Mülheim. Nach Bekanntwerden des Insolvenzantrages ist die Unruhe groß. Fürsprecher melden sich, und auch Spender. Am 15. September steht „Urknall 2.0“ an.

„Es ist ein Kleinod, was uns da geschenkt wurde. Und ich wäre tieftraurig, wenn es verloren ginge.“ Mit diesen Sätzen spricht Frank Lenz vielen Mülheimern aus dem Herzen. Die Junior-Uni Ruhr (Juni) steht auf der Kippe, wegen finanzieller Not läuft seit dieser Woche das vorläufige Insolvenzverfahren. Um das Unheil noch abzuwenden und die populäre Bildungseinrichtung langfristig solide aufzustellen, sieht der Vorsitzende des kaufmännischen Beirats der Juni nun hiesige Unternehmen in der Pflicht.

„Mülheims Industrie jammert den lieben, langen Tag, vermisst technisch affine Mitarbeiter“, so Lenz. Mit der Juni habe man eine Einrichtung vor Ort, die gezielt versucht, Abhilfe zu schaffen, in dem sie auch Kinder an Naturwissenschaften und Technik heranführt, die sonst kaum Berührungspunkte damit haben. Sie vermittele Spaß an selbstständigem Entdecken und Lernen. „Und sie fördert gezielt Mädchen“, lobt Lenz. „Die Juni sorgt also für die Zukunft der Unternehmen. Doch viele derjenigen, die davon profitieren, ducken sich bislang weg“, kritisiert er. „Ich erwarte, dass sie sich jetzt einbringen. Schon wenn von 50 Unternehmen je ein Tausender im Jahr käme, wäre das eine gute Sache.“

Wer spenden möchte, kann dies „ohne Risiko“ über den Förderverein der Mülheimer Junior-Uni tun

Jeder, der irgendwie mit der Juni verbunden ist, sei aktuell unterwegs, um Geldquellen aufzutun, spreche mit Freunden, Bekannten, Vereinen. Damit die Spenden unabhängig vom Insolvenzverfahren sicher ankommen, empfiehlt Lenz eine Überweisung an den Förderverein der Juni. „Der ist nicht insolvent, das ist ohne Risiko.“ Auch der Lions Club Mülheim/Ruhr-Hellweg, dem er angehört, werde „unter der Bedingung, dass das Geld tatsächlich dem Fortbestand der Juni dient und nicht in die Insolvenzmasse fällt“, einen Beitrag leisten. Auf Nachfrage spricht Lenz von 7500 Euro, und davon, dass sich noch mindestens zwei andere Serviceclubs „ein Herz gefasst haben und in dieser Größenordnung spenden wollen“. Auch von anderen Seiten kommen Beiträge. „Die allerdings reichen nur für ein, zwei Monate. Das substanzielle Problem lösen sie nicht.“ Dafür brauche man vor allem eine langfristige Basisfinanzierung.

So haben wir zuletzt berichtet:

Für Walter Leitner, Direktor des Max-Planck-Instituts für chemische Energiekonversion, lohnen sich alle Bemühungen, um die Juni zu halten: „Sie hat in den letzten Jahren einen wichtigen Beitrag zur Förderung junger Menschen geleistet, Kindern und Jugendlichen in anregendem Umfeld die Weiterentwicklung ihrer Interessen und Fähigkeiten ermöglicht.“ In Zeiten des Fachkräftemangels seien solche Einrichtungen wertvoll: „Sie fördern die dringend benötigte Ausbildung von Talenten in naturwissenschaftlich-technischen und kreativen Berufen, ergänzen damit klassische Ausbildungswege in sinnvoller Weise.“

Prof. Walter Leitner, Mülheimer Chemiker und Direktor des MPI für chemische Energiekonversion, hält die Arbeit der Junior-Uni Ruhr für „äußerst wertvoll“.
Prof. Walter Leitner, Mülheimer Chemiker und Direktor des MPI für chemische Energiekonversion, hält die Arbeit der Junior-Uni Ruhr für „äußerst wertvoll“. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Insolvenzverwalterin: „Entscheidungen sind noch nicht gefallen“

Seit Juni-Geschäftsführerin Dagmar Mühlenfeld Anfang der Woche den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat, schaut auch die vorläufige Insolvenzverwalterin Tanja Bückmann, die in Mülheim schon im Zusammenhang mit der Pia-Insolvenz tätig war, genau auf die Zahlen und führt Gespräche. „Es ist viel passiert seit Dienstag“, sagt sie, „Entscheidungen aber sind noch nicht gefallen.“ Man sei „in der Unternehmensfortführung“, was unter anderem bedeute, dass das Semester für die jungen Studis am Samstag doch weitgehend normal anlaufen kann. Und was auch heiße, dass die Mitarbeiter der Bildungseinrichtung ihr Gehalt bekommen. Letztmals hatten die Angestellten im Juli Geld erhalten, nun seien via „Insolvenzgeld-Vorfinanzierung“ auch die Gehälter für die Monate August, September und Oktober sicher.

Bückmann steht „mit allen Beteiligten“ im Gespräch. Die Mitarbeiter habe sie vor Ort informiert, mit den Dozenten wollte sie sich am Donnerstag via Videokonferenz austauschen. Sie berichtet von „intensivem Rühren der Werbetrommel“, von „erster Rücksprache mit Sponsoren“, „einem Signal der Stadt“. Ein Gespräch mit Oberbürgermeister Marc Buchholz stehe an. Ziel aller Bemühungen sei es, „eine solide Finanzierung hinzubekommen“, langfristig ausreichend Mittel für Personal, Sachkosten, Miete etc. bereitzustellen. Was Bückmann schnell festgestellt hat: „Es ist ,common sense‘ in Mülheim, dass die Junior-Uni auf keinen Fall sterben darf.“

Auf zugesagte Spenden besteht laut Expertin „kein Anspruch“

Auch wenn sich aktuell noch niemand offiziell dazu äußern mag, wie es zu der Geldnot gekommen ist, lässt Bückmann durchblicken, dass „so etwas einfach passieren kann“. Die Junior-Uni als gemeinnützige Gesellschaft, die aus Überzeugung alle Kurse für nur wenige Euro anbietet, sei „per se nicht rentabel“ und „angewiesen auf Förderer und Spenden“. Auf zugesagte Spenden habe man aber „keinen Anspruch“. Es könne beispielsweise passieren, dass die Stiftung eines Wirtschaftsunternehmens, die jährlich mit einem gewissen Prozentsatz des Firmengewinnes bedacht wird, mit einem Mal schlechter dasteht, weil das Jahresergebnis nicht erfüllt wurde. Und sie deswegen nicht in gleicher Weise gemeinnützig tätig werden kann wie angedacht.

Bei der Junior-Uni jedenfalls seien „nennenswerte Gelder nicht so eingegangen, wie geplant“. Das habe zu der prekären Situation geführt. Frank Lenz vom Juni-Beirat spricht davon, dass die Geschäftsführung schlicht „Pech gehabt“ habe mit dem Rückzug der Spenden. Geschäftsführerin Dagmar Mühlenfeld und Geschäftsleiterin Anke Hötzel hätten in den vergangenen Jahren „Großartiges geleistet“, seien „nicht verantwortlich“ für das, was geschehen sei.

Angaben zu Geldgebern oder Summen unterlässt Mühlenfeld „aus Gründen des Vertrauensschutzes“

Laut Ex-Oberbürgermeisterin Mühlenfeld sind seit Gründung im Jahr 2019 Spenden von insgesamt 1,6 Millionen Euro geflossen. Auch wenn das Geschäft mühselig ist und voll Unwägbarkeiten, bislang habe man den Betrieb so durchgehend möglich gemacht. „Nun haben wir erstmals erlebt, dass wirtschaftliche Einbußen Auswirkungen auf das gesellschaftliche Engagement von Firmen haben können.“ Nähere Angaben zu Geldgebern oder Summen mache sie „aus Gründen des Vertrauensschutzes“ nicht.

Zwei Monate hat die Juni nun Zeit, wieder auf die Beine zu kommen. Auch die Geschäftsführerin berichtet von guten Gesprächen, sowohl mit Privatpersonen, als auch Unternehmen. Durch die aktuellen Entwicklungen stehe man sogar im Austausch mit „rund 40 bis 50 Prozent“ neuer potenzieller Spender.

Auch der „Urknall 2.0“ soll wie angekündigt am 15. September stattfinden

Ab Samstag laufen wieder Kurse. Und Mühlenfeld und ihr Team wollen „jede Gelegenheit nutzen, um unsere gute Arbeit zu präsentieren“. So werde man am Sonntag, 8. September, beim Familienfest auf der Schleuseninsel dabei sein, beim Weltkindertag am 22. September in der Müga, beim Aktionstag Türen auf mit der Maus am 3. Oktober und bei den Talenttagen Ruhr. Und sogar der länger schon angekündigte „Urknall 2.0“, das Jubiläumsfest zum Fünfjährigen am Sonntag, 15. September, ab 13 Uhr im Ringlokschuppen, wird stattfinden. Wie so viele, hofft auch Mühlenfeld inständig, dass es langfristig weitergeht: „Ich hätte nicht acht Jahren meines Lebens in dieses Projekt gesteckt, wenn ich nicht überzeugt wäre, dass es etwas Wunderbares ist.“

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