Kreis Wesel. Eine Rohstoffabgabe, ein neuer Landesentwicklungsplan und ein Degressionspfad für den Kiesabbau stehen im Koalitionsvertrag. Was ist daraus geworden?
Wahlkampfversprechen zerschellen häufig an politischen Realitäten. Dass genau das nicht beim Thema Kiesabbau passiert, ist dem Kreis Wesel und den betroffenen Kommunen bekanntermaßen ein großes Anliegen.
Sie haben nicht vergessen, mit welcher Überzeugung die Spitzenkandidatin der Grünen und jetzige Wirtschaftsministerin, Mona Neubaur, im Januar 2022, auf dem Feld in Neukirchen-Vluyn stehend, ihre Versprechungen von einem geänderten politischen Umgang mit dem Rohstoffabbau verkündete. Und sie haben nicht vergessen, welche Ziele CDU und Grüne zu diesem Zweck in ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben. Von einer Rohstoffabgabe ist die Rede, ebenso von einem geänderten Landesentwicklungsplan und einem Degressionspfad für den Kiesabbau in besonders betroffenen Gebieten. Auch die generelle Bedarfsberechnung für den Abbau von Kies und Sand sollte auf den Prüfstand kommen.
Seitdem hat sich in Düsseldorf wenig getan.
Diese zumindest für Kreis und Kommunen beunruhigende Ruhe nimmt SPD-Landtagskandidat René Schneider nun zum Anlass, nachzufragen. Tenor: Kommt da noch was?
Schneider möchte wissen, ob die Rohstoffabgabe sowie der Degressionspfad beim Kies- und Sandabbau überhaupt weiterhin Ziele der Landesregierung sind und wann man denn mit Entwürfen zur Rohstoffabgabe und zur Änderung des Landesentwicklungsplans im Sinne eines Degressionspfades rechnen könne.
Auch das Abgrabungsmonitoring des geologischen Dienstes nimmt der SPD-Abgeordnete in seinem Brief auf. So weiche die Landesregierung wiederholt von der üblichen Praxis ab, die Grundlage für die Bedarfsanalyse zum Abbau von Kies und Sand vor der parlamentarischen Sommerpause zur Verfügung zu stellen. Augenscheinlich liegt das Monitoring noch immer nicht vor. Ebenso sei von einer Reform der grundsätzlichen Bedarfsberechnung nichts mehr zu hören, schreibt René Schneider in seinem Brief, den er in einem persönlichen Duktus hält.
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„Sehr geehrte Frau Ministerin Neubaur, vor der Landtagswahl 2022 haben wir beide im eiskalten Regen vor dem Kamp-Lintforter Rathaus den verzweifelten Bürgerinnen und Bürgern ein Versprechen gegeben: Wir werden den Betroffenen am Niederrhein helfen, den Kiesraubbau zu stoppen, sollten unsere Parteien Regierungsverantwortung erlangen“, schreibt Schneider. Der Partei der Grünen und damit auch Neubaur als Wirtschaftsministerin sei dieses Privileg seit mehr als zwei Jahren vergönnt. „Jedoch verfestigt sich der Eindruck bereits zur Halbzeit dieser Wahlperiode, dass die Menschen in den Kiesregionen auch von einer Landesregierung unter Beteiligung der Grünen nicht mehr viel zu erwarten haben“, so Schneider weiter.
Die Wirtschaftsministerin soll nun beantworten, ob dies tatsächlich der Fall ist. Nicht in Form einer kleinen Anfrage, für die sie eine Vier-Wochen-Frist einhalten müsste, sondern in Form eines einfachen Briefes, quasi als eine Art informellen Austausch.
Ob René Schneider die Antworten gefallen, bleibt abzuwarten. Vor allem die Umsetzung der Rohstoffabgabe schien eingeschlafen zu sein. Seitdem das Umweltministerium mit der Umsetzung betraut wurde, ist es merklich still um die Materie geworden. „Zur Rohstoffabgabe finden aktuell Abstimmungen innerhalb der Landesregierung statt“, schreibt das Ministerium auf Anfrage. Ursprünglich hätte die Abgabe am 1. Januar in Kraft treten sollen. Allerdings ist es kein Geheimnis, dass besonders die CDU mit der Vorstellung fremdelt, der NRW-Industrie mit einer bundesweit isolierten Sondersteuer einen Wettbewerbsnachteil zu verschaffen.
Noch kein Verhandlungstermin vor dem OVG
Für die Klage des Kreises Wesel und seiner sechs Kommunen gegen den Regionalplan Ruhr vor dem Oberverwaltungsgericht Münster gibt es noch keinen Verhandlungstermin. Momentan würden noch Schriftsätze zwischen den Verhandlungsparteien gewechselt, heißt es auf Nachfrage. Außerdem habe das Verfahren den Senat gewechselt.
Eine Rolle spielt außerdem, dass Kreis und Kommunen die Klage unmittelbar nach der Rechtskraft des Regionalplans eingereicht hatten, obwohl sie für die Klage ein Jahr Zeit gehabt hätten.
Auch bei den anderen Zielen ist die Landesregierung stumm. Über die Änderungen des Landesentwicklungsplans erfährt man ausschließlich im Zusammenhang mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Der Degressionspfad kommt im politischen Vokabular der Landesregierung seit langer Zeit gar nicht mehr vor.
„Wichtige Weichenstellungen werden immer weiter aufgeschoben“, schreibt deshalb auch René Schneider. Dabei sei es dringend erforderlich, zügig Planbarkeit herzustellen. „Die Kiesunternehmen pausieren in der Zwischenzeit schließlich nicht, sondern sichern sich weiter Abgrabungsstellen.“ Umso wichtiger sei es, dass die Landespolitik endlich ihren Ankündigungen nachkommt und einen rechtssicheren Rahmen für die Degression schaffe. Der Entwurf für einen geänderten Landesentwicklungsplan sei ursprünglich für Anfang dieses Jahres vorgesehen. „Inzwischen drängt sich für mich die Frage in aller Deutlichkeit auf: Können die Bürgerinnen und Bürger unter Ihrer Führung noch den Einstieg in den Ausstieg aus dem hemmungslosen Kiesabbau am Niederrhein erwarten?“