Kreis Wesel. Warnung des VdK-Vorsitzenden Horst Vöge: Pflegekosten drängen Bürger in die Sozialhilfe, der Eigenanteil an Pflegeheimen ist kaum aufzubringen.
Pflege macht arm, sagt der VdK am Niederrhein. Dessen Vorsitzender Horst Vöge warnt vor der aktuellen Entwicklung und fordert dringend ein Umsteuern der Politik: Vöge zitiert eine aktuelle Auswertung des Verbandes der Ersatzkassen, nach der Pflegebedürftige in NRW bis zu 3200 Euro Eigenanteil bei stationärer Pflege monatlich aufbringen müssen. Das sei im Ländervergleich der höchste bundesweit. Im Kreis Wesel betrifft es besonders viele Menschen, das ist der demografischen Entwicklung geschuldet: Viele alte und hochaltrige Frauen und Männer leben am Niederrhein und viele Menschen aus den geburtsstarken Jahrgängen kommen demnächst auf das System zu..
Horst Vöge kann das belegen. In NRW gebe es landesweit rund 1,2 Million Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, „,davon etwa 168.000 stationär. Der Kreis Wesel verzeichnet circa 39.000 Pflegebedürftige, davon rund 4800 Menschen in stationären Einrichtungen“, rechnet Vöge vor, der sich auf Zahlen des Statistischen Landesamtes IT NRW bezieht. Wer in einem Pflegeheim lebt, müsse bis zu 3200 Euro aus eigener Tasche aufbringen, jeden Monat. Wer kann das schon angesichts des Rentenniveaus?
Schwierige Perspektiven: Fachkräftemangel und überforderte Angehörige
Kaum jemand. „Wenn die Pflegebedürftigen dazu nicht in der Lage sind, kommen Angehörige, beziehungsweise die öffentliche Hand, dafür auf“, erläutert Vöge. Als Ursache für diese immensen Summen nennt er stetig steigende Personal - und Sachkosten. Diese könnten schon längst nicht mehr durch staatliche Hilfen gedeckt werden. Doch nicht jeder hat eine wohlhabende Familie als Rückendeckung: Ohne selbst Einfluss darauf zu haben, rutschen auf diese Weise viele pflegebedürftige Menschen in die Sozialhilfe ab. Vöge bringt es wiederholt auf den Punkt: „Pflege macht arm!“
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Der Kreis Wesel gehört zu den Kreisen, in dem die demografische Entwicklung zu einem höheren Anteil älter werdende Menschen besonders stark ist. Die Zunahme zeigt sich besonders im Alter von 80 Jahren und mehr. In diesem Alter beginne häufig die Pflegebedürftigkeit, sagt Vöge und er sorgt sich um die Zukunft in der Pflege.
„Über die Finanzierung einer Pflegevollversicherung müssen wir noch heftig streiten“
Die Perspektiven sind eher schwierig. Einerseits nennt er den allgegenwärtigen Fachkräftemangel, der gerade im Pflegebereich deutlich zu spüren sei. Das werde sich auch in Zukunft kaum ändern. Und: „Viele Angehörige werden sich stationäre Pflege nicht mehr leisten können“, so der Vorsitzende des VdK Niederrhein, das ist schon heute häufig der Fall. Und es hat Folgen für die Familien. Auch in schwierigen Fällen, die eigentlich professionelle Kräfte erforderten, werde sich Pflege künftig noch mehr zu Hause abspielen. „Mit einem gehörigen Maß an Selbstaufopferung der Angehörigen. Auch Pflege zu Hause führt zu Überforderungen, Erkrankungen und Altersarmut. Hier sind besonders Frauen betroffen, die bis zu 80 Prozent der häuslichen Pflege bewerkstelligen.“
VdK sieht die Pflegevollversicherung als einzigen Ausweg
Düstere Aussichten, doch hat der Sozialverband VdK Lösungsansätze? „Wir sehen die Pflegevollversicherung als einzigen Ausweg“, sagt Horst Vöge, damit würde etwa der Eigenanteil an der stationären Pflege entfallen, Familien, aber auch Kommunen von diesen Kosten entlastet werden. Letztere müssen aktuell noch einspringen, wenn Pflegebedürftige oder ihre Angehörigen das Geld nicht aufbringen können, eine enorme Belastung der kommunalen Haushalte. Pflegekosten gehören zur Grundsicherung in einer alternden Gesellschaft, so der VdK. . Über die Finanzierung einer solchen Vollversicherung allerdings „müssen wir noch heftig streiten“, sagt er. Allein über die Beiträge sei das nicht zu stemmen, Vöge denkt an die Bereiche Erbschafts-, Vermögens- und Finanztransaktionssteuer etwa. „Auch im Kreis Wesel gibt es zahlreiche Einkommensmillionäre.“
Doch selbst, wenn die Vollversicherung käme: Gibt es genug Heimplätze? „Es gibt zu wenig Heime, aber es fehlen weiter die Fachkräfte“, sagt Vöge. Viele von ihnen gehörten selbst der Baby-Boomer Generation an, es muss Nachwuchs her, der Beruf müsse attraktiv bleiben.
Für die Pflege zuhause fordert der Sozialverband, dass pflegende Angehörige unterstützt werden müssen. Sie sollen nicht selbst in die Armut gleiten. Um das zu bewerkstelligen, müssen sie Lohnersatzleistungen erhalten, so der VdK. Diese Hilfe müsse nun dringend kommen. Zudem müsse das Angebot an Kurzzeit- und Tagespflege ausgebaut werden, damit die pflegenden Angehörigen spürbar entlastet werden.