Mülheim. Neue Zahlen zeigen: Das Superjahr ‘23 hat sich nicht wiederholt. Die Profis sprechen sich für Praktika aus - zu finden auch über eine neue Börse.

Nach der großen Euphorie im vergangenen Jahr hat sich in 2024 leichte Ernüchterung auf dem Ausbildungsmarkt eingestellt. Doch im Vergleich zu anderen Kommunen sind die Akteure in Mülheim noch zufrieden mit der Situation, war am Donnerstag beim Pressegespräch im Malerfachbetrieb Binder zu erfahren. „Die Entwicklung der Bewerberzahlen und der Stellenangebote ist zwar rückläufig“, so Jürgen Koch, Vorsitzender der Geschäftsführung der hiesigen Agentur für Arbeit. „Doch das war nach dem fantastischen Jahr 2023 einfach zu erwarten.“

Man habe „wieder das Niveau von vor zwei Jahren erreicht“, so Koch. Die neuesten Zahlen zeigen, dass sich diesmal 984 Jugendliche und junge Erwachsene Hilfe suchend an die Berufsberatung der Agentur gewandt haben. Im Vorjahr hatten 1089 Schulabgänger um Unterstützung gebeten. Ende September waren von den 984 noch 81 unversorgt, zehn mehr als zur gleichen Zeit 2023. Auch bei den Ausbildungsstellen gab es einen Rückgang: Dem Arbeitgeber-Service der Agentur wurden 1048 Stellen gemeldet - im gerühmten Vorjahr waren es 153 Plätze mehr. 111 dieser Stellen waren zuletzt unbesetzt; im vergangenen Jahr blieben 238 Stellen frei.

In Mülheim konnten diesmal auch 70 Geflüchtete in Ausbildung vermittelt werden

Auch interessant

Laut Koch kamen „rein rechnerisch auf 100 Stellen 94 Bewerber“. Gefreut habe er sich über die Vermittlung von 70 Geflüchteten in Ausbildungsverhältnisse; 122 seien dafür grundsätzlich geeignet gewesen. „Da ist ein Potenzial. Wir müssen froh sein, dass diese Menschen hier sind.“ Die meisten Angebote gab es diesmal für den Beruf des Verkäufers, der Verkäuferin (108), für Kaufleute im Einzelhandel (103) sowie für Medizinische Fachangestellte (63). Die höchste Nachfrage der Bewerber zielte auf die Ausbildung zum/zur Medizinischen Fachangestellten (73), zum Kaufmann/Kauffrau im Büromanagement (67) sowie zum Elektoniker/Elektronikerin im Bereich Energie- und Gebäudetechnik (50).

Jürgen Koch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Mülheim.
Jürgen Koch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Mülheim. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Am Ende des Tages sind nackte Zahlen nicht entscheidend, findet Koch. „Wichtig ist, dass es zwischen Bewerber und Betrieb passt“, nach wie vor werde schließlich jeder dritte Ausbildungsvertrag aufgehoben. „Die beste Möglichkeit, um Klarheit zu bekommen, ist ein Praktikum.“ Gleicher Auffassung ist Heike Gnilka, Abteilungsleiterin im Jobcenter: „Praktika dienen der Orientierung. Genau wie das Gespräch mit Familie und Freunden. Und sie helfen dabei, den Betrieb von sich zu überzeugen.“ Kontakte zu Unternehmen ließen sich zum Beispiel bei der Messe „#Ausbildung 2025“ am 13. November von 9.30 bis 15 Uhr in der Stadthalle Mülheim knüpfen. „Dort erfährt man, was überhaupt geboten wird und was sich dahinter verbirgt.“ Auch die Online-Praktikumsbörse auf praktikum-muelheim.de mit bereits 300 Angeboten sei hilfreich. Man hoffe, dass Arbeitgeber dort weitere Angebote einstellen.

Im Handwerk haben sich die Zahlen besonders positiv entwickelt, heißt es beim Pressegespräch

Im Handwerk haben sich die Zahlen positiv entwickelt, berichtet Barbara Yeboah, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft vor Ort. Konnten im vergangenen Jahr 186 Verträge abgeschlossen werden, waren es diesmal 202. Sie habe erfreut festgestellt, dass Arbeitgeber flexibler werden, „auch mal Menschen mit schrägem Lebenslauf eine Chance geben“. Robert Schweizog von der IHK Essen berichtet von 557 neuen Ausbildungsverhältnissen und damit einem „Minus von acht Prozent“. Gerade der kaufmännische Bereich habe mit 14 Prozent einen starken Rückgang zu verzeichnen. Es sei aktuell „noch viel Bewegung im Markt“. Wenn junge Menschen jetzt noch rasch einstiegen, sei sogar ein Abschluss mit den Azubis möglich, die vor einigen Wochen an den Start gegangen sind. Auch er betont, wie wichtig das „Matching“ zwischen Azubi und Chef ist, und appelliert an die Schulabgänger, „auch mal in entfernten Stadtteilen zu schauen und sich auch mal für kleinere Betriebe zu interessieren“.

Mehr Flexibilität von angehenden Lehrlingen erwartet auch Elisabeth Schulte vom Unternehmerverband Ruhr-Niederrhein: „Es ist traurig, dass manche der Zukunft fast gleichgültig gegenüberstehen.“ Eigentlich habe doch jeder junge Mensch Talente und dürfte für sich etwas finden. Für die Betriebe, die ohnehin schon „unter hoher Bürokratie, gestiegenen Energiekosten, der Inflation“ und anderem leiden, sei es zusehends schwierig, geeignete junge Menschen zu finden. Sie rufe diesen zu: „Wagt die Ausbildung und zeigt, dass ihr sie wollt.“ Der DGB-Geschäftsführer für die MEO-Region, Dieter Hillebrand, nahm im Gegenzug die Arbeitgeber in die Pflicht: „Weniger als jeder fünfte Betrieb bildet noch aus. Die Unternehmen werden ihrer Verantwortung immer weniger gerecht.“

Ausbildung in Mülheim - lesen Sie auch:

Bleiben Sie in Mülheim auf dem Laufenden!

>> Alle Nachrichten aus Mülheim lesen Sie hier. +++ Abonnieren Sie kostenlos unseren Newsletter per Mail oder Whatsapp! +++ Hier kommen Sie zu unseren Schwerpunktseiten Wohnen, Gastronomie, Handel/Einkaufen und Blaulicht. +++ Zu unserem Freizeitkalender geht es hier. Legen Sie sich doch einen Favoriten-Link an, um kein Event zu verpassen! +++ Lokale Nachrichten direkt auf dem Smartphone: Laden Sie sich unsere News-App herunter (Android-VersionApple-Version).