Kleve. Jetzt werden über 115.000 Stimmen zum Nationalpark Reichswald gezählt. Dem ersten Bürgerentscheid ging eine grauenvolle Debatte voraus.

In wenigen Tagen wird feststehen, ob sich der Kreis Kleve beim Land Nordrhein-Westfalen für einen zweiten Nationalpark bewirbt oder nicht. Tausende von Menschen haben beim Bürgerentscheid ihre Stimme abgegeben – insofern hatte die extrem polarisierte und aufgeheizte Stimmung vielleicht auch etwas Gutes: Sie hat die Menschen zur Stimmabgabe bewegt.

Auch die Nationalpark-Debatte zeigt: Wir brauchen schärfere Regeln für Online-Plattformen

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Und sonst? - War die Debatte schrecklich. Geprägt von einer hartnäckigen Ignoranz gegenüber Fakten wurden von Anfang an falsche Behauptungen aufgestellt, Halbwahrheiten in die Welt gesetzt und in einer Art und Weise Stimmung gemacht, wie wir es im Kreis Kleve noch nicht erlebt haben. Eine Auswahl?

  • Das Trinkwasser ist nicht gesichert (Was die Stadtwerke-Chefin dazu sagt, steht hier)
  • Alle Zäune im Wald müssen abgebaut werden
  • Man darf seinen Hund nicht mehr ausführen
  • 100 Landwirte müssen wirtschaftliche Einschränkungen hinnehmen
  • Landwirte sollen Land abtreten
  • Das Totholz in einem Nationalpark wirkt wie eine „CO2-Schleuder“
  • Und so weiter und so fort

Die Liste der Behauptungen ist lang (hier geht es zu 12 Behauptungen zum Nationalpark Kleve im Faktencheck) Dabei hätte ein Blick ins Gesetz genügt, um zum Beispiel zu erfahren, dass Hunde schon heute nicht im Wald streunen dürfen und vom 1. April bis 15. Juli an der Leine zu führen sind. Tut aber niemand. 

Andreas Gebbink, Redaktionsleiter der NRZ-Kreisredaktion Kleve.
Andreas Gebbink, Redaktionsleiter der NRZ-Kreisredaktion Kleve. © Funke Foto Services GmbH | Thorsten Lindekamp

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Beunruhigend ist, dass die Methode Trump – die Internetkanäle so lange mit Blödsinn zu fluten, bis keiner mehr weiß, was stimmt und was nicht – auch im Kreis Kleve funktioniert. Und sie wird vermutlich auch bei der nächsten Bundestagswahl funktionieren – nur dann mit anderen Themen.

Dieses Kernproblem, der vergiftete Marktplatz unserer Demokratie, muss angegangen werden: Es braucht schärfere Regeln für Online-Plattformen, publizistische Verantwortung auch für Administratoren öffentlicher Facebook-Gruppen.

Abseits des Bürgerentscheids: Es fehlt ein vernünftiger Austausch

Demokratie lebt nicht allein von Abstimmungen an der Wahlurne. Für den Philosophen Jürgen Habermas ist eine „deliberative Politik“, der vernunftbasierte Austausch gegensätzlicher Argumente, eine wesentliche Voraussetzung für unser demokratisches Miteinander. Die Nationalpark-Debatte im Kreis Kleve hat gezeigt: Diese Existenzvoraussetzung ist in Gefahr: „Plattformen liefern keinen Ersatz für eine professionelle und diskursive Prüfung von Inhalten anhand allgemein anerkannter kognitiver Maßstäbe“, so Habermas. So ist es.