Essen. Die Uniklinik Essen soll nach Plänen des NRW-Gesundheitsministeriums keine Herzen mehr transplantieren. Nun appelliert die Stadt an den Minister.

Die von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann auf den Weg gebrachte Krankenhausreform bringt auch für die vier Essener Klinikträger deutliche Veränderungen mit sich: Einzelne Klinikstandorte sollen – zum Teil lukrative – Bereiche abgeben oder die von ihnen gewünschten Fallzahlen nach unten korrigieren. Auch die Uniklinik als Maximalversorger bleibt nicht verschont: Sie soll künftig auf Herz-Transplantationen verzichten. Dagegen wehrt sich das Haus. Nun meldet sich Essens Gesundheitsdezernent zu Wort: Er unterstütze den Widerstand der Uniklinik „vollumfänglich“.

Bis zum 11. August konnten die Krankenhäuser im Land zu den Plänen Stellung nehmen. Im gesamten Regierungsbezirk Düsseldorf haben 90 Krankenhäuser diese Möglichkeit genutzt; darunter auch alle Essener Träger.

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Man sei in der Anhörungsphase mit dem Ministerium „in Dialog getreten“, erklärt etwa der Geschäftsführer der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte (KEM), Hans-Dieter Weigardt. Denn nach dem Willen Düsseldorfs sollen dem Brustzentrum der KEM statt der 1200 beantragten Fälle pro Jahr lediglich 804 bewilligt werden. Für den prestigeträchtigen Bereich, der laut Weigardt, „seit Jahren kontinuierlich wächst“, habe man daher um eine Anpassung der Fallzahlen gebeten.

Hans-Dieter Weigardt, Geschäftsführer der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte (KEM).

„Ein Abbau von Stellen ist bei den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte nicht geplant.“

Hans-Dieter Weigardt, Geschäftsführer der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte (KEM)

Eigentlich entspricht das Brustzentrum der KEM genau dem Geist der Reform: Laumann fordert eine stärkere Spezialisierung mit dem Ziel, dass „qualitativ hochwertige Schwerpunkte gebildet werden können“. Kliniken, die schwächer aufgestellt sind oder zu geringe Fallzahlen haben, sollen Bereiche zugunsten starker Standorte abgeben.

Essener Krankenhaus gilt als eins der größten Brustkrebszentren

In der Senologie, die sich mit Erkrankungen der weiblichen Brust befasst, sieht Düsseldorf „insgesamt eine Überzeichnung durch die beantragenden Krankenhäuser“ in Essen und den Nachbarstädten Mülheim und Oberhausen. Darum wurden auch die Fallzahlen an der Uniklinik von 350 auf 232 gestutzt. Der Antrag des Elisabeth-Krankenhauses wurde abgelehnt: Die Klinik habe zu geringe Fallzahlen und erfülle „die Mindestkriterien nicht“.

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Sprich: Es gibt in Essen für Brustkrebspatientinnen künftig nur noch zwei Anlaufstellen, und die KEM behalten ihre Vorrangstellung; auch wenn Düsseldorf die Zahlen nicht noch nach oben korrigiert. Stärkere Konzentrationen wird es auch an anderen Stellen geben: Das Land hat 64 Leistungsgruppen von Allgemeiner Chirurgie bis Wirbelsäuleneingriffe geschaffen, nach denen es die Kliniklandschaft neu aufstellt.

Den KEM wurden 33 von 35 beantragten Gruppen bewilligt, teils mit gesenkten Fallzahlen. Der Träger sieht sich in seinem Weg bestätigt und hofft auf das Okay für weitere Gruppen. „Ein Abbau von Stellen ist bei den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte nicht geplant“, betont Geschäftsführer Weigardt.

Uniklinik soll auf Geriatrie-Patienten verzichten

Im Wesentlichen sei der Minister den Anträgen gefolgt, sagt auch die Uniklinik. „Die Umsetzung wird nach aktuellem Stand keine Schließung von Abteilungen oder den Abbau von Betten auslösen.“ Man sehe die universitäre Versorgung gestärkt, „was aus unserer Sicht zu einer verbesserten Versorgungslage der Bevölkerung führen wird“.

Gleichwohl hat auch die Universitätsmedizin Redebedarf: So soll man keinen der 800 beantragten Geriatrie-Fälle erhalten, während allen drei anderen Trägern die gewünschten Zahlen bewilligt werden: Sie hätten schon bisher höhere Zahlen gehabt; und da man Leistungen bündeln wolle, sei „ein zusätzlicher Standort im Stadtgebiet Essen für die Versorgungssicherheit nicht notwendig“. Die Uniklinik widerspricht: Es gehe auch um die Behandlung „geriatrischer Patienten mit komplexen Krankheitsbildern“ sowie und um die Teilnahme an wissenschaftlichen Studien.

Blickfang auf dem Campus der Uniklinik Essen: Das Herz-Logo am Westdeutschen Herz- und Gefäßzentrum.
Blickfang auf dem Campus der Uniklinik Essen: Das Herz-Logo am Westdeutschen Herz- und Gefäßzentrum. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Alle Herztransplantationen sollen künftig nach Düsseldorf gehen

Im Bereich der Spitzenmedizin steht die Uniklinik zudem in regionalem Wettbewerb. Gerade für Eingriffe, die mit Vorlauf geplant werden, hält Laumann eine Versorgung am Wohnort für nicht zwingend. Daher sollen die Unikliniken Bonn, Köln und auch Essen auf Herztransplantationen verzichten. Diese sollen am „mit Abstand fallzahlstärksten Standort im Landesteil“ durchgeführt werden: am Uniklinikum Düsseldorf. Für Essen geht es um 20 beantragte Fälle – und wohl mehr noch ums Prestige. Zumal auch die Zahl der Lebertransplantationen von 150 auf 64 sinken soll.

Die Uniklinik teilt auf Anfrage dazu mit: „Die Universitätsmedizin Essen nutzt das Anhörungsverfahren, um als bedeutendstes Transplantationszentrum in NRW auch künftig Herztransplantationen durchzuführen. Wir sind zuversichtlich, dass unserer Argumentation gefolgt wird.“ In diesem Jahr seien an der Uniklinik bereits zehn Herztransplantationen durchgeführt worden.

Unterstützt wird das Klinikum auch von Essens Gesundheitsdezernent Peter Renzel, der an das Laumann-Ministerium schreibt: „Die Universitätsmedizin hat für den Gesundheitsstandort Essen und für die Region mit dem einzigen alle großen Organe transplantierenden Zentrum in Nordrhein-Westfalen eine herausragende Bedeutung.“ Von einem Aus für die Herztransplantationen wäre „neben der Krankenversorgung auch die Forschung schwer betroffen“, schreibt Renzel weiter. Die Stadt schließe sich daher den Einwänden des Klinikums „vollumfänglich“ an. 

Prof. Dr. Jochen A. Werner, Ärztlicher Direktor der Uniklinik Essen. 
Bildrechte: Universitätsmedizin Essen   

„Die von Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann angestoßene Krankenhausreform geht in die richtige Richtung. Im Kern steht das Ziel, eine patientenorientierte, dem jeweiligen Krankheitsbild entsprechende Versorgung einschließlich der damit einhergehenden sicheren Finanzierung dauerhaft sicherzustellen. “

Prof. Jochen A. Werner, Ärztlicher Direktor der Uniklinik Essen

Grundsätzlich urteilt der Ärztliche Direktor der Uniklinik, Prof. Dr. Jochen A. Werner: „Die von Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann angestoßene Krankenhausreform geht in die richtige Richtung. Im Kern steht das Ziel, eine patientenorientierte, dem jeweiligen Krankheitsbild entsprechende Versorgung einschließlich der damit einhergehenden sicheren Finanzierung dauerhaft sicherzustellen.“ Das gelte für Ballungsräume wie auch für den ländlichen Raum.

Contilia sieht sich auf ihrem Weg bestätigt

Auch der katholische Träger Contilia begrüßt die Reform und sieht sich durch sie bestätigt: Man sei 2006 als regionaler Verbund angetreten, um eine „vernetzte Versorgung“ zu realisieren, wie sie auch Laumann vorschwebt. Ihm geht es neben einer wohnortnahen Grundversorgung um „die Bündelung medizinischer Spezialleistungen an weniger Krankenhausstandorten“. Beispielhaft erlebt die Contilia das bei der Wirbelsäulenchirurgie, die nach den jetzigen Plänen weder am Philippusstift in Borbeck noch am St. Josef-Krankenhaus Kupferdreh fortgesetzt werden soll. Doch für sein St. Marienhospital in Mülheim sind dem Träger 500 Fälle bewilligt.

Carsten Preuß, Geschäftsführer des Philippusstifts in Essen-Borbeck

„Wir sehen diese Entscheidungen als Bestätigung der Ausrichtung unserer Krankenhäuser und auch der Veränderungsmaßnahmen bzw. Investitionen der letzten Jahre.“

Carsten Preuß (Bild) und Peter Berlin, Krankenhaus-Geschäftsführer bei der Contilia zu den Plänen von NRW-Minister Karl-Josef Laumann  

Das Land habe die Erwartungen der Contilia „weitgehend erfüllt“, sagen die beiden Krankenhaus-Geschäftsführer Carsten Preuß (Philippusstift) und Peter Berlin (Elisabeth-Krankenhaus, St. Josef-Krankenhaus). „Wir sehen diese Entscheidungen als Bestätigung der Ausrichtung unserer Krankenhäuser und auch der Veränderungsmaßnahmen bzw. Investitionen der letzten Jahre.“ Dazu zählt die umstrittene Schließung von Marienhospital und St. Vincenz-Krankenhaus im Norden der Stadt. Die Rolle der Contilia in der medizinischen Versorgung für Essen werde durch die Düsseldorfer Pläne dauerhaft gestärkt, sagen die Geschäftsführer nun. „Sie sind für uns auch Ansporn, uns im Sinne unserer Patienten immer weiterzuentwickeln.“ Im Anhörungsverfahren wolle man für „die Anpassung einiger weniger Leistungsgruppen argumentieren“.

Krupp-Krankenhaus Steele soll Bereiche abgeben

Diesen Weg wollen auch die Alfried-Krupp-Krankenhäuser gehen, die zwei Gruppen nicht erhalten haben. „Für diese gehen wir selbstverständlich in die Anhörung.“ Gleiches gelte für Bereiche, „bei denen die zugewiesenen Fallzahlen bereits heute erreicht oder überschritten sind“. In einigen Punkten verordnet das Ministerium „Krupp“ quasi eine Konzentration unter eigenem Dach: So soll der 2023 in Schieflage geratene Standort Steele die Endoprothetik Knie und Hüfte abgeben, die Fallzahlen für Rüttenscheid werden dafür leicht erhöht. Landesweit stutzt Laumann den so lukrativen wie ausufernden Bereich.

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Nach dem Stichtag am 11. August sieht sich das Land nun die Einwände der Klinikträger in NRW an. Die endgültigen Bescheide werden zum Jahresende erwartet. Ab dann erhalten Krankenhäuser nur noch Geld für bewilligte Leistungsgruppen.

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