Mülheim. Sie trainieren hart, um Menschen zu retten - bei Unglücken oder Suizidversuchen. Was die Rettungstaucher der Feuerwehr Mülheim erleben.
Am Ruhrufer in Mülheim-Menden leuchtet es schon von Weitem rot. Die Feuerwehr ist mit drei Fahrzeugen angerückt, darunter ein Lkw, hat die Wagen dicht an den Leinpfad herangefahren. Zwei Männer in Neoprenanzügen sind ins Wasser gestiegen, zwei andere stehen an Land, sichern sie mit langen Leinen. Neben ihnen: Tauchtelefone für die Kommunikation. Man hört es glucksen, hört die Männern unter Wasser zischend atmen, ihre Stimmen leicht verzerrt. Auch Rüttelzeichen an der Leine dienen der Verständigung - erlernte Signale, die alle hier verstehen.
Die beiden Taucher suchen den Fluss ab. Über ihnen kräuselt sich leicht die Wasseroberfläche. Sie werden fündig, einer nach dem anderen, erreichen eine Stahlplatte, die ihre Kollegen auf dem Grund versenkt haben, markieren die Lage des Objektes mit einer kleinen Boje. Stephen Voigt, Lehrtaucher der Berufsfeuerwehr Mülheim, wirkt zufrieden. Entspannt, die Arme vor der Brust verschränkt, steht der 45-Jährige am Leinpfad. Heute wird das „Halbkreissuchverfahren“ nur trainiert, es geht nicht um Leben und Tod.
Feuerwehr Mülheim bildet jährlich sechs neue Taucher aus
Sechs Aspiranten für die Taucherstaffel üben den Ernstfall an der Ruhr - durchweg junge Feuerwehrleute, die erst seit wenigen Jahren im Dienst sind. Ausgebildet würden jährlich jeweils zwei Leute aus jeder der drei Wachabteilungen, erklärt Voigt. Außerdem schult er gerade einen neuen Lehrtaucher: Stefan Kaniewski. Freiwillige für den Einsatz im Wasser zu finden, sei nicht schwierig, berichtet Voigt, und die jungen Kollegen bestätigen es. „Man kommt raus, hat mit Wetter und Technik zu tun. Aber es müssen Wasserratten sein“, sagt der Lehrtaucher. „Man wird schon gedrillt.“
Die Ausbildung zum Feuerwehrtaucher (Stufe II) dauert insgesamt zehn Wochen. Trainiert wird im Übungsbecken, vor allem aber in umliegenden Flüssen und Seen, etwa im Baggersee „Goch Ness“ am Niederrhein, einem beliebten Trainingsrevier. Dort geht es bis zu 27 Meter in die Tiefe, an der Ruhr in Mülheim maximal neun Meter, etwa im toten Arm oder im Nordhafen. In der Fahrrinne sind es meist drei bis vier Meter. Doch der Fluss kann anschwellen und gefährlich werden, darum lassen sich die Mülheimer Feuerwehrtaucher auch zu Strömungsrettern ausbilden, an der Ruhr in Hattingen, mit Hilfe der DLRG.
„Überlebenstraining“: Erleben, wie kalt die Ruhr ist
Auch ein „Überlebenstraining“ steht auf dem Plan, dabei schwimmt der ganze Trupp von der Ruhrtalbrücke in Mintard bis nach Menden, insgesamt 3,2 Kilometer weit. „Anstrengend“, sagt Lehrtaucher Stephen Voigt. Die Aktion solle dazu dienen, Einsätze „auch aus Patientensicht zu betrachten“, zu erleben, wie kalt die Ruhr ist, wie schnell der Körper auskühlt.
Rettungstauchen ist Schwerstarbeit. 25 bis 30 Kilo wiegt die Ausrüstung, inklusive Tauchlampe, Sauerstoffflaschen und Bleigewichten. Was Außenstehende nicht sehen: Die Taucher schweben („tarieren“) nicht unter Wasser, meist gehen oder krabbeln sie eher, um beispielsweise Körper von Vermissten auf dem Grund zu finden. Anders bei kleinen Gegenständen: „Wenn die Polizei eine Waffe sucht, müssen die Taucher schwimmen“, erläutert der Ausbilder, „damit kein Sediment aufgewirbelt wird.“
Gerätewagen der Wasserrettung dient auch als fahrende Umkleidekabine
Die Mülheimer Feuerwehrtaucher rücken aus mit einem„Gerätewagen-Wasserrettung“ (GW-W). Das Spezialfahrzeug hat eine doppelte Hinterachse und 6x6-Rad-Antrieb. Es trägt die komplette Ausrüstung, zu der auch schweres Werkzeug und „Rescue Boards“ (Rettungsbretter) gehören, auf dem Dach liegt ein Schlauchboot. Der Innenraum dient den Tauchern bei der Anfahrt als mobile Umkleidekabine.
Die sechs Jung-Taucher haben ihre ersten Brandeinsätze erlebt und durchgestanden. Einen Ernstfall als Wasserretter noch nicht. Doch er wird kommen. Einsatzgewässer ist hauptsächlich die Ruhr, es kann aber auch der See im Steinbruch Rauen sein oder der Entenfang. Sogar aus einem Teich im Golfclub Raffelberg hätte die Feuerwehr schon eine tote Person geborgen, berichtet Stephen Voigt. Er selber ist Rettungstaucher seit 2005, Lehrtaucher seit 2012 - langjährig erfahren.
Mülheimer Feuerwehrtaucher erinnert sich an tragische Einsätze
Voigt nahm an der Suche teil, als im April 2018 ein 22-Jähriger aus Syrien von der Schloßbrücke sprang, unterging und ertrank. Der Leichnam des jungen Mannes wurde fünf Tage später nahe der Konrad-Adenauer-Brücke geborgen. Als im Juni 2021 drei Mädchen im Rhein bei Duisburg ums Leben kamen, waren Mülheimer Feuerwehrtaucher am Großeinsatz beteiligt. Auch die nächtliche Bergung der havarierten „Moornixe“ im Oktober 2021 wurde von Mülheimer Feuerwehrtauchern begleitet, die darauf achteten, dass das Wrack nicht noch mehr beschädigt wird.
Die Suche nach der vermissten Mülheimer Künstlerin Dore O. Ende Februar 2022, die einen Abschiedsbrief hinterlassen hatte, hat Stephen Voigt ebenfalls noch intensiv in Erinnerung. „Den ersten Einsatz mussten wir ergebnislos abbrechen. Die Strömung war zu stark, es war zu gefährlich.“ Tage später entdeckten Angler ihren leblosen Körper im Fluss, Feuerwehrtaucher bargen ihn. Sie sind rasch vor Ort, wenn sie alarmiert werden, doch im Wasser tritt der Tod noch schneller ein, falls keine Ersthelfer da sind oder der Verunglückte sich irgendwo festhalten kann. „Wenn wir nach acht Minuten kommen, ist oft nur noch eine Bergung möglich“, sagt der erfahrene Feuerwehrtaucher.
Angekündigte Suizide - Polizei alarmiert Mülheimer Wasserretter
Häufig würden sie durch die Polizei alarmiert, wenn jemand angedroht habe, sich das Leben zu nehmen, vielleicht von einer Brücke zu springen. Dann eilen die Feuerwehrtaucher ans Wasser, um rechtzeitig bereit zu sein, um retten zu können. Im Januar 2023 etwa gab es einen Großeinsatz an der Ruhr vor der Mülheimer Stadthalle. Der Polizei war telefonisch ein Suizid angekündigt worden. Etliche Helfer, auch ehrenamtliche, suchten mit Booten, Drohne, Sonargeräten, Rescue Board in und an der eiskalten Ruhr. Sie fanden nichts.
Letztlich war es wohl falscher Alarm, vermutlich Notrufmissbrauch. Auch das gehört leider zur Arbeit der Mülheimer Wasserretter.
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