Neukirchen-Vluyn. Beim Infoabend der Firma Hülskens machten viele Bürger ihrer Empörung über die Pläne in Neukirchen-Vluyn Luft. Was sie besonders ärgerte.
Es war eine Art Werbeveranstaltung mit bunten Bildern. Das Kies-Unternehmen Hülskens Holding hatte am Mittwochnachmittag drei Vertreter entsandt, um den Bürgern das neue 60-Hektar-Abgrabungsprojekt unterhalb der Halde Norddeutschland schmackhaft zu machen. Genauer gesagt, die heile Welt einer künftigen „Donkensee“-Landschaft, so der Titel bei Hülskens. Diese könnte in 20, 30 Jahren nach dem Kiesabbau entstehen.
Trotz des Termins in den Sommerferien kamen gut 30 Interessierte, die den Hülskens-Vertretern kräftig Kontra gaben. Eine Abgrabung und den anschließenden „Donkensee“ wollte keiner. Von Augenwischerei und gar vom Ausverkauf der niederrheinischen Heimat und Landschaft war da die Rede. Unter den Zuhörern auch die Bürgermeister Ralf Köpke (Neukirchen-Vluyn) und Christoph Landscheidt (Kamp-Lintfort) sowie Altbürgermeister Bernd Böing (Neukirchen-Vluyn).
Kiesabbau: Zwei Bürgerinitiativen gibt es bereits
Hintergrund: Das Unternehmen Hülskens will 60 Hektar Land zwischen dem Parkplatz der Halde Norddeutschland und der Lintforter Straße über rund 25 Jahre auskiesen. Erste Probebohrungen finden derzeit statt. Abbaupläne über weitere 120 Hektar sind durch das Regionalparlament in Essen seit 2023 vorerst vom Tisch. Gegen die Auskiesung läuft eine Klage des Kreises Wesel mit sechs Kommunen (u.a. wir4) vor dem Oberverwaltungsgericht Münster. Zudem will die Stadt einen Weg, der mitten durch die Kiesfläche führt, nicht verkaufen. Zwei Bürgerinitiativen gründeten sich bereits. Und: Eine weitere Klage der Kommunen im Fall einer Planfeststellung durch den Kreis Wesel wäre zudem noch möglich.
Man wolle in den Dialog kommen und die Wünsche der Bürger abfragen, hieß es zur Begründung des Treffens im KuCa. Hülskens-Justiziar Wolfgang Spittka betonte: Nicht die Kiesfirmen, sondern die Politik und der Regionalplan Ruhr legten die Kiesflächen fest. Zudem sei man verpflichtet, das Gelände anschließend zu rekultivieren. Man biete aber an (mit Blick auf die bunten Pläne an der Wand des KuCa), noch so einiges on top zu erschaffen. Geschäftsführer Christian Strunk verwies hier auf die spätere große Wasserfläche mit Seebühne für Kultur, Skulpturenpark, Hundestrand, Seilbahn, Radwegen, Reitwegen… Ähnlich der Xantener Südsee. Man wolle „den Menschen einen Raum zur Nutzung geben“.
Xantener Südsee als abschreckendes Beispiel
Einige Bürger fragten, was sei, wenn Hülskens in den kommenden Jahrzehnten pleite ginge. Strunk: Solches werde nicht geschehen. Und Verpflichtungen gingen an Nachfolger vertraglich weiter. Ein anderer merkte an: Die bekannte desolate Lage der Xantener Südsee und der dortige Zuschussbedarf seien wohl eher ein abschreckendes Beispiel. Und: „Bis heute schauen wir auf eine Zechenbrache, die auch mal schön werden sollte.“
Wieso man schon mit Bohrungen angefangen habe, wenn die Klage der Kommunen noch anderthalb Jahre dauern könne, wollte Alexandra Nolte von der Bürgerinitiative Das Pinke Kreuz wissen. „Der Regionalplan ist ja beschlossen. Es ist legitim, wenn wir beginnen“, so Christian Strunk. Hülskens-Pressesprecher Ingo Thielen: „Erst müssen wir alle Gutachten für das Verfahren beim Kreis Wesel eingereicht haben. Das dauert noch. Die Bagger kommen noch nicht.“
Auch Bürgermeister aus Neukirchen-Vluyn und Kamp-Lintfort vor Ort
Was geschehe, wenn die Klage der Kommunen Erfolg habe, wollte ein Bürger wissen. Der Justiziar: Ohne Regionalplan könne man dann überall in der Stadt Kies abbauen. Da ließ sich Bürgermeister Landscheidt im Publikum hinreißen: „Das ist doch blanker Unsinn!“ meinte er laut. Worauf Ingo Thielen schnell das Thema und den Redner wechselte.
Auch Ratsfrau Elisabeth Wannenmacher hielt nicht an sich: „Dass sie mit den ausgesuchten Flächen nichts zu tun haben, stimmt doch gar nicht! Sie wollen uns hier mit den schönen Bilden gewinnen. Aber der Bürger muss das alles im Anschluss bezahlen.“ So fürchtete eine andere Teilnehmerin auch schon weitere Steuererhöhungen. Zumal Pressesprecher Thielen einräumte, das Unternehmen schaffe nur die baulichen Voraussetzungen, sei aber nicht der Betreiber von künftigen Einrichtungen.
Hülskens übt Vorwürfe an den Städten
„Wir versuchen ein Konzept zu erstellen, mit dem wir alle leben können“, unterstrich Wolfgang Spittka. Man mache lediglich Vorschläge auf dem Papier. Weitere Frage: Ob Hülskens gegen einen negativen Bescheid aus Wesel klagen würde: „Das haben wir noch nie gemacht“, so Spittka.
Vorwürfe an die Städte vonseiten Hülskens gab‘s auch: Sie könnten etwas besser arbeiten, ließ Christian Strunk (einstmals Bürgermeister von Xanten) einfließen. – „Das ist eine Unverschämtheit. Sie haben das Pferd gewechselt und sitzen im Kies“, empörte sich eine Anwesende prompt.
„Unsere Heimat blutet aus, damit andere Profit machen können“
Und noch eine Wortmeldung, von Beifall begleitet: „Unsere Heimat blutet aus, damit andere Profit machen können.“ So könne man das sehen; aber am Ende des Tages wolle man das Beste aus der Sache machen, räumte Strunk ein. Anmerkung Wolfgang Spittkas: Wenn man sich mit den Bürgern und Kommunen einige, gehe das Verfahren schneller voran. Danach sieht es in Neukirchen-Vluyn bisher nicht aus.