Essen-Südostviertel. Im Essener Moltkeviertel hat sich eine Aktionsgemeinschaft für den Erhalt eines besonderen Hauses gegründet. Das sagt die Stadt dazu.

Große Verunsicherung herrscht aktuell bei Bewohnern und Bewohnerinnen des Essener Moltkeviertels: Sie haben Angst, dass das Mehrfamilienhaus an der Schinkelstraße 38 weichen soll. Hintergrund: Eine Nachbarin hat nach eigenen Angaben Pläne gesehen, wonach der Bereich Moltkestraße/Schinkelstraße mit dem ehemaligen Bundesbank-Gebäude offenbar als Standort für eine geplante neue Grundschule im Gespräch ist.

Die Nachbarn im Essener Moltkeviertel sind verunsichert und fürchten den Abriss eines Hauses

Die Stadt reagiert auf eine entsprechende Anfrage dieser Redaktion zurückhaltend: Das Presseamt befinde sich im Austausch mit dem Planungsamt und der Stabsstelle Projektkoordination, die federführend die Ausschreibung der Grundschule im Großraum Rüttenscheid betreue. „Allerdings sind wir hierzu aktuell noch nicht sprechreif“, so Stadtsprecher Burkhard Leise.

Die Nachbarn im Essener Moltkeviertel sorgen sich um das Wohnhaus an der Schinkelstraße 38.
Die Nachbarn im Essener Moltkeviertel sorgen sich um das Wohnhaus an der Schinkelstraße 38. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Bei der Ermittlung des Flächenbedarfs für eine entsprechende Grundschule im Großraum Rüttenscheid handele es sich um eine aktuell laufende europaweite Ausschreibung. „Aufgrund des laufenden Prozesses sind keine Auskünfte hierzu derzeit möglich.“ Auch eine Anfrage bei der Kölbl Group, laut der Mieter aktuelle Eigentümerin der betroffenen Grundstücke und Gebäude, blieb bisher unbeantwortet.

Nicht nur das Ehepaar, das seit 21 Jahren in dem Haus an der Schinkelstraße 38 lebt und seinen Namen nicht in dem Artikel lesen möchte, sorgt sich um sein Zuhause. Die Nachbarn haben auch Angst um das Gesamtbild des architektonisch besonders gestalteten Stadtviertels. Sie sind zudem der Ansicht, dass die aktuelle Infrastruktur nicht noch mehr Verkehr, wie er von einer Schule ausgehen würde, verkraften könne. Deshalb haben sie eine Aktionsgemeinschaft gegründet und gehen auf die Straße.

Im Essener Moltkeviertel wird über einen möglichen Schulneubau spekuliert

So kamen gut 30 Anwohnerinnen und Anwohner zu einem Ortstermin mit dieser Redaktion zusammen, um ihre Befürchtungen deutlich zu machen. Sie wollen kämpfen, wie in den 1980er Jahren, als es schon einmal um den Abriss des Hauses ging. „Wir haben das Haus damals gerettet“, sind die Nachbarn überzeugt.

Seit rund zwei Wochen ist die Aufregung wieder groß vor Ort. In dem Gespräch an der Kreuzung Moltke-/Schinkelstraße sei es um die künftige Nutzung des Areals gegangen, so die Anwohnerin (Name der Redaktion bekannt). Sie habe sich eingemischt und nachgefragt. Beteiligt gewesen seien ein Mann, dessen Funktion sie nicht habe ergründen können, und die Mieter des betroffenen Hauses. Dabei habe sie auch in die Pläne schauen können, die der Mann in der Hand hielt.

Danach müsse das Wohnhaus möglicherweise für eine schulische Nutzung des Areals weichen, schildert sie ihre Eindrücke. Beim ehemaligen Bankgebäude soll dem Vernehmen nach das für das Moltkeviertel typische Dach abgetragen und durch ein Flachdach ersetzt werden.

Die Nachbarin konnte nach eigenen Angaben Details auf den Plänen erkennen

Das Haus soll offenbar entkernt und durch „viereckige, quaderförmige Aufstockungen“ ergänzt werden. So jedenfalls formuliert es Rechtsanwalt Klaus Witte, Sprecher der Aktionsgemeinschaft, in seinem Schreiben an Oberbürgermeister Thomas Kufen, den Düsseldorfer Regierungspräsidenten und die LVR-Denkmalpflege. Das Schreiben liegt dieser Redaktion vor. Die große alte Platane vor dem Gebäude, ein Naturdenkmal, solle aber wohl erhalten bleiben.

Unterstützung erhält die Aktionsgemeinschaft von örtlichen Vereinen wie Bürgerverein und „Kunst am Moltkeplatz“. Auch Politiker wolle man noch ansprechen, so Klaus Witte, der sich nach einer angemessenen Frist weitere rechtliche Schritte vorbehält.

Rechtsanwalt Klaus Witte ist Sprecher der Aktionsgemeinschaft Moltkeviertel und wohnt selbst an der Schinkelstraße.
Rechtsanwalt Klaus Witte ist Sprecher der Aktionsgemeinschaft Moltkeviertel und wohnt selbst an der Schinkelstraße. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Die Nachbarn haben inzwischen die Wiederbelebung ihrer Aktionsgemeinschaft aus den 1980er Jahren beschlossen und erwarten von der Stadt Informationen zu möglichen Plänen in ihrem Umfeld. Die Aktionsgemeinschaft Moltkeviertel hat als Nachfolge-Initiative den Namenszusatz „neu“ erhalten, weil sie in der Tradition der früheren Gruppierung steht, so Sprecher Klaus Witte, selbst Nachbar des betroffenen Gebäudes.

Das Haus an der Schinkelstraße 38 wurde im Jahr 1925 errichtet und weist den typischen Gründerzeit-Baustil im Moltkeviertel auf. Es steht etwas versetzt zu den sich anschließenden Gebäuden, was Schallschutz- oder optische Gründe haben könnte, vermuten Anwohner.

Das Wohnhaus an der Schinkelstraße 38 in Essen beherbergte früher offenbar Angestellte der Bundesbank

In dem Haus gibt es drei Wohnungen, die offenbar einst den Beschäftigten der Bank, zum Beispiel den Direktoren, zur Verfügung standen. Heute lebt dort nur noch ein Ehepaar, das die Wohnung im Hochparterre bewohnt und nach eigenen Angaben einen Mietvertrag mit der Kölbl Group hat. „Es gibt den Entwurf eines Aufhebungsvertrags, den wir aber so nicht unterzeichnen werden. Wir wollen hier wohnen bleiben“, sagt der Mieter.

Das ab 1908 von verschiedenen renommierten Architekten entworfene Moltkeviertel zeichnet sich durch seine besondere Gestaltung aus. „Es ist zudem ein Ort der Ruhe und Entspannung“, sagt Witte und verweist auf die künstlerisch-architektonischen Details der Häuser.

Entstanden sei das Viertel im Laufe von 15 Jahren aus zwei großen Höfen, auf deren Grundstücken sich heute die beiden Krankenhäuser Elisabeth-Krankenhaus und Huyssensstift befänden. Die Wiesentäler habe man damals grün gelassen, die Höhen bebaut, teils mit Monumentalgebäuden, aber auch mit Ein- und Mehrfamilienhäusern, gibt Witte einen Überblick über die Geschichte des Viertels.

Das Essener Moltkeviertel zeichnet sich durch eine besondere Architektur aus

Geplant wurde das Moltkeviertel Anfang des 20. Jahrhunderts von dem Essener Beigeordneten Robert Schmidt (1869‒1934) unter bürgerlich-sozial­­reformerischen Gesichts­punkten, mit dem Ziel, unweit der Essener Innenstadt ein Viertel mit hoher Wohnqualität zu schaffen.

Gründerzeithäuser sind typisch für die Architektur des Essener Moltkeviertels.
Gründerzeithäuser sind typisch für die Architektur des Essener Moltkeviertels. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

In einem größeren Gebäude im Bereich Molktestraße in der Nähe der Kreuzung mit der Schinkelstraße war viele Jahre die Essener Filiale der Deutschen Bundesbank untergebracht. Deren Direktoren wohnten laut Witte teilweise nebenan in dem Gebäude Schinkelstraße 38. Die Grundstücke habe die Bank vor rund 40 Jahren gekauft, so Wittes Recherchen. Schon damals habe der Abriss des Wohngebäudes zur Debatte gestanden. „Um sich dagegen zu wehren, hat sich damals die Aktionsgemeinschaft Moltkeviertel gegründet, die am Ende ja auch Erfolg hatte. Seit 1983 gibt es eine Erhaltungssatzung zum Schutz der Siedlung. Deshalb haben wir eigentlich gedacht, wir wären auf der sicheren Seite“, sagt der Rechtsanwalt.

Allerdings bedeutet eine solche Satzung nicht, dass keine Gebäude verändert oder abgerissen werden dürfen, sondern lediglich, dass Veränderungen an den Häusern genehmigungspflichtig sind und somit erschwert werden, wie jüngst noch im Fall der Eyhof-Siedlung in Stadtwald intensiv diskutiert wurde.

Die Bundesbank hatte ihren Essener Sitz 2021 aufgegeben

Die Bundesbank hatte ihre Essener Filiale im Herbst 2021 aufgegeben, um ihre Aktivitäten im Ruhrgebiet in Dortmund zu bündeln. Schon damals war klar: Neben dem einstigen Bankgebäude sollte auch das benachbarte Wohnhaus in der Schinkelstraße 38 mit veräußert werden.

Die Bundesbank-Filiale war seit 1986 in dem Gebäude an der Moltkestraße ansässig. Damals firmierte sie noch unter dem Vorgängernamen Landeszentralbank. Der vorherige Standort in der Lindenallee in der Essener Innenstadt war ihr damals zu klein geworden. So entstand der Neubau an der Moltkestraße, der damals 21 Millionen D-Mark gekostet haben soll. Richtfest war am 13. Februar 1986.

Im Umfeld gibt es bereits ein Berufskolleg und die Internationale Schule Essen

35 Jahre nutzte die Bank das Gebäude, bis sie dort 2021 auszog, seitdem steht es leer. Danach habe laut Klaus Witte das Stadtentwickler-Duo Kölbl Kruse, inzwischen getrennt auf dem Markt aktiv, die Grundstücke und Gebäude an der Moltkestraße erworben.

Anwohner Frank Sandlos vermisst ein Gesamtkonzept für den Bereich, in dem beispielsweise die Parksituation sowieso schon sehr schwierig sei, nicht zuletzt wegen des nahe gelegenen Robert-Schmidt-Berufskollegs und der Internationalen Schule. Bei dem Ortstermin wurde vor allem eines klar: Die Anwohnerinnen und Anwohner wünschen sich, dass „es im Moltkeviertel so schön bleibt, wie es ist“.

  • Die Lokalredaktion Essen ist auch bei WhatsApp! Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Kanal: direkt zum Channel!

Gern gelesen in Essen

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]