Geschäftsführerin der Juni, reagierte prompt. „Wir standen sofort in regem Austausch - und zwei Wochen später war ich dann hier“, erzählt er beim Interview im Juni-Sitz an der Gewerbeallee. Weitere 14 Tage später nahm er mit Tanja Bückmann, der vorläufigen Insolvenzverwalterin, Kontakt auf, „und ab dann war ich bei allen Gesprächen dabei, in denen es um die Frage ging, wie die Juni überleben kann“. Zum 1. November löste der 43-Jährige dann Dagmar Mühlenfeld an der Spitze ab.

„Anders als andere angeschlagene Unternehmen hat die Juni kein größeres existenzielles Problem“

Junior-Uni Ruhr in Mülheim
Seit November 2024 ist David Kremer Geschäftsführer der Junior-Uni Ruhr. Der 43-Jährige hat Mülheims ehemalige Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld abgelöst, die die Bildungseinrichtung vor rund sechs Jahren gegründet hatte. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

In Kürze ist Kremer 100 Tage im Amt, anders als seine Vorgängerin ist er allerdings nicht ehrenamtlich tätig, sondern fest angestellt. Lea Reck, der nun die wissenschaftlich-pädagogische Leitung untersteht, Anke Hötzel und er bilden ein Leitungstrio. Man ist guter Dinge, sagt Kremer. Schon nach kurzer Einarbeitungszeit habe für ihn festgestanden: „Die Fortführungsfähigkeit der Juni ist absolut gegeben. Im Gegensatz zu anderen schwer angeschlagenen Unternehmen hat sie kein größeres existenzielles Problem.“ Das Angebot sei hervorragend, das Team ebenfalls, und die Einrichtung erfreue sich großer Beliebtheit.

Letzteres, so unterstreicht Hötzel, habe man deutlich gespürt, als die Insolvenz-Meldung publik wurde: „Die Solidarität war extrem. Wir haben von überall her Unterstützung bekommen.“ So hätten Dozenten auf Lohn verzichtet, Eltern Kursmaterial wie Stoffe zum Nähen vorbeigebracht, und immer wieder gab es Geldspenden. „Die Botschaft hieß: ,Haltet durch‘.“

Auch Investor CTP, der die Vallourec-Fläche überbauen will, zählt zu den Spendern

Ins Strudeln geraten war die gemeinnützige GmbH, die von Spenden, Stiftungsgeldern und ähnlichem lebt, nachdem im Spätsommer klar wurde, dass zwei fest zugesagte Zuwendungen zum Teil gar nicht und zum Teil deutlich später eingehen werden. Mit einem Schlag fehlten 160.000 Euro. „Im Rahmen der Vorinsolvenz gab es dann zwei Großspender“, so Kremer, man konnte aufatmen. Unter anderem habe der niederländische Investor CTP, der auf der ehemaligen Vallourec-Fläche einen modernen Gewerbe- und Industriepark errichten will, einen nennenswerten Beitrag geleistet.

„Das Jahr 2025 ist zwischenzeitlich durchfinanziert“, sagt Kremer. Das Klinkenputzen aber wird weitergehen: „Das Geschäftsmodell der Juni beruht ja auf permanenter Mittelakquise.“ Unternehmen, Stiftungen und Co. entschieden oft erst mit Blick auf das bevorstehende Jahr, für welche Zwecke sie Geld geben. „Mir sagt jetzt noch keiner, ob und wie viel Geld 2026 kommen wird.“

Das Leitungstrio sucht Untermieter und Kooperationspartner aus der Wirtschaft

Um die Finanzierung trotzdem auf Dauer abzusichern, arbeitet man aktuell an neuen Geschäftsmodellen, verrät der Chef. „Wir werden unsere Immobilie für andere Angebote öffnen.“ Man hoffe zum Beispiel auf Untermieter für den Vormittagsbereich, also für jene Zeit, in der die Mini-Studis noch in der Schule ausharren müssen. „Die Ausstattung hier ist wirklich gut, wir haben unter anderem zehn 3D-Drucker, die man nutzen könnte, und zehn Nähmaschinen.“ Man denke vor allem an Erwachsenenbildung.

Junior-Uni Ruhr in Mülheim
Damit niemand den Überblick verliert, verrät die Tafel, wann welcher Kurs stattfindet. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

„Darüber hinaus versuchen wir, Kooperationen mit Unternehmen einzugehen.“ Denkbar sei, dass die Firmen Dozenten und Equipment für die Juni stellen – „und im Gegenzug verschaffen wir ihnen Zugang zu interessierten Praktikanten und gegebenenfalls sogar Auszubildenden“. Es gibt an der Juni ja nicht nur Mini-Studis, sondern auch reichlich Kurse für 14- bis 17-Jährige.

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