Kamp-Lintfort. Von den 105 Anklagepunkten gegen einen Mann aus Kamp-Lintfort bleiben am Ende nur wenige übrig. Wie das Gericht seine Entscheidung begründet.

Von den insgesamt 105 Anklagepunkten gegen einen 53 Jahre alten Unternehmer aus Kamp-Lintfort blieben am Ende nur noch wenige übrig, doch die reichten der 9. großen Strafkammer des Landgerichts Kleve unter Vorsitz von Richter Carsten Deconinck immer noch, um gegen den Mann wegen diverser Betrugs- und Wirtschaftsvergehen eine Strafe zu verhängen. Die 20-monatige Freiheitsstrafe wird für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Zwischen 2018 und 2021 betrieb der Mann eine Bauträgergesellschaft, die jedoch in schwere See geriet und schließlich unter dubiosen Umständen bei einem Notar in Berlin an einen „Problemlöser-König“ verkauft wurde. Zurück blieb, so Richter Deconinck, „ein riesiger Haufen verbrannter Erde“. Bauherren seien enttäuscht worden, Handwerker ebenfalls, und auch die Mitarbeiter seines Unternehmens standen am Ende auf der Straße – und dies, so der Richter, bei einer „Quote von null im Insolvenzverfahren“.

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Rückblickend also ein einziges Chaos. Doch so, nämlich vom Ende her, dürfe das Gericht die Geschehnisse nicht beurteilen. In der Beweisaufnahme habe das zuvor stimmige Bild der Anklage einige Risse bekommen. Mit anderen Worten: Der Angeklagte hat mit seinem Unternehmen nicht von vornherein in betrügerischer Absicht gehandelt.

„Der Angeklagte ist ein Drahtseilakrobat, der gerne auch mal in den Abgrund hineinschaut“

Richter Carsten Deconinck
über die Gemütslage des Angeklagten

Es bestand offenbar die Hoffnung, die vereinbarten Leistungen auch liefern zu können – dafür, dass es sich nicht um Luftschlösser gehandelt hat, sprach beispielsweise, dass bei einigen Projekten auch Schlussabrechnungen gestellt worden sind. Bis zum Schluss gab es auch Tätigkeiten. Und, ebenfalls unüblich in Betrügerkreisen, löste der Angeklagte eine Rentenversicherung auf, um privat Geld in das wackelnde Unternehmen nachzuschießen.

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„Der Angeklagte ist ein Drahtseilakrobat, der gerne auch mal in den Abgrund hineinschaut“, so das Fazit des Richters. Und er hat auch Grenzen überschritten – beispielsweise, als er bei der Beantragung von Corona-Soforthilfe das Geld für sechs, und nicht wie tatsächlich vorhanden, 4,6 Beschäftigte einforderte. Das brachte ihm statt 9000 Euro 15.000 Euro ein. Auch einen Kredit der KfW erlangte er unter Angabe falscher Tatsachen. Und die Übertragung des Unternehmens an den „Problemlöser-König“, eine klassische Firmenbestattung, sei erfolgt, um nicht den Gang zum Insolvenzrichter antreten zu müssen, sondern „um Spuren zu verwischen“, so das Gericht.

Das alles fasste die Strafkammer zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten zusammen. Sie folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte Freispruch beantragt, konnte sich damit aber nicht durchsetzen.