Kreis Wesel. In Köln hat man schon lange Erfahrung, was fehlende Steuerung auslösen kann. Im Kreis Wesel herrscht indes Funkstille zwischen den Parteien.
Reden hilft. Dieses Prinzip ist im Streit um den Kiesabbau im Kreis Wesel verschwunden. Kiesgegner und Kiesunternehmen sowie Verbände stehen sich unvereinbar gegenüber. Beide haben sie ihre Argumente. Diskutiert werden sie aber nicht gemeinsam. Was die Frage aufwirft, wie das Thema weiterlaufen soll, abseits einer Klage, für die es noch keinen Verhandlungstermin gibt, und abgesehen von der Landesregierung, die den Landesentwicklungsplan in Bezug auf den Rohstoffabbau verändern will.
Fakt ist, dass es einen rechtskräftigen Regionalplan gibt, in dem Kiesabbaugebiete ausgewiesen sind. Daran wird sich zumindest so lange nichts ändern, bis das OVG über die Klage entscheidet. Darauf setzt auch die Firma Hülskens. Deshalb müsse man gemeinsam ins Gespräch kommen, um auf Grundlage des bestehenden Regionalplans einvernehmliche Lösungen zu erzielen, sagt das Unternehmen. So weit die Theorie.
Im Kreis Wesel sind die Kommunen und der Kreis nicht darauf erpicht, mit den Kiesunternehmen zu sprechen. Zu aufgeladen ist das Thema und zu kategorisch ist die Ablehnung. Alle scheinen auf das Oberverwaltungsgericht Münster zu warten.
Kiesabbau ohne Steuerung: Köln als Negativbeispiel
Wann das Gericht den Termin für das Normenkontrollverfahren ansetzt, ist noch nicht klar. Zumal auch ein Urteil zugunsten der klagenden Kommunen und des Kreises nicht automatisch ein Ende der Abgrabungen am Niederrhein bedeuten würde. Womöglich sogar im Gegenteil, sagen die Kiesunternehmen. Denn kippt das Gericht den Regionalplan, entweder komplett oder nur zum Teil, falle eine Steuerung der Kiesflächen weg, womöglich über Jahre, in denen der Regionalverband einen neuen Regionalplan aufstellt oder eine neue Flächenkulisse ausweist. In der Zeit könnten Kiesunternehmen Abbauanträge für beliebige Flächen stellen. Auch für solche, die im Regionalplan gar nicht für den Kiesabbau vorgesehen waren.
Als Beispiel führen sie den Regierungsbezirk Köln an. Dort ist die Konzentrationswirkung der Abgrabungsbereiche im Regionalplan vor rund zehn Jahren per Gericht aberkannt worden. Die Bezirksregierung Köln bestätigt auf Nachfrage, dass die Abgrabungen dort seitdem „regionalplanerisch weitgehend ungesteuert“ geschehen.
„In der Folge sind in den letzten Jahren mitunter Abgrabungen an Standorten entstanden, die aus regionalplanerischer, kommunaler oder fachplanerischer Sicht eigentlich nicht favorisiert worden wären“, so die Bezirksregierung. „Das Konfliktpotential ist erheblich“, heißt es weiter und bietet einen Vorgeschmack darauf, was den Kreis Wesel erwarten könnte.
Hier herrscht unterdessen weitgehende Funkstille. Was Hülskens gerne ändern würde.
Das Kiesunternehmen möchte in Neukirchen-Vluyn und in Rheinberg neue Gebiete für den Abbau erschließen. Der Scoping-Termin als Auftakt hat stattgefunden. Dass ihr Widerstand entgegenschlägt, damit kann die Weseler Firma leben. Allerdings beklagt sie ein Kommunikationsvakuum, in dem oftmals mit falschen Behauptungen hantiert werde, sagen Geschäftsführer Christian Strunk, Justiziar Wolfgang Spittka und Sprecher Ingo Thielen.
Sie beziehen sich auf die Abgrabungsfläche in Neukirchen-Vluyn, an der Halde Norddeutschland gelegen und mit dem Namen „Donkensee“ bereits emotional aufgeladen. Die Initiative „Das Pinke Kreuz“ und Bürgermeister Ralf Köpke haben die Pläne für das 60 Hektar große Areal kritisiert. Kurzsichtige Planung, mangelnde Bürgerbeteiligung, kein genaues Finanzierungskonzept, werfen sie Hülskens vor und befürchten, dass Steuergelder eingesetzt werden müssen, um das Baggerloch für eine Freizeitnutzung zugänglich zu machen. Bislang gebe es nur bunte Bilder und keinerlei Fakten.
Hülskens widerspricht. Man habe das Konzept für die Nachnutzung bereits vor zwei Jahren verschickt und veröffentlicht, „verbunden mit einem entsprechenden Diskussionsangebot“, sagt Wolfgang Spittka. Man habe von vornherein ins Gespräch kommen wollen, um gemeinsam etwas zu entwickeln, sei aber nach anfänglichen Gesprächen auf Ablehnung gestoßen.
Das Konzept zeige, dass man eine „abschnittsweise Rekultivierung“ parallel zur Abgrabung vorschlage, die sich von der Halde wegbewege. Dass Steuergelder für die Nachnutzung anfallen könnten, sei nicht richtig, weil Unternehmen rechtlich zur Rekultivierung verpflichtet seien. Klar sei aber, dass man nicht bis „zum Sanktnimmerleinstag“ für die Pflege der rekultivierten Fläche zuständig sei und dass vor allem eine Seilbahn oder eine Seebühne nicht ohne Investoren zu stemmen seien. Dafür müsse man sich an einen Tisch setzen. Und ebenso sei der Name „Donkensee“ nicht in Stein gemeißelt. Er könne auch anders heißen.
Kiesflächenausweisung: In Köln ist ein Teilplan möglich
Neukirchen-Vluyns Bürgermeister Ralf Köpke bestätigt die anfänglichen Gespräche mit Hülskens vor zwei Jahren, sagt aber, dass das OVG-Urteil zum Landesentwicklungsplan für neue Entwicklungen gesorgt habe. Bekanntlich musste der RVR die Flächenkulisse anpassen und den Regionalplanentwurf erneut offenlegen. Beides sei zu dem Zeitpunkt noch nicht erfolgt, als Hülskens auf ihn erneut zugekommen sei. „Die wollten mit uns über die Nachnutzung sprechen, bevor es in die zweite Offenlage ging und eine konkrete Flächenkulisse feststand“, sagt Köpke, der auch jetzt keinen Gesprächsbedarf hat.
Er habe durch Ratsbeschluss einen klaren Auftrag: „Den Kiesabbau an der Halde zu verhindern.“ Außerdem habe das Oberverwaltungsgericht Münster vor zwei Jahren bereits einen Urteil zugunsten der Kommunen und Kreise gefällt, so Köpke. Daher „hoffe ich auf das OVG“.
In Köln arbeitet die Regionalplanung derzeit übrigens an einem Teilplan für nichtenergetische Rohstoffe , mit dem „die räumliche Steuerungswirkung weitgehend wiederhergestellt“ werden soll. Der zweite Planentwurf ging am vergangenen Freitag durch den Regionalrat. Einstimmig.