Mülheim. Die Wohnungsbaugenossenschaft MWB erreichen so viele Wohnungsanfragen, dass immer mehr Enttäuschung entsteht. Wie der Vorstand die Lage sieht.
Die Genossenschaft Mülheimer Wohnungsbau (MWB), neben der SWB größter Akteur auf dem Mülheimer Wohnungsmarkt, sieht sich mit immer mehr Anfragen nach Mietwohnungen konfrontiert. „Wir müssen Menschen enttäuschen, wir kommen kaum noch nach und das zeigt, wie viel Nachholbedarf im Wohnungsbau besteht“, so Vorstand Frank Esser.
Eine jüngste Auswertung habe ergeben, dass gut 1000 Menschen pro Woche bei der MWB anrufen – viele davon, weil sie eine Wohnung suchen. Für das Team sei ein Aufkommen von gut 200 Anrufen am Tag kaum noch zu bewältigen. Übersetzt will das heißen: Das Wohnungsangebot in Mülheim kommt der Nachfrage längst nicht mehr hinterher.
Krise am Bau: MWB sieht bei sich trotzdem „eine durchaus erhebliche Bautätigkeit“
Das hat Gründe. Die Bedingungen für Wohnungsbau seien weiterhin außerordentlich schwierig, heißt es seitens der MWB. Im frei finanzierten Wohnungsbau müsste die MWB aufgrund der Handwerker- und Materialkosten und der Zinsen auch weiterhin Kaltmieten von 20 Euro je Quadratmeter oder darüber hinaus verlangen, damit Neubauprojekte wirtschaftlich wären. Auf Basis dieser Kostenentwicklung müsse auch das Bauträgergeschäft der Genossenschaft bis auf Weiteres ruhen, hieß es anlässlich der Vertreterversammlung jetzt bei der Genossenschaft.
Die MWB halte dabei – im Gegensatz zu vielen anderen Wohnungsbauunternehmen – in der Krise „eine durchaus erhebliche Bautätigkeit“ aufrecht. „Zahlreiche neue Wohnungen können entstehen“, so Esser. „Es gibt laufende Projekte und auch solche, die in Vorbereitung sind und bei denen wir noch auf Genehmigungen warten.“
Mülheimer Wohnungsbau mit großen Projekten an der Zeppelinstraße und am Papenbusch
Was sich Esser wünscht, ist mehr Akzeptanz für Wohnungsbau. Allen Menschen sei klar, dass mehr Wohnraum dringend entstehen müssen, aber dennoch sei die Einstellung vieler Bürgerinnen und Bürger: „Wohnungsbau: Ja bitte, aber nicht da, wo es mein persönliches Lebensumfeld beeinflusst.“ Wenn das jeder so sehe, so Esser, könnten Projekte nirgendwo mehr umgesetzt werden.
„Wir müssen Menschen enttäuschen, wir kommen kaum noch nach und das zeigt, wie viel Nachholbedarf im Wohnungsbau besteht.“
So sieht der MWB-Vorstandsvorsitzende auch die Zusammenarbeit mit der Stadt, den Bau 135 neuer Wohnungen an der Zeppelinstraße und das Projekt am Papenbusch, als wichtige Erfolge für die Genossenschaft. Einmal mehr äußert er sich zum politischen Diskurs um die Flüchtlingsunterbringung: „Grundsätzlich sind wir politisch neutral, das ist uns wichtig. Eine Grenze ziehen wir da, wo radikale oder rassistische Gruppierungen beteiligt sind. Dass Geringverdiener und Geflüchtete gegeneinander ausgespielt werden, von Parteien wie der AfD, die keine echten Lösungen anbieten können, lehnen wir ab.“
Mülheimer Wohnungsbau: Durchschnittliche Kaltmiete liegt bei 6,30 Euro je Quadratmeter
Bei der Versammlung von 46 Vertreterinnen und Vertretern der Genossenschaft stellte Esser die MWB als wirtschaftlich gesund dar, auch wenn ihre Spielräume enger geworden seien. Mit seinem Vorstandskollegen Dominik Steffan präsentierte Esser Zahlen. Obwohl die MWB die Mieten habe anheben müssen, um angesichts steigender Kosten wirtschaftlich arbeiten zu können, liege sie mit einer durchschnittlichen Kaltmiete von 6,30 Euro je Quadratmeter weiterhin unter der durchschnittlichen Kaltmiete in Mülheim (6,77 Euro je Quadratmeter). Der vermietungs- und modernisierungsbedingte Leerstand liege bei nur 1,09 Prozent und damit noch einmal unter dem Wert des Vorjahres. „Menschen suchen Wohnraum, und sie suchen diesen Wohnraum auch und insbesondere bei der MWB“, so Esser, der versprach, das Instandhaltungs- und Modernisierungsprogramm fortzusetzen. Insgesamt habe die Wohnungsbaugenossenschaft im Geschäftsjahr 8,11 Millionen Euro investiert, das entspreche 23,56 Euro je Quadratmeter.
Im Service will die MWB verstärkt auf ihr Kundenportal setzen. Dieses werde - wie der telefonische Kontakt - aber immer von einem eigenen Team von Servicemitarbeitern betreut. „Wir werden niemals an eine anonyme Hotline auslagern“, so Esser. Wichtigstes Thema für die MWB im Moment: die Dekarbonisierung, die vom Gesetzgeber geforderte Verringerung der CO2-Emissionen gegen null. „Damit die Mieten bezahlbar bleiben, müssen wir genau abwägen, wo wir welche Maßnahme durchführen“, so der Vorstandsvorsitzende. Die Dekarbonisierung sei nichts, das sich alleine mit Investitionen in die Gebäudekörper erreichen lasse. „Jedenfalls nicht so, dass sich das alle Genossenschaftsmitglieder leisten können.“
Klimawende: MWB setzt auch auf „vernünftiges und maßvolles Verhalten“ der Mieter
Die MWB will behutsam und individuell vorgehen. „Es gibt eine Vielzahl kleiner und großer technischer Maßnahmen, die in unserem Werkzeugkasten zur Verfügung stehen, und wir sind mit vielen anderen Wohnungsunternehmen im Austausch über Ideen, Erfahrungen und Lösungen.“ Auch auf die Mieter komme es an, weil das Heiz- und Lüftungsverhalten einen erheblichen Unterschied bei der Einstufung von Gebäuden mache. „Wir müssen darauf setzen, dass unsere Mieter die Dekarbonisierung auch zukünftig durch ein vernünftiges und maßvolles Verhalten unterstützen“, so Esser.
Die Vertreterversammlung entlastete Aufsichtsrat und Vorstand, stellte den Jahresabschluss fest und beschloss die Verwendung des Bilanzgewinns 2023 in Höhe von 1,2 Millionen Euro. Der Aufsichtsratsvorsitzende Helge Kipping sowie die Aufsichtsratsmitglieder Klaudia Schmalenbach und Marc Vogel wurden für drei weitere Jahre gewählt. In Abwesenheit verabschiedet wurde der erkrankte Bernd Fronhoffs, der aus Altersgründen für keine weitere Amtsperiode kandidieren konnte. Der ehemalige Amtsrichter hatte dem Aufsichtsrat der MWB 16 Jahre lang angehört. Sein Nachfolger wird Prof. Dr. Oliver Koch, Vizepräsident für Forschung und Transfer der Hochschule Ruhr West. (sto)
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