Mülheim. Um Notrufe besser zu steuern, sollen 112 und 116117 vernetzt werden. Wie funktioniert die Notfallversorgung in Mülheim? Wo hakt es?
Hexenschuss, Ohren- oder Bauchschmerzen halten sich nicht an die Öffnungszeiten der Hausarztpraxen. Unter der bundesweit einheitlichen Durchwahl 116117 ist der Ärztliche Bereitschaftsdienst erreichbar - unter der Woche ab 18 Uhr, mittwochs und freitags schon ab 12 Uhr, am Wochenende rund um die Uhr.
In Mülheim wird diese Nummer für medizinische Notfälle jährlich fast 12.000 Mal gewählt. Das geht aus aktuellen Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein hervor. Genau 11.743 Anrufe wurden im Zeitraum vom 1. April 2023 bis 31. März 2024 registriert (siehe Grafik unten). Die durchschnittliche Wartezeit, bis ein Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung erreicht wird, beträgt demnach weniger als eine Minute, genauer: 52 Sekunden. Einige Anrufer legen offenbar vorzeitig auf - erreicht werden laut KV-Statistik 94,2 Prozent.
Auch in Mülheim: „Akutleitstellen“ für Notfälle geplant
Wenn jemand lebensbedrohlich krank oder verletzt ist, muss der Feuerwehrnotruf 112 gewählt werden, darauf wird gebetsmühlenartig hingewiesen. Andererseits belasten den Rettungsdienst zahlreiche Bagatell-Einsätze, die zunehmend Kapazitäten binden. Nun gibt es auf Bundesebene eine Initiative, die 112 und 116117 enger miteinander zu verbinden, sogenannte „Akutleitstellen“ einzurichten. Sie wird von Verantwortlichen in Mülheim sehr begrüßt.
Konkret geht es um einen Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums für ein neues Notfallgesetz, das schon zum 1. Januar 2025 in Kraft treten könnte. Ziel ist, Hilfesuchende effizienter zu steuern, damit sie richtig versorgt, Rettungsdienste und Notaufnahmen entlastet werden. Die 116117 der KV-Ärzte soll künftig nicht mehr in einem Terminservicecenter landen, sondern bei einer Akutleitstelle der KV. Dort wird die Dringlichkeit der Behandlung nach einem standardisierten Verfahren beurteilt. Die Hilfesuchenden werden entsprechend vermittelt.
Rufnummern 112 und 116117 sollen vernetzt werden
Die Rufnummern 112 und 116117 sollen nach diesem Entwurf digital vernetzt, Patientendaten direkt übermittelt werden. Im wirklich lebensbedrohlichen Notfall würden Rettungsdienst und Notarzt ausrücken, in harmloseren Fällen könnten vielleicht schon ein Telefonat oder eine Videosprechstunde helfen. „Wir beurteilen diese Initiative durchweg positiv“, sagen Thomas Franke, Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes bei der Feuerwehr Mülheim, und Dr. Stephan von Lackum, Vorsitzender der KV-Kreisstelle. Gemeinsam sind sie verantwortlich für die medizinische Notfallversorgung in Mülheim. „Die Neuordnung der Notfallversorgung wird Konsequenzen haben für den Rettungsdienst und die Kooperation mit der KV verbessern“, meint Franke.
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Schon jetzt werden Patientinnen und Patienten vermittelt. So kann die Feuerwehrleitstelle den KV-Bereitschaftsdienst in Mülheim über eine Sondernummer direkt erreichen, die Wartezeit beträgt im Schnitt nur zehn Sekunden. Allerdings gab es von April 2023 bis März 2024 nur insgesamt 27 solcher Fälle in Mülheim.
Zentrale Anlaufstelle für Notfälle im Mülheimer St. Marien-Hospital
Das neue Notfallgesetz sieht weitere Veränderungen vor. So sollen an Krankenhäusern sogenannte Integrierte Notfallzentren (INZ) für die medizinische Erstversorgung verpflichtend geschaffen werden: Notaufnahme, KV-Notdienstpraxis und zentrale Einschätzungsstelle - ein gemeinsamer Empfangstresen - unter einem Dach. Im St. Marien-Hospital Mülheim wurde eine solche zentrale Anlaufstelle bereits geschaffen.
Mehr als 6600 Arzt-Patienten-Kontakte jährlich gab es zuletzt in der KV-Notdienstpraxis in Mülheim (siehe Grafik oben). Etwa sechs Prozent sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Kindern ab dem Schulalter steht die KV-Praxis im St. Marien-Hospital ausdrücklich offen, wenn die Familien nicht zum Kindernotdienst nach Oberhausen fahren können oder wollen. Der lebhafteste Tag in der Notdienstpraxis ist erfahrungsgemäß der Samstag - etwa ein Drittel der Patienten (knapp 2200) kommt an diesem Tag.
Jährlich rund 900 Hausbesuche in Mülheim
Und dann gibt es noch die „Fahrdienste“, Hausbesuche, mit denen niedergelassene Ärztinnen und Ärzte im Notfall helfen. Etwa 900 solcher Einsätze kommen laut KV in Mülheim jährlich zusammen. Menschen, die nicht mobil sind und/oder im Altenheim leben, werden aufgesucht. „Dabei sind alle Ärzte gefordert in unserer Stadt“, erklärt Dr. Stephan von Lackum, „außer HNO-, Augen- und Kinderärzten.“ Die Hilfsmöglichkeiten seien allerdings sehr begrenzt, „weil der Patient nicht bekannt ist und auch nicht sämtliche Medikamente vor Ort sein können“.
Teilweise würden Patienten auch sofort ans Krankenhaus verwiesen. Von Lackum nennt ein häufiges Beispiel: Jemand leidet unter Fieber und Husten, hat schon vom Hausarzt ein Antibiotikum bekommen, doch es wird nicht besser. „Was soll dann ein zusätzlicher Hausbesuch? Hier wird der Patient ans Krankenhaus verwiesen zum Röntgen.“ So versuche man bereits, Kapazitäten zu sparen.
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