Moers. Der Moerser Verein „Frauen helfen Frauen“ übt gemeinsam mit anderen Kritik an der NRW-Landesregierung - und gibt Einblicke in seine Arbeit.

In einem Hinterhof befindet sich der Eingang zum Verein „Frauen helfen Frauen“ in Moers. Seit 1980 werden hier Frauen beraten, die Schwerpunkte liegen bei den Themen der häuslichen und sexuellen Gewalt. Sabine Kellner, Diplom Pädagogin und Leiterin des Vereins, ist heute in Orange gekleidet: Eben noch war sie bei einer Aktion der Stadt Moers zu den „Orange Days“ beteiligt, eine globale Kampagne, die seit 1991 ein Bewusstsein für Gewalt gegen Frauen und Mädchen schafft. 

In dieser Woche hat das NRW Netzwerk gegen Gewalt an Frauen, zu dem auch der Verein „Frauen helfen Frauen“ in Moers gehört, in einem offenen Brief die Landesregierung kritisiert. Der Hintergrund ist die zunehmende Zahl von Gewaltdelikten gegen Frauen. Zudem plant das Land NRW eine Kürzung der finanziellen Mittel für den Schutz und die Unterstützung von Frauen, die von Gewalt betroffen sind. Diese Kürzung im Landeshaushalt beträgt knapp 1,9 Millionen Euro.

Offener Brief: Forderungen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen

In dem Brief werden drei Sachen gefordert: Zunächst ein sofortiger Ausbau und eine umfassende Finanzierung von Einrichtungen und Leistungen zum Schutz und zur Unterstützung der Opfer von Gewalt gegen Frauen. Des Weiteren wird eine wirksame Strafverfolgung von Gewalttätern so wie eine ernsthafte Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen gefordert.

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„Immer mehr Frauen werden getötet, schwer verletzt, misshandelt und vergewaltigt“, steht in dem Brief. Gleichzeitig wird kritisiert, dass Frauen und Kinder immer weniger Schutzplätze vor Männergewalt finden und Beratungsstellen zu wenig Personal haben, um den steigenden Bedarfen und Anfragen gerecht zu werden. Dieses Problem wird von Sabine Kellner bestätigt.

Frauenberatung in Moers: Zahlen und Fakten

Bei einer Vollzeitbesetzung berät der Verein generell 400 Frauen im Jahr. Im Jahre 2023 hat die Beratungsstelle in Moers insgesamt 242 Frauen und Mädchen beraten. Die Zahlen wirken im Vergleich zu früheren Jahren gering: Das liegt laut dem Jahresbericht aber nur daran, dass die Beratungsstelle für ganze zehn Monate mit nur einer Beratungsfachkraft (29,88 Std.) besetzt war. In mehr als der Hälfte dieser Beratungen ging es im Jahre 2023 um häusliche Gewalt. 

Das sind die Orange Days

Die Orange Days sind eine Kampagne der Vereinten Nationen, die sich gegen Gewalt an Frauen und Mädchen richtet. Jedes Jahr finden Weltweit zahlreiche Aktionen statt, um auf die alltägliche Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie sexualisierte Gewalt und Femizide aufmerksam zu machen. Die Orange Days beginnen am 25. November mit dem dem Internationalen Tag zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen und enden am 10. Dezember.

„Die Beratungsinhalte werden immer komplexer und erfordern eine gute Aus- und Weiterbildung“, erzählt Kellner. Unterschiedliche Sprach- und Bildungsniveaus erfordern unterschiedliche Herangehensweisen. „Je mehr Kinder, je gewalttätiger die Täter und je größer die Bedrohung, desto schwerer wird es in der Beratung“, erklärt die Leiterin. Die Beratungsdauer sei auch unterschiedlich: Laut Kellner dauert zum Beispiel der Beratungsprozess bei Frauen, die eine konkrete Schutzmaßnahme brauchen, deutlich länger.

Gewalt gegen Frauen: Was sind die Ursachen?

Dabei ist die Gewalt gegen Frauen ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, welches sich „querbeet“ durch Nationalitäten und religiöse Hintergründe zieht, führt Kellner weiter aus. Der Verein richtet sein Angebot daher an alle Frauen in jedem Alter in ihrem Bezugsgebiet. Die goldene Regel: Wer Hilfe braucht, der bekommt die auch!

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Wo sieht die Leiterin die Ursachen für die steigende Anzahl der Gewaltdelikte gegen Frauen? „Das kann ganz unterschiedliche Gründe haben“, erläutert Kellner. Ein Erklärungsgrund seien die „Krisenzeiten, in der wir uns durch Pandemie, Inflation und Krieg befinden“. Insbesondere wenn die finanziellen Ressourcen geringer werden, könne es zu einem Anstieg an Gewalt kommen.

Gewalt gegen Frauen: Fast jeden Tag ein Femizid

Sogenannte Femizide, also die Tötung von Frauen, weil sie Frauen sind, hängen laut Kellner oft mit einem Besitzdenken zusammen: „Wenn eine Frau getötet wird, weil sie ihren Partner verlässt, muss sich der Täter denken: ,Die Frau ist mein Eigentum‘“. Aus einem jüngst veröffentlichten Lagebild des Bundeskriminalamtes ging hervor, dass im Jahre 2023 in Deutschland fast jeden Tag eine Frau Opfer eines Femizides wurde.

Aktionen in Moers zu Orange Days

In Moers gehören zu den Höhepunkten der Woche (ab 25. November) eine kreative Sprayaktion, die Beleuchtung des Schlosses, die Ausstellung ‚Sehnsucht‘ sowie die Vorführung eines preisgekrönten Films.

Die Sprayaktion in der City wird an verschiedenen Orten mit Kreidefarbe durchgeführt. Damit sollen sichtbare Zeichen gegen Gewalt an Frauen gesetzt werden und Passanten eingeladen, innezuhalten. In Kooperation mit dem Grafschafter Museum erstrahlt das Schloss in orangefarbenem Licht. Das erinnert an die weltweite Kampagne ‚Orange the World‘. Sie steht für das Ende der Gewalt an Frauen.

Die Installation ‚Sehnsucht‘ von Künstlerin Sigrid Nikel-Bronner ist ein Symbol für Gewalt- und Missbrauchserfahrungen, die viele Frauen machen. Die Eröffnung ist am Dienstag, 26. November, um 18 Uhr im Hanns-Dieter-Hüsch-Bildungszentrum, Wilhelm-Schroeder-Straße 10. Bis zum 10. Dezember ist die Ausstellung dort zu sehen. Ein Film thematisiert weibliche Diskriminierung, häusliche Gewalt und politische Umbrüche. In Kooperation mit dem Grafschafter Museum wird er am Mittwoch, 27. November, um 18 Uhr im Alten Landratsamt gezeigt. Eintritt frei, um Anmeldung wird gebeten: 02841/ 201-68200.

Der Verein „Frauen helfen Frauen“ in Moers erhofft sich vor allem eines: die verlässliche, öffentliche und ausreichende Finanzierung der Beratungsstelle. Laut Kellner haben die Zuschüsse bis jetzt immer geschwankt und eine langfristige Planung wurde dadurch erschwert. Außerdem habe sich das Spenderverhalten in den letzten Krisenjahren verändert. Damit man den linken Niederrhein gewaltfrei machen könne, ist man daher auf unterstützende Finanzierungen angewiesen, führt die Leiterin weiter aus. Aktuell befindet sich der Verein dafür in Verhandlungen mit dem Kreis Wesel.

Das sagt die Gleichstellungsbeauftragte

„Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir gemeinsam Verantwortung übernehmen und uns aktiv gegen Gewalt an Frauen einsetzen“, sagt Jacqueline Rittershaus, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt. „Indem wir diese Themen öffentlich machen, stärken wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt und tragen dazu bei, dass Frauen in unserer Gesellschaft sicher leben können.“ Die Aktionswoche wird von Organisationen und Institutionen unterstützt.