Kreis Wesel. Auf Strecken, die der Bus nicht fährt, übernehmen Taxen die Fahrt. Vier Städte im Kreis Wesel testen das On-Demand-System. Mit Erfolg.

Auf der Suche nach Lösungen, die die Lücken im Nahverkehr zumindest teilweise schließen, könnten vier Städte im Kreis Wesel fündig geworden sein. Moers, Kamp-Lintfort, Rheinberg und Neukirchen-Vluyn, die sich zur Wirtschaftsregion Wir4 zusammengeschlossen haben, testen seit rund einem Jahr ein On-Demand-System, quasi als Nahverkehr auf Bestellung. Taxen auf Abruf schließen die Lücken auf Strecken, die weder der Linienverkehr noch Bürgerbusse bedienen.

Die Federführung des Projektes, das vom Umweltministerium gefördert wird, hat die Stadt Neukirchen-Vluyn übernommen. Deren Klimaschutzmanagerin, Ingrid van Eerde, stellte das System jetzt im Mobilitätsausschuss des Kreises vor, lieferte eine erstaunliche Erfolgskurve der vergangenen sechs Monate und beeindruckte damit die Mitglieder nachhaltig, die sich anschließend fragten, wie man das Angebot mit dem Namen „Odi Wir 4“ auf weitere Teile des Kreises ausweiten könnte.

Taxi auf Abruf im Kreis Wesel: Pilotprojekt liefert starke Zahlen

Rund 250 Quadratkilometer mit etwa 200.000 Einwohnern deckt das System in den vier Städten ab. Die Bestellung erfolgt über eine App oder telefonisch, die Fahrpreise orientieren sich am ÖPNV-Tarif, beginnend bei 3,20 Euro pro Strecke. Der Höchstbetrag liegt bei 14,20 Euro für Fahrten ab 20 Kilometer.

Den Förderbescheid des Landes über 75 Prozent der Gesamtkosten hatten die Wir4-Städte seit 2020 auf dem Tisch liegen. Ehe die Pilotphase im vergangenen Mai starten konnte, mussten zunächst die digitale Infrastruktur stehen sowie Taxi- und Mietwagenunternehmen als Kooperationspartner und Subunternehmen gewonnen werden. Und nachdem sich das System in den ersten Monaten einspielen musste, nahm das Projekt ab Januar deutlich Fahrt auf.

Von Anfang Januar bis Mitte Juni dieses Jahres hätten 7693 Fahrgäste Odi genutzt, sagte Ingrid van Eerde im Ausschuss. Der bislang beste Tag sei der 8. Juni mit 83 Fahrten und 142 Fahrgästen gewesen. Die Auslastung sei gleichmäßig mit einem leichten Anstieg an Freitagen und Samstagen.

Der Fuchs ist das Maskottchen des ODI wir4mobil. Die Mitglieder des Mobilitätsausschusses waren beeindruckt von den starken Zahlen des Projektes, das noch bis Ende des Jahres gefördert wird.
Der Fuchs ist das Maskottchen des ODI wir4mobil. Die Mitglieder des Mobilitätsausschusses waren beeindruckt von den starken Zahlen des Projektes, das noch bis Ende des Jahres gefördert wird. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Rund 94 Prozent der Buchungen kämen über die App, 48 Prozent der Kundinnen und Kunden hätten das Angebot bereits mindestens dreimal genutzt und sorgten so für eine Etablierung des On-Demand-Systems, das laut van Eerde ausdrücklich keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung zum Linienverkehr und auch zu den Bürgerbussen sein soll. Genauso wenig zu den Taxi- und Mietwagenunternehmen, die ja als Kooperationspartner dabei sind. So gebe es keinen Haus-zu-Haus-Transport und keine Haltestellenbindungen. Es geht ausschließlich um Fahrtstrecken ohne weitere Anbindung.

Die durchschnittliche Bewertung der Fahrten liegt laut Ingrid van Eerde bei 4,8 von fünf Sternen. Die Ausschussmitglieder quittierten die ausgesprochen guten Zahlen mit einigem Erstaunen und waren beeindruckt von der Erfolgskurve, die das Projekt in den vergangenen sechs Monaten geschrieben hat. Die große Frage, die im Raum stand: Ist dieses System auf weitere Kommunen im Kreis Wesel erweiterbar?

Ist es, sagte Klimaschutzmanagerin van Eerde. Allerdings müsse man neue Kooperationspartner in den jeweiligen Kommunen hinzugewinnen. Viel Überzeugungsarbeit, die sich aber lohne. So sei die Skepsis der Mobilitätsunternehmen aus den Wir4-Städten „komplett gewichen“, sagte Ingrid van Eerde auf Nachfrage von SPD-Ratsfrau Doris Beer, die sich an die Vorbehalte erinnerte, die Taxi- und Verkehrsunternehmen zu Beginn des Projektes hatten.

Angebot gilt bislang bis 1 Uhr

Die CDU-Fraktion wollte wissen, ob es denkbar ist, das Odi-System an den Wochenende auch länger anzubieten. Bislang gilt das Angebot bis 1 Uhr nachts. Doch vor allem für jüngere Menschen wäre das On-Demand-System nach durchfeierten Nächten sinnvoll. Man denke darüber nach, sagte Ingrid van Eerde. Allerdings sorge dies für Mehrkosten. Außerdem trete man dann womöglich in Konkurrenz zu den Taxi- und Mietwagenunternehmen, die jetzt als Kooperationspartner im Boot seien.

Offen ist auch, wie das System nachhaltig finanziert werden kann. Die Förderphase durch Landesmittel endet bereits im Dezember 2024. Wie das Angebot dann weiter gestemmt werden kann, wollte Jürgen Bartsch von der Grünen-Fraktion wissen. Bei einer Ausweitung auf Kreisebene müsse die Verwaltung schließlich überlegen, wie die Kosten aufgefangen werden. „Auch über eine Umlage?“, fragte Bartsch mit Blick auf die ÖPNV-Umlage, die die Kreiskommunen mittlerweile wieder zahlen müssen und die in den meisten Städten und Gemeinden den Haushalt belasten.

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Im Fall der Wir4-Kommunen arbeite man mit den Projektpartnern schon an der konkreten Kostenstruktur, sagte van Eerde. Eines müsse aber klar sein: „Wir reden auch hier vom öffentlichen Personennahverkehr.“ Soll heißen: Kostendeckend werde man auch mit dem On-Demand-System nicht unterwegs sein. Teuer seien vor allem am Anfang der Aufbau der Infrastruktur sowie Werbung und Marketing, um Odi bekannt zu machen. Aber: „Das Angebot überzeugt“, sagte die Klimaschutzmanagerin. Und letztlich komme es auf die Kundinnen und Kunden an, wenn das Projekt fortgesetzt werden solle.

Man müsse die Kostenfrage allerdings losgelöst von der tatsächlichen Funktionalität des Systems diskutieren, forderte CDU-Fraktionschef Frank Berger. In erster Linie gehe es um die Frage, „was wollen wir uns leisten, um die Bürger davon zu überzeugen, das Auto stehen zu lassen?“