Essen-Südostviertel. Historisches Wohnhaus an der Schinkelstraße in Essen soll einem Schulneubau weichen. Nachbarn wollen das noch verhindern, notfalls vor Gericht.
Der Abriss der knapp 100 Jahre alten Villa im Essener Moltkeviertel, die dem Neubau einer städtischen Grundschule im ehemaligen Bundesbank-Gebäude an der Moltkestraße weichen soll, ist beschlossene Sache. Schon Ende November sollen die Abrissarbeiten an der Schinkelstraße 38 starten. Damit wollen sich Nachbarn nicht abfinden und kämpfen weiter für den Erhalt des Gebäudes – auch mit juristischen Mitteln.
Die Stadt hatte das Gebäude gekauft, den letzten verbliebenen Mietern wurde gekündigt. Nachbarn hatten daraufhin eine Aktionsgemeinschaft gegründet, um den Abriss des Wohnhauses zu verhindern. Sie argumentieren dabei vor allem mit dem architektonisch besonderen Gesamtbild im Moltkeviertel, das durch eine Erhaltungssatzung geschützt ist.
Vor allem die Schinkelstraße und die kreuzende Semperstraße sind noch geprägt von gutbürgerlichen bis großbürgerlichen Villen, die zwischen 1910 und den 1920er Jahren entstanden, als das Moltkeviertel auf Basis des visionären Vorstellungen des bedeutenden Städteplaners Robert Schmidt entstand und sich durch Reformarchitektur auszeichnete.
Der Bombenkrieg führte zwar zu einigen Verlusten, jedoch blieb die Grundsubstanz und der Charakter des Viertels erhalten. In unmittelbarer Nähe des Abrisshauses steht an der Schinkelstraße 34 die Villa, in der einst Bundespräsident Gustav Heinemann mit seiner Familie lebte. Sie steht unter Denkmalschutz.
Die Villa im Essener Moltkeviertel soll in Kürze abgerissen werden
Es geht jedoch nicht nur um den Erhalt des historischen Ensembles in Gänze, sondern auch um eine mögliche Wertminderung von Nachbargebäuden. „Meine Mutter hat einen Rechtsanwalt beauftragt und will den Abriss des Nachbarhauses durch die Stadt im Eilverfahren per Gericht stoppen lassen“, sagt Stephan Witte, dessen Eltern an der Schinkelstraße 36 leben, also unmittelbar neben der vom Abriss bedrohten Villa.
Sein Vater Klaus Witte, selbst Rechtsanwalt, ist Sprecher der Aktionsgemeinschaft Moltkeviertel/Neu, die sich im Frühsommer gegründet hatte. Damals hatten die Nachbarn durch Zufall erfahren, dass die Stadt das ehemalige Bundesbank-Gebäude zur Schule umbauen will und dafür die ehemalige Direktoren-Villa an der Schinkelstraße weichen soll.
Die Anwohner hatten bei ihrem Anliegen auf Unterstützung durch Oberbürgermeister Thomas Kufen gehofft. Dass der Abriss der Villa, beziehungsweise die Vorbereitung dazu, nun schon am 25. November starten soll und ein Gesprächstermin mit dem OB erst für den 3. Dezember angesetzt ist, sorgt für Unverständnis, Ärger und große Enttäuschung bei den Betroffenen, wie Stephan Witte erklärt. „Was bringt ein solcher Termin, wenn man vorher schon Tatsachen schafft?“, fragt er.
Nachbarn in Essen fürchten um das Gesamtbild des Ensembles
Die Anwohner hatten sich nicht gegen die Schulbaupläne der Stadt generell, sondern gegen die Art der geplanten Umsetzung gewandt. Sie fühlten sich schlecht informiert. Zu spät hatten sie ihrer Ansicht nach erfahren, dass die Stadt das ehemalige Bundesbank-Gebäude für rund 36 Millionen Euro entkernen, aufstocken, erweitern und so in eine tatsächlich dringend benötigte Grundschule für 416 Kinder im Raum Rüttenscheid verwandeln will.
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Laut Stadt sind die Anwohner über die Pläne informiert worden. Die Mitglieder der Aktionsgemeinschaft waren am 31. Oktober zu einem umfassenden Termin mit der Stadtverwaltung eingeladen, in dem allen Anwesenden detailliert das Vorhaben für die Errichtung einer vierzügigen Grundschule erläutert wurde, teilt Burkhard Leise vom Stadtpresseamt mit.
Bei dem Termin sei erläutert worden, dass das Gebäude an der Schinkelstraße 38 als Schule ungeeignet und eine Schulnutzung grundsätzlich – unter anderem aufgrund der Brandschutzanforderungen, der Schulbauleitlinie und den Vorgaben zur Unfallverhütung der DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) – nicht zulässig sei.
Die Stadt Essen hat das Gebäude als ungeeignet für die Schulnutzung eingestuft
Auch die Nebenräume seien, beispielsweise für Lehrerzimmer, ungeeignet. „Die Räume sind zu klein, um dort Unterricht oder auch die Betreuung im Ganztag zu gewährleisten“, so Leise. Die Villa sei in den letzten Jahren nicht instandgehalten worden. Auch die statischen Anforderungen für eine Schulnutzung seien nicht gegeben. Die Raumhöhen sowie die Schulhofflächen reichten ebenfalls nicht für eine schulische Nutzung.
„Dementsprechend sind Umbau und die Erweiterung des ehemaligen Bundesbankgebäudes erforderlich. Aufgrund der erforderlichen Freiflächen auf dem Schulhof und auch aus baurechtlichen Gründen kann die nicht unter Denkmalschutz stehende Villa nicht erhalten werden“, so Leise. Die Abrissgenehmigung gemäß der Erhaltungssatzung liege inzwischen vor. „Die Arbeiten hierzu sollen am 25. November starten. Wann genau der eigentliche Abriss beginnt, ist schwer zu sagen“, so der Stadtsprecher.
Der Oberbürgermeister steht laut Stadt Essen für weitere Gespräche zur Verfügung
„Auch wenn das Vorhaben wie beschrieben bereits erläutert wurde, steht Oberbürgermeister Kufen dennoch den Interessierten für das erwähnte Gespräch, das aufgrund terminlicher Gründe auf Anfang Dezember gesetzt wurde, für Fragen zur Verfügung“, heißt es in der Stellungnahme der Stadt. Was die Nachbarn von diesem Termin halten, habe sie allerdings bereits deutlich gemacht.
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