Kamp-Lintfort. Kevin Waldeck (33) kandidiert für den Bundestag. Im Interview spricht er über SPD-Kanzlerkandidaten, die Heute-Show und seine Überzeugungen.

Seit knapp zwei Monaten steht es offiziell fest: Kevin Waldeck, 33 Jahre alt, wurde vom Kreisvorstand der SPD für den Wahlkreis Wesel I bei der Bundestagswahl 2025 nominiert. Wie schätzt der Kamp-Lintforter seine Chancen ein, wie kämpft er gegen die Ampel-Bürde und wer wäre eigentlich sein Lieblingskanzlerkandidat für die SPD? Wir haben nachgefragt.

Herr Waldeck, was mögen Sie an Ihrer Partei?

Waldeck (lacht): Was ich an meiner Partei mag? An meiner Partei mag ich die sozialdemokratische Grundüberzeugung, dass man einen starken Fokus auf gesellschaftlichen Ausgleich legt, dass es nicht darum geht, einzelne Klientelen zu bedienen, sondern sie miteinander zu verbinden und dabei pragmatisch einen Wandel gestaltet.

Was mögen Sie nicht an Ihrer Partei?

Die SPD hinterfragt sich gerne und geht auch gerne selbst mit sich hart ins Gericht. Das ist etwas, wo wir vielleicht manchmal weniger stark sein könnten...

Wie sind Sie Sozialdemokrat geworden?

Das hat sicher mit meinem familiären Hintergrund zu tun. Ich komme aus einem Arbeiterhaushalt, mein Vater war, weil meine Mutter früh erkrankt ist, Alleinverdiener. Er war immer fleißig und davon überzeugt, dass harte Arbeit sich am Ende auszahlt. Aber man hat auch damals schon gemerkt, dass das eben nicht immer der Fall ist, obwohl er neben seinem Hauptjob immer wieder mehrere Nebenjobs hatte. Das hat bei mir das Gerechtigkeitsempfinden getriggert und war der Grund, warum ich angefangen habe, mich für Politik zu interessieren, insbesondere für die SPD.

Wie schwer macht es gerade die Ampel-Koalition, hier vor Ort für die SPD zu kandidieren?

Sagen wir mal so – es war schon mal leichter. Wir brauchen nicht darüber zu reden, dass die Ampel-Koalition derzeit ein schlechtes Bild abgibt, ich bin auch ehrlich gesagt nicht davon überzeugt, dass das bis zur nächsten Wahl besser wird, dafür sind die Gräben mittlerweile zu tief und die Grundüberzeugungen der einzelnen Koalitionspartner zu verschieden. Aber letzten Endes steht am Wahltag ja auch nicht die Ampel auf dem Wahlzettel, sondern die einzelnen Parteien.

Aber wie macht man das den Wählern klar?

Ich glaube am besten dadurch, dass man den sozialdemokratischen Aspekt deutlicher hervorhebt und verstärkt für die Punkte eintritt, die einem wichtig sind. Ich habe in den letzten zwei Jahren so ein bisschen den Eindruck, dass die SPD die Moderation und die Mediation in der Koalition übernommen hat und stark bemüht war, das ganze irgendwie ein bisschen harmonisch zu gestalten. Fairerweise muss man sagen, dass das nicht gefruchtet hat, weil die Interessenslagen viel zu verschieden sind.

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Wen hätten Sie denn lieber als Kanzlerkandidaten – Olaf Scholz, Boris Pistorius oder doch jemand ganz anderen?

Für mich hängt es nicht so stark an der Person. Natürlich ist Boris Pistorius der beliebteste Minister in dieser Koalition, aber eben auch in seinem Ressort. Wenn ich mir jetzt vorstelle, wir würden ihn morgen aufs Schild heben, würde man sicherlich noch mal genauer hinschauen: Was läuft denn wirklich so gut im Verteidigungsministerium und was nicht? Und vor allem hätte er ab diesem Tag dann nicht mehr nur die Verantwortung für sein Ministerium, sondern für das große Ganze. Pistorius steht wie kein anderer für eine Unterstützung für die Ukraine. Und auch, wenn ich das selber für richtig halte, glaube ich, dass das in der breiten Bevölkerung nicht nur auf Gegenliebe stößt. Grundsätzlich geht es aber vor allem um die Frage: Wem trauen wir zu, eine verantwortungsbewusste Politik zu machen? Ein Beispiel ist vielleicht das Attentat in Solingen. Statt zu versuchen, nach der Tat auf einer sachlichen Ebene zu diskutieren und die Bevölkerung zu beruhigen, haben viele, sicherlich auch getrieben von der AfD, das genaue Gegenteil getan. Da sehe ich Olaf Scholz, auch wenn er oft in der Kritik steht, als denjenigen, der besonnen handelt.

Also ist Olaf Scholz der richtige?

Ich glaube im Vergleich zu den anderen: Ja.

Sie wollen sich dafür einsetzen, dass sich wieder mehr Menschen von der Politik mitgenommen fühlen. Wie wollen Sie das erreichen?

Ich glaube, da geht es viel um das ,sich Begegnen‘. Man muss ernst genommen werden und sich ernst genommen fühlen. Wichtig ist, nicht nur das Gefühl zu haben, Politik ist das, was in Berlin gemacht wird, sondern einen Ansprechpartner zu haben, bei dem deutlich wird: Das greift bis in meinen Wahlkreis. Ich möchte in meinem Wahlkreis präsent, vor Ort erreichbar sein. Gerade als Kamp-Lintforter haben wir gute Erfahrungen gemacht, Menschen ernst zu nehmen und für sie da zu sein.

Kevin Waldeck als Moderator einer Podiumsdiskussion zum Thema „Wie wollen wir leben?“
Kevin Waldeck als Moderator einer Podiumsdiskussion zum Thema „Wie wollen wir leben?“ © FUNKE Foto Services | Karl Banski

Sind Sie schon im Wahlkampfmodus?

Ja.

Woran merkt man das?

Die Termine werden mehr. Seit meiner Nominierung gab es nicht einen Tag, an dem keiner war. Aber es macht Spaß.

Wie werden Sie in den kommenden Monaten für sich werben – mit Plakaten und Kugelschreibern?

Ich glaube, da kommt man nicht ganz drumherum....

Ist das alles, oder wird es noch mehr geben?

Na klar wird es mehr geben. Das erstere ist der Standard, den man mit abdecken muss. Wir hatten das schon mal so gemacht, dass wir auf Plakatwerbung verzichtet haben, etwa im letzten Landratswahlkampf. Das kam gerade bei unseren eigenen Genossen nicht gut an. Ansonsten ist mir das Thema Haustürwahlkampf wichtig, weil ich glaube, dass man so die Leute am besten erreicht. Online-Wahlkampf gehört aber natürlich auch dazu. Wobei ich ehrlich sagen muss, dass ich mittlerweile der Überzeugung bin, das wirkungsvollste Mittel ist das persönliche Gespräch.

Ihr CDU-Konkurrent Sascha van Beek hat sich beim letzten Mal Unterstützung von Lutz van der Horst und Fabian Köster geholt - bringt das was?

Wenn man gerne in die Heute-Show möchte, bringt das mit Sicherheit was. Ob das letztlich auch was am Wahlabend bringt – in dem Fall hat es, wie wir wissen, nichts gebracht...

Bei der letzten Bundestagswahl hat ihr verstorbener Parteikollege Rainer Keller das Direktmandat geholt, wie schätzen Sie Ihre Chancen ein? Auch vor dem Hintergrund, dass die Umfragewerte der SPD gerade nicht so toll sind – was können Sie nächstes Jahr erreichen?

Auf der einen Seite ist man natürlich abhängig vom Bundestrend, da kann man sich die Hacken so viel ablaufen, wie man will. Wenn der Trend so bliebe, wie er derzeit ist, hat man keine Chance. Auf der anderen Seite ist da die Frage, was man als Kandidat selber erreichen kann. Beim Bundestrend glaube ich, dass sich da bis zum nächsten September noch einiges tun wird. Je näher die Wahl rücken wird, desto klarer wird auch die Gegenüberstellung sein: Wem traue ich oder wem möchte ich die politische Führung des Landes übertragen. Wichtig ist auch die Frage, wie in den nächsten Monaten die Abgrenzung der demokratischen Parteien von den populistischen gelingt. Als Kandidat hängt mein Einfluss aber sicher auch davon ab, wie präsent ich bin, zum Beispiel über den Haustürwahlkampf oder da zu sein, wo die Menschen sind, Stichwort dritte Orte.

Rechnen Sie damit, dass die AfD in Ihrem Wahlkreis auch einen Kandidaten aufstellt?

Ja, davon gehe ich aus.

Zur Person

Kevin Waldeck ist 33 Jahre alt, wohnt in Kamp-Lintfort und ist dort stellvertretender Fraktionschef. Mit 20 Jahren engagierte er sich bereits bei den Jusos, seit 2014 sitzt er für die SPD im Rat der Stadt.

Seine berufliche Laufbahn startete er als gelernter Dachdecker und absolvierte später auf dem zweiten Bildungsweg eine Ausbildung zum Kaufmann für Marketingkommunikation. Aktuell ist Waldeck bei der NRW SPD in der Kreisgeschäftsstelle in Kamp-Lintfort beschäftigt und begleitet dort die ehrenamtliche Arbeit der Sozialdemokraten im Kreis Wesel.