Moers. Elian aus Moers ist beim Schwimmen zusammengebrochen. Die Diagnosen waren niederschmetternd. Freunde geben Unterstützung. So kann man helfen.

Es muss ein Albtraum sein, wenn von einem auf den anderen Tag das Leben plötzlich so aus den Fugen gerät. Wenn plötzlich nichts mehr so ist, wie es war. Wenn die Angst um einen lieben Menschen alles andere schlagartig nebensächlich erscheinen lässt. „Der 17. April hat unser Leben umgekrempelt“, sagt Jessica Aygün aus Moers.

Wir sitzen in der gemütlichen Küche der Familie in einem kleinen Zechenhäuschen. Der kleine Milan (3) holt sich flugs Schokolade ab. Gerade kommen Papa Hasan und Elian (10) zur Tür herein. Der Junge trägt einen Spezialhelm auf dem Kopf, am rechten Fuß ist unter der Hose eine Orthese zu erkennen, seine Bewegungen sind verzögert. Die beiden haben im Hof Fußball gespielt. Ein kleines Wunder, kann man fast sagen. Denn noch vor einem halben Jahr wären die Eltern fast gestorben vor Sorge um ihren ältesten Sohn.

Die Eltern waren verzweifelt, sie konnten nichts tun

Es sei ein ganz normaler Tag gewesen, erzählt die 37-Jährige. Mit Hausaufgaben, Kicken mit den Kumpels; gegen viertel vor sieben am Abend habe sie Elian zum Schwimmtraining gebracht. Zehn Minuten nach sieben habe der Schwimmlehrer angerufen. Elian gehe es nicht gut, man würde einen Rettungswagen bestellen. Keine zwei Minuten später der erneute Anruf: Eine Notärztin würde hinzugezogen. Die Mutter raste zur Schwimmhalle. „Da sah ich Elian total regungslos da liegen, er war nicht ansprechbar und kreidebleich“, erzählt Jessica Aygün.

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Der Rettungswagen brachte den Jungen ins Bethanien. Noch in der Nacht wurde ein MRT gemacht, darauf hatten die Eltern bestanden. Sie wichen nicht vom Bett ihres Jungen, krank vor Sorge. Ergebnis aller Untersuchungen: Hirnhautentzündung. Das sei aber behandelbar. Erleichterung. Die sollte aber nicht lange währen. Als der Zehnjährige aufzustehen versuchte, hing die ganze rechte Seite, gelähmt. Die Sprache beeinträchtigt. Der nächste Schrecken. Und wieder Untersuchungen.

„Es fühlte sich wie Stunden an“, sagt die Mutter und sie muss die Tränen zurückhalten bei dem Gedanken an diese Zeit. Dann die Diagnose: Schlaganfall; Mediainfarkt. Noch im selben Moment kam der Transport, der Elian in die Uni-Klinik nach Düsseldorf bringen sollte. Es sei dort wirklich wie bei Grey’s Anatomy gewesen, sagt die 37-Jährige. Die Türen öffnen sich und eine Schar Ärzte strömt heraus. „Die Ärzte sagten mir, man würde ihn jetzt sedieren, um bessere Bilder vom Kopf machen zu können“, sagt die Mutter. Um ihm die Angst zu nehmen, habe sie ihrem Sohn viel erzählt.

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Wieder warten. Die Eltern konnten nichts tun, außer zu warten und zu beten. Elian schwebte in Lebensgefahr, die Hirnschwellung nahm zu, er sollte engmaschig beobachtet werden. Die nächste Hiobsbotschaft von den Ärzten: Notoperation. Eine Kraniektomie bzw. Schädelresektion war erforderlich. Die Pupillen zeigten keine Reaktion mehr.

In Moers in der Küche wird es ruhig in dieser Phase der Erzählung. Jessica Aydün schießen wieder die Tränen in die Augen. „Ich habe gesagt, ich unterschreibe alles, nur retten Sie mein Kind“, sagt sie. Die Erinnerung an die Zeit macht ihr sichtlich zu schaffen. „Er wurde künstlich beatmet, der halbe Kopf rasiert, überall Schläuche und Nadeln, die Augen angeschwollen…“ Schließlich kam noch eine Lungenentzündung dazu.

„Ich habe gesagt, ich unterschreibe alles, nur retten Sie mein Kind.“

Jessica Aygün

Elian verbrachte zwei Wochen auf der Intensivstation, insgesamt blieb er sechs Wochen in der Klinik. Die Eltern blieben bei ihm, brachten Sprachnachrichten von Freunden und Verwandten mit. Und versuchten gleichzeitig, für Milan da zu sein, ihm mit Unterstützung einen halbwegs geregelten Tagesablauf zu ermöglichen. Das Geschwisterkind musste die Situation ja auch erst begreifen. Im Krankenhaus begann man recht schnell mit der Physiotherapie. Dann die nächste OP: Anfang Juli wurde der Kopf mit einer künstlichen Schädeldecke geschlossen.

Einen Anlass zur Freude gab es zwischendurch im Mai. Elian ist ein großer Apache-Fan, die Familie hatte schon im vergangenen Jahr Karten fürs Konzert gekauft. Nur: Wie sollte das gehen? Im Krankenhaus gab es die Erlaubnis nur unter sehr strengen Auflagen. Da der Spezialhelm noch nicht da war, musste ein Skihelm herhalten, und in der Arena wurde veranlasst, dass die Familie ganz viel Platz für sich bekam. Alles ging gut. Die Eltern erinnern sich: „Das Strahlen in seinen Augen.“

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Zuhause in ihrem Häuschen in Moers haben sie sich einen eigenen Trainingsplatz geschaffen. Über Freunde konnten sie einen günstigen Motormed erwerben, Elian wurde zum Gemüseschnibbeln eingeteilt, um die Motorik zu stärken. Papa Hasan macht Kräftigungsübungen mit ihm und Mama Jessica massiert jeden Abend stundenlang die Gelenke. Darüber hinaus braucht Elian Hilfsmittel. Beinorthesen, eine Schiene für die Nacht, einen Schultergurt und diverse Sachen mehr. Drei Stunden pro Tag verbringt er in einem Stehtrainer.

So kann man am Benefiz-Dart-Turnier in Moers teilnehmen

Nun hat die Familie noch eine spezielle Handunterstützung verordnet bekommen. Da diese spezielle Handkorthese kein offizielles Hilfsmittel ist, übernimmt die Kasse die Kosten nicht. Regelmäßig fährt die Familie zu einem Experten nach Münster. Keine einfache Situation für die Familie. Neben der emotionalen kommt mittlerweile die finanzielle Belastung dazu. Derzeit arbeiten beide nicht mehr. Die Mutter ist Fahrerin bei EasyCab, ist aktuell im Krankengeld. Der Vater ist bei der GfA freigestellt. Wie soll es auch sonst gehen? Mutter Jessica ist mit Elian wochentags in der Reha, Papa Hasan kümmert sich um den kleinen Milan. Beide Arbeitgeber hätten sie gut unterstützt, betont das Paar.

„Ohne Freunde hätten wir das nicht geschafft“, sagt Hasan Aygün. Mittlerweile ist das Ersparte aufgebraucht. Es fallen viele Kosten an – und wenn zwei Einkommen ausbleiben… Irene und Mario Capiello gehören zu denen, die helfen wollen. Die beiden rufen in ihrem Scherpenberger Bierstübchen zu einem Benefiz-Dart-Turnier auf. Los geht es am Samstag, 5. Oktober, um 11 Uhr. Wo: Homberger Straße 394. Die Erlöse kommen der Familie für weitere Hilfsmittel und zur Unterstützung im Alltag zu. „Steckgeld und Startgebühr kommen in die Spendenbox“, sagt Mario Capiello. Wer spontan mitmachen möchte, ist herzlich willkommen.