Mülheim. Über die Zukunft des Flughafens Essen-Mülheim wird seit Jahrzehnten gestritten. Nun haben die Betreiberstädte ausgehandelt, was werden soll.

2010 beschloss Mülheims Stadtrat, den Zuschussbetrieb des Flughafens Essen-Mülheim im Jahr 2034 aufzugeben. Noch einmal 20 Jahre älter ist der Ausstiegsbeschluss der Stadt Essen. Das Land als dritter Flughafenbetreiber hat sich längst zurückgezogen. Nach jahrzehntelangem Ringen ist nun zwischen den Städten ein Szenario entwickelt worden, das die Flughafen-Frage ein für allemal beantworten soll.

Auf den Punkt gebracht: Der Flughafen soll bleiben. In interkommunalen Arbeitsgruppen haben sich die Städte und Politik darauf verständigt, dass auf den Raadter Höhen auch nach 2034 Flugzeuge abheben sollen. Noch vor der Sommerpause sollen die Stadträte die alten Ausstiegsbeschlüsse wieder einkassieren. Der Flugbetrieb soll unbefristet fortgeführt werden können.

Pro Flughafen Essen-Mülheim: Verkehrsaufkommen bei großem Gewerbegebiet zu stark

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Gleichzeitig nehmen die Städte sowie ihre jeweils schwarz-grünen politischen Mehrheiten Abstand von jenem Szenario, das bei Aufgabe des Flugbetriebs die Entwicklung eines 27,7 Hektar großen Gewerbegebietes südlich der Brunshofstraße vorsah. Die Entscheidung soll fallen für ein neues Gewerbegebiet auf lediglich 12 Hektar, das dem Flughafen seinen benötigten Raum lässt. 90.000 Quadratmeter neue Bruttogeschossfläche sind skizziert, dazu eine Entwicklung in drei Schritten bis 2045. Geprüft werden soll, ob zusätzlich eine zehn Hektar große Fläche im Nordwesten des Flughafen-Areals, direkt neben dem neuen Gewerbe, mit Photovoltaik bestückt werden kann.

Als Begründung für die Wahl dieser Entwicklungsperspektive führt die Beschlussvorlage einerseits an, dass eine gewerbliche Entwicklung auf 27,7 Hektar Land „verkehrstechnisch nicht ohne größeren Aufwand realisierbar wäre“. Nahezu alle Verkehrsknotenpunkte im Umfeld (von Holthausen bis Schuir und Haarzopf) wären dann nicht mehr leistungsfähig, heißt es mit Verweis auf ein entsprechendes Verkehrsgutachten, das bislang allerdings nur in einer Präsentation und nicht im Detail veröffentlicht ist. Der Aufwand, den prognostizierten zusätzlichen Verkehr mit rund 10.900 Fahrten pro Tag mit Umbauten hier und dort abwickeln zu können, habe sich als „unverhältnismäßig“ herausgestellt.

Wenn investiert wird: Potenzialanalyse bescheinigt dem Flughafen gute Entwicklungsperspektiven

Bei 12 Hektar neuem Gewerbe und geschätzt 4800 zusätzlichen Fahrten am Tag blieben die vorhandenen Verkehrsknotenpunkte hingegen „weitgehend leistungsfähig“, so die Feststellung. Im Wesentlichen seien an den Knotenpunkten nur Ampelzeiten neu zu justieren. Zu verbessern seien darüber hinaus Angebote für Fußgänger und Radfahrer, auch das ÖPNV-Angebot - nach dem Straßenbahn-Aus auf die Buslinie 130 zusammengeschrumpft - sei auszuweiten, heißt es. Der Zufahrtsbereich zum neuen Gewerbegebiet zwischen Zeppelin-, Lilienthal- und Brunshofstraße wäre darüber hinaus gänzlich neu zu planen, um hier den Verkehrsfluss zu gewährleisten.

Für den Flughafenbetrieb über 2034 hinaus zeichnet eine Potenzialanalyse des Berliner Unternehmens amd.sigma, das sich auf die Entwicklung von Flughäfen spezialisiert hat, gute Perspektiven auf. Dass der Flughafen aktuell weiter Defizite einfahre, liege in den Ausstiegsbeschlüssen und der bislang fehlenden Entwicklungsperspektive begründet, so die Gutachter. Sie haben aber auch errechnet, dass den aktuellen Defiziten von rund 600.000 Euro jährlich, die die Städte zu tragen haben, Steuer- und wirtschaftliche Effekte von 730.000 Euro per anno gegenüberstünden, die Defizite so also kompensiert seien. „Ein gut angebundener Flughafen stimuliert die Wirtschaftsentwicklung in der gesamten Region, indem er Investitionen anzieht, Geschäftskontakte erleichtert und allgemein die Attraktivität für Unternehmen erhöht“, heißt es dazu.

Viele Investitionen seien allerdings nötig, um den Flugbetrieb in die Moderne zu hieven. Kreditaufnahmen seien aktuell wegen des noch gültigen Ausstiegsbeschlusses aber erschwert und Förderungen etwa von Bund und Land unmöglich. Reparaturen seien an Start- und Landebahn nötig, an den Rollwegen und am Vorfeld, ebenso an Dächern und Fassaden. Beim Brandschutz und an Markierungen sei etwas zu tun, gegebenenfalls stünden überdies Kanalbauarbeiten an. Zudem soll die Aufstockung des bestehenden Towers „zwingend notwendig“ sein. Kosten werden nicht beziffert.

Investitionsstau am Flughafen Essen-Mülheim wäre aufzulösen

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Könnte entsprechend investiert werden, prognostizieren die Gutachter auch eine „Optimierung der Einnahmeseite“ für die ansässigen Flughafenbetriebe mit ihren rund 200 oft hoch qualifizierten Beschäftigten und den Flugschülerinnen und -schülern. Die Position und Investitionsbereitschaft der Unternehmen sei möglichst durch Erbbaupachtverträge zu stärken.

Dass sie investieren wollen, setzt das Gutachten nach Gesprächen mit ihnen und mit Verweis auf deren jüngste Projekte voraus. Als Chance für eine zukunftsfähige Weiterentwicklung des Flughafenbetriebs sehen die Gutachter etwa den Aufbau einer Infrastruktur, die auf den Raadter Höhen die Flugmoderne mit elektrischen oder wasserstoffbetriebenen, klimaneutralen Lufttaxis ermöglicht, auch als Zubringer etwa zu den Flughäfen Köln/Bonn, Düsseldorf oder Paderborn. Dafür könne der Flughafen als Mobilitäts-Hub entwickelt werden. Der Standort könne hier profitieren von einem „Megatrend“.

Gutachter-Vorschlag: Flughafen Essen-Mülheim soll Kapazität erweitern

So schlagen die Gutachter eine Neuordnung des Flughafen-Vorfeldes vor, damit eine maximale Anzahl an Fliegern dort Platz findet und die Kapazität des Flughafens erhöht werden kann. Hinzu kommen soll der Neubau von vier Hangars, alte sollen für das Gewerbegebiet weichen. Geschaffen werden soll auch ein „Vertiport“, ein Start- und Landeplatz für in der Entwicklung befindliche, senkrecht startende Elektroflieger.

Wie soll es nun weitergehen? Den entsprechenden Beschluss zur unbefristeten Zukunft des Flughafens und zur weiteren Planung von 12 Hektar Gewerbe soll der Mülheimer Stadtrat am 4. Juli fällen. Für den Essener Stadtrat ist eine gleichgerichtete Vorlage noch verwaltungsintern „in Abstimmung“, wie eine Stadtsprecherin auf Anfrage mitteilte. Dort könnte es knapp werden mit einer Beschlussfassung in der Ratssitzung am 26. Juni, weil die Vorberatung in verschiedenen Gremien nötig ist.

Nach den Sommerferien soll der Rahmenplan für eine künftige Entwicklung weiter ausgearbeitet werden und dazu wieder der interkommunale Arbeitskreis mit Vertretern aus Verwaltungen, Politik und Flughafengesellschaft Konsens suchen. Schließlich soll der Rahmenplan-Entwurf zur öffentlichen Diskussion gestellt werden. Dann können Bürgerinnen und Bürger Einwendungen kundtun oder Anregungen geben.

Neues Gewerbe mit oder ohne Flughafen - eine kleine Chronik:

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