Essen. Schwerwiegende Fälle macht das Portal „lebensmitteltransparenz.nrw.de“ publik. Auf „Topfsecret“ können Verbraucher Kontrollberichte abfragen.

Wenn Essener Restaurants zum wiederholten Male oder in „nicht unerheblichem Maße“ gegen gesetzlich festgelegte Hygienestandards verstoßen, kennt die Städtische Lebensmittelüberwachung kein Pardon: Der Missstand wird auf dem für alle frei zugänglichen Internet-Portal lebensmitteltransparenz.nrw.de publik gemacht. Die 2019 überarbeitete Online-Seite führt nicht nur den Namen des Unternehmens und seine Anschrift auf, er gibt auch die vom Lebensmittelkontrolleur festgehaltenen Überwachungsergebnisse mit alle schmuddeligen Details wieder. Und das für mehrere Wochen.

Für den krassesten Vorfall der jüngsten Vergangenheit sorgte kürzlich ein Lokal am Baldeneysee. Denn laut Prüfbericht wurden dort am 4. April 2024 „Schadnagerbefall mit massiver Verunreinigung durch Rattenkot und ein verwesender Rattenkadaver“ gefunden. Ferner sei „ein starker, unangenehmer Geruch nach Rattenexkrementen wahrnehmbar“ gewesen. Der Bericht schließt mit dem Satz: „Eine Betriebsschließung, die Beauftragung eines Schädlingsbekämpfers sowie eine Grundreinigung aller Betriebsräumlichkeiten wurden vor Ort angeordnet.“

Lebensmittelkontrolle: Je risikobehafteter ein Betrieb, desto intensiver die Kontrolldichte

Kontrollen in Problem-Betrieben können gut zwei Stunden dauern. Wo hingegen peinlich genau auf Hygienestandards geachtet wird, ist der Kontrolleur schon nach einer halben Stunde wieder draußen. Mängel und Verstöße werden mit der Handykamera festhalten. Das fotografierte Beweismaterial ist ungemein wichtig, wenn sich Betriebe gegen Betriebsschließungen und Bußgelder zur Wehr setzen. Von der Kontrolle des Lokals, in dem der Rattenkadaver gefunden wurde, existieren mehr als 100 Fotos.

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Das Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt der Stadt Essen, untergebracht in einem modernen Bürogebäude an der Lützowstraße, kontrolliert in Essen zwischen 5500 bis 5700 Betriebe: Restaurants und Kantinen, Supermärkte und Kioske, Döner- und Pommesbuden, Metzgereien und Bäckereien, Tabakwaren- und Kosmetikgeschäfte.

Betriebe, die mit der Abgabe und Verarbeitung von frischen tierischen Lebensmitteln beschäftigt sind, also Fleisch und Fisch, gelten als am meisten risikobehaftet. „Fleischereien und Pizzerien werden deshalb häufiger kontrolliert als ein Kiosk“, sagt Dr. Ansgar Reckmann, stellvertretender Leiter der Lebensmittelüberwachung und von Hause aus Tierarzt.

Städtische Lebensmittelüberwachung in Essen führt im Jahr 5000 Kontrollen durch

13 Kontrolleure (Planstellen) stehen in Diensten der Essener Lebensmittelüberwachung, jeder einzelne muss sich um etwa 500 Betriebe kümmern. Im Durchschnitt kommt er auf drei Kontrollen am Tag. Im vergangenen Jahr habe es etwa 5000 Kontrollen gegeben. Dazu zählen Plankontrollen, aber auch Nachkontrollen, die mittlerweile den größten Posten darstellen. 2023 habe es 48 Fälle gegeben, die veröffentlicht werden mussten. Im laufenden Jahr bislang 18.

„Wir sind keine Behörde, die einen Betrieb an den Pranger stellen will, uns geht es vorrangig um den Verbraucherschutz“, sagt Reckmann. Dem Oberveterinärrat ist es wichtig zu betonen, dass seine Behörde bei den Kontrollen keinerlei Unterschied mache: „Das Restaurant mit gutbürgerlicher Küche wird genauso akribisch kontrolliert wie die Dönerbude an der Ecke, es gibt keine Betriebe ohne Mängel.“

Über die Berichte auf dem Portal lebensmitteltransparenz.nrw.de hinaus ermöglicht das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) dem Bürger, sich selbst ein Bild von einem Betrieb seiner Wahl zu verschaffen. § 2 VIG gibt dem Bürger das Recht, die Lebensmittel-Überwachungsbehörde selbst um Auskunft zu bitten. Wer beispielsweise wissen möchte, wie die letzten beiden Kontrollberichte im Supermarkt xy oder in der Pizzeria um die Ecke ausgefallen sind, schreibt einfach die Behörde an. Diese Auskunft erteilt die Behörde aber est, nachdem der Betrieb angehört worden ist.

Bürger bitten Behörde gezielt um Auskunft über Hygienekontrollen

Vereinen wie Foodwatch und der Transparenz-Initiative „FragDenStaat“ gehen die Veröffentlichungen der kommunalen Lebensmittelüberwachungsbehörden nicht weit genug. Sie haben deshalb die Online-Plattform „Topfsecret“ geschaffen. Verbraucher können auf ihr die Ergebnisse von Hygienekontrollen in Restaurants, Supermärkten oder Kiosken abfragen und sogar selbst veröffentlichen.

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Als Foodwatch 2019 bundesweit verstärkt auf die Möglichkeiten des Verbraucherinformationsgesetzes hinwies, machten allein in Essen auf Anhieb 116 Bürgerinnen und Bürger von ihrem Auskunftsrecht Gebrauch. Allerdings hat das Interesse in den folgenden Jahren spürbar abgenommen. 2023 habe es nur noch 21 Anträge gegeben und im laufenden Jahr 2024 seien zwölf Anträge eingegangen, so Reckmann.

Das Baldeneysee-Restaurant, in dem Rattenkot und Rattenkadaver gefunden wurden, hat übrigens schon am Tag nach der Kontrolle wieder öffnen dürfen. Auf lebensmitteltransparenz.nrw.de heißt es: „Die Hygienemängel waren bei einer Nachkontrolle am 05.04.2024 weitestgehend abgestellt und der Betrieb wurde wieder geöffnet. Eine Schädlingsbekämpfung wurde durchgeführt.“

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