Essen. Eike Drees, Sachgebietsleiterin der Lebensmittelüberwachung in Essen, berichtet über Probleme in der Gastro-Branche. Was sie erleben muss.

Die Kontrolleure des Essener Lebensmittelüberwachungsamtes sind Probelme gewöhnt: Bei ihren unangemeldeten Kontrollen in Restaurantküchen und Imbissbuden stoßen sie immer wieder auf schlechte Lebensmittel, altes Frittierfett und mangelhafte Kühlungen, manchmal sogar auf Kakerlaken und Mäusebefall.

Ekel-Verstöße, von denen der Kunde vorne im Gastraum oft gar nichts ahnt. Dr. Eike Drees, die als Tierärztin seit zehn Jahren Sachgebietsleiterin des Essener Lebensmittelüberwachungsamtes ist, kennt ihre Pappenheimer und spricht Klartext: „Es ist nicht mehr feierlich, wie wir belogen werden.“

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Aber was sind die Ursachen für Ekel erregende Missstände und gravierende Verstöße gegen gesetzliche Auflagen? Wer ist verantwortlich für unappetitliche Fehlentwicklungen, die dem zahlenden Gast so unangenehm auf den Magen schlagen? So wie neulich, als Gäste einer Nudelbude bei einer Veranstaltung in der Innenstadt reihenweise unter Erbrechen und Übelkeit litten.

Mangelnde Fachkräfte, blutige Anfänger und skrupellose Betrüger

Wenn Lebensmittelkontrolleure aus ihrem Alltag berichten, kommt einiges zusammen: Sie weisen auf den zunehmenden Fachkräftemangel in der Gastro-Branche an, aber auch auf blutige Anfänger, die keinen Schimmer von den strengen Hygiene- und Gesundheitsauflagen haben.

Beweismaterial fotografiert: Der Rotkohl, den ein Essener Lebensmittelkontrolleur entdeckte, war verdorben.
Beweismaterial fotografiert: Der Rotkohl, den ein Essener Lebensmittelkontrolleur entdeckte, war verdorben. © Lebensmittelüberwachungsamt Essen

Nicht zu vergessen die skrupellosen und profitgierigen Betrüger, die Fleisch mit längst abgelaufenem Haltbarkeitsdatum vorsätzlich in der Pfanne brutzeln, anstelle es – zum Wohle des Gastes – schleunigst zu entsorgen. Immer häufiger fallen auch jene Betriebe unangenehm auf, die wirtschaftlich ums Überleben kämpfen und aus Geldmangel schludern.

Das Essener Lebensmitteluntersuchungsamt hat im Stadtgebiet 6000 Betriebe zu kontrollieren, in denen Lebensmittel verarbeitet werden: von der Dönerbude an der Ecke über den Supermarkt und Kiosk bis hin zum Spitzenrestaurant. Rund 2700 der 6000 Betriebe gehören der Gastro-Sparte an. Was auffällt: Tausend Mal kommt es im Jahr zu einem Betreiberwechsel. Besonders hoch sei die Fluktuation bei Restaurants, Cafés und Imbissbuden. Das Überwachungsamt geht allein hier von 450 Betrieben aus. Die Leiterin hat bei diesen Zahlen ein mulmiges Gefühl. Es sei ein sicheres Indiz dafür, dass die Geschäfte nicht gut laufen.

Von wegen sauber: Beim Blick in die Eiswürfelmaschine stieß ein Essener Lebensmittelkontrolleur auf starke Verunreinigungen.
Von wegen sauber: Beim Blick in die Eiswürfelmaschine stieß ein Essener Lebensmittelkontrolleur auf starke Verunreinigungen. © Lebensmittelüberwachungsamt Essen

Bei Problembetrieben stehen die Essener Kontrolleure alle drei Monate auf der Matte

„Viele gründen einen Betrieb in der irrigen Annahme, dass die Einnahmen gleich Gewinn sind“, sagt Drees. Gastronomisch völlig unerfahrene Leute, die beruflich schon alles mögliche versucht hätten, riskierten den Sprung in die Selbständigkeit – und würden grandios scheitern. Das seien zugleich die Betriebe, die den Kontrolleuren die meiste Arbeit bereiten würden. „Der Kontrollaufwand ist wahnsinnig hoch, deshalb schaffen wir nur die Hälfte davon.“

Bei soliden Betrieben reicht eine einzige Kontrolle innerhalb von zwei bis drei Jahren völlig aus. In Problembetrieben hingegen stehen die Kontrolleure alle drei Monate auf der Matte. Zu den Plankontrollen kämen immer wieder noch Nachkontrollen hinzu.

Gastro-Branche: Wo der Preiskampf ruinös ist, bleiben Hygiene und Qualität auf der Strecke

Ausdrücklich betont das Essener Lebensmittelüberwachungsamt, dass es vorurteilsfrei prüfe, also keinen Unterschied mache etwa zwischen dem deutschstämmigen Gastronomen und einem zugewanderten. Eike Drees erwähnt beispielhaft den Flüchtling, der im erlernten Beruf als Lehrer nicht Fuß fassen könne, da sein Examen hierzulande nicht anerkannt werde. „Weil er dem Staat nicht länger zur Last fallen will, kommt er auf die Idee, ein Restaurant oder einen Imbissbetrieb zu gründen. Er denkt: Kochen kann doch jeder.“ Doch damit fingen die Probleme im Restaurant-Alltag schon an: Denn zum fehlenden Fachwissen käme meistens noch die Sprachbarriere hinzu. Das Scheitern sei fast schon vorprogrammiert.

 
 

Zunehmende Sorgen bereitet den Kontrolleuren der mitunter ruinöse Preiskampf im Gastro-Gewerbe. „Denn wer die Schraube beim Preis nach unten dreht, muss irgendwo sparen“, sagt Eike Drees, die auf die zum Teil dramatischen Folgen hinweist. Das fange bei der Selbstausbeutung an („die Leute arbeiten bis zum Umfallen“) und bei der Beschäftigung ungelernten Küchenpersonals an und gehe weiter mit dem Verzicht auf Reinigung und Desinfektion.

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Das Portal lebensmitteltransparenz.nrw.de veröffentlicht Missstände in der Essener Gastro

Gespart werde bei der teuren Kühlung ebenso wie bei den in der Küche eingesetzten Lebensmitteln. „Das Gemeine daran ist, dass die schlechten Betriebe die guten mit runterziehen.“ Wer frische Lebensmittel verarbeitet, jeden Abend die Reinigungskraft saubermachen lässt und Fachpersonal beschäftigt, muss unweigerlich höhere Preise aufrufen als der skrupellose Schummel-Gastronom. Drees: „Wenn der Grillteller im Restaurant links 31,50 Euro kostet und im Lokal rechts daneben nur 8,50 Euro, entscheidet sich der Gast in der Regel für den kleinen Preis.“ Mit anderen Worten: Gammel siegt über Sauber.

„Wenn der Grillteller im Restaurant links 31,50 Euro kostet und im Lokal rechts daneben nur 8,50 Euro, entscheidet sich der Gast in der Regel für den kleinen Preis.“ “

Dr. Eike Drees
Sachgebietsleiterin Lebensmittelüberwachung der Stadt Essen

Exakt an dieser Stelle sieht sich die Essener Lebensmittelüberwachung selbstbewusst in der Pflicht, für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. „Unsere Kontrollen führen dazu, dass Betriebe, die massiv gegen lebensmittelrechtliche Vorgaben verstoßen und dadurch erhebliche wirtschaftliche Vorteile erzielen, in die Schranken verwiesen werden.“

Die Zeiten, als die Essener Lebensmittelkontrolleurinnen und -kontrolleure weitgehend im Verborgenen wirkten, sind längst vorbei. Wenn die Männer und Frauen in den weißen Kitteln Essener Betrieben schwerwiegende und fortwährende Verstöße nachweisen, müssen diese umgehend öffentlich gemacht werden. Das Internet-Portal lebensmitteltransparenz.nrw.de listet nicht nur die Verstöße akribisch auf, sie nennt auch die Namen der Betriebe – und das mehrere Monate lang.

Für die letzten 30 Tage werden aktuell vier Essener Problem-Restaurants mit reichlich Siff aufgeführt. Es war so schlimm, dass die Kontrolleure die Läden in allen Fällen vorübergehend dichtmachen und eine Grundreinigung anordnen mussten. In einem Fall dauerte die Schließung fast drei Wochen.

Dr. Eike Drees stellt klar, dass es bei den Veröffentlichungen keinesfalls darum gehe, einzelne Betriebe in aller Öffentlichkeit an den Pranger zu stellen. „Wir wollen die Verbraucher schützen, sie haben das Recht, über gravierende Missstände informiert zu werden.“

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