Emmerich. Auseinandersetzung mit Paketbotem: 61-Jähriger wurde im Zweifel für den Angeklagten freigesprochen. Was vor Gericht nicht geklärt werden konnte.
Dass am 8. Mai 2024 in einem Vorgarten an der Nierenberger Straße zwei Männer in eine körperliche Auseinandersetzung geraten sind, das stand für das Amtsgericht Emmerich am Ende einer Verhandlung am Montag außer Frage. Aber: „Es ist unklar, wer zuerst mit einem Gegenstand geschlagen hat. Das ist nicht zweifelsfrei zu klären“, erklärte Richterin Mareen Hölker ihren Freispruch in dubio pro reo.
Hund bellte mit einem Ball im Mund
Angeklagt wegen schwerer Körperverletzung war ein 61-jähriger Emmericher. Er wohnt in einem Sechsparteienhaus, befand sich am besagten Tag in der Gartenhütte, wo er eine kleine Werkstatt eingerichtet hat, als er seinen Hund bellen hörte. Ein Paketbote stand vor dem Vorgartentor. Der Bewohner ging mit einer Wasserrohrpumpenzange noch in der Hand raus und rief seinen Hund zu sich.
Noch als der Vierbeiner unterwegs war zu ihm, öffnete der 50-jährige Kurierfahrer aus Duisburg das Törchen. Dies veranlasste den Hund umzukehren und den Fremdling anzubellen – offenbar mit einem Ball im Mund. Der Angeklagte wunderte sich noch, warum der Paketbote schon hinein kam, da er das sonst auch nie gemacht habe und Angst vor Hunden habe.
Hat der Paketbote nach dem Hund getreten?
Der Hundehalter stellte sich jedenfalls zwischen Hund und Paketboten. Ab hier gehen nun die Aussagen auseinander. Der Emmericher sagt, der Duisburger habe nach seinem Hund getreten. Da habe er dem aus Rumänien stammenden und wenig Deutsch sprechenden Kurierfahrer gesagt: „Hier wird nicht nach Hunden getreten, verlassen Sie bitte sofort das Grundstück.“ Dann habe der 50-Jährige einen Inlineskate ergriffen und den Emmericher geschlagen. Dieser drängte den Duisburger an eine Wand.
„Ich vergaß, dass ich die Zange noch in der Hand hatte“
Dann wollte er sich verteidigen, wollte mit der Hand zuschlagen: „Ich vergaß, dass ich die Zange noch in der Hand hatte.“ Damit traf er den Paketboten am Kopf. Aus einer Platzwunde lief ihm das Blut über den Kopf. Zugleich soll der 50-Jährige mit den Inlineskate auf Hüfte und Oberschenkel des Hundehalters geschlagen haben. Jetzt klammerten sich beide aneinander, fielen zu Boden und rangelten weiter, bis sie von herbeieilenden Nachbarn getrennt wurden.
Paketbote wusste nicht, wie er auf den Hund reagieren soll
Als der Paketbote davonlaufen wollte, habe der Emmericher das verhindern wollen, stürzte dabei aber auch selbst, weil sein linkes Bein nicht mehr belastbar gewesen sei. Jedenfalls blieb der Duisburger vor Ort, bis Polizei und Krankenwagen vor Ort waren.
Der Paketbote ergänzte als Zeuge, dass er nicht wusste, was er machen sollte, als der Hund auf ihn zulief. Er hob die Arme und hoffte, dem Hund so Angst zu machen. Die Worte des Emmerichers konnte er nicht verstehen, ließ er im Gericht durch seinen Übersetzer übermitteln. Recht nebulös schildert er den Start des körperlichen Konflikts. Plötzlich spürte er den Schmerz am Kopf und merkte, dass Blut hinunterfloss. Ab dem Gerangel waren die Aussagen etwa identisch.
Der Duisburger beteuert, nicht geschlagen zu haben
Auf Nachfrage des Gerichts beteuerte der 50-Jährige, nicht nach dem Hund getreten zu haben. Auch habe er den Hundebesitzer nicht geschlagen. Er habe das Paket und den Scanner die ganze Zeit in den Händen gehalten. „Wir liefern nur schnell ab“, sagte er auf Rumänisch, dann auf Deutsch: „Bitte schön. Tschüss.“
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Ein Nachbar, der als Zeuge aussagte, kam erst später hinzu, sah die beiden nur noch rangeln und konnte deshalb nicht viel zur Erhellung beitragen. Aber er meinte sich zu erinnern, dass der am Boden liegende Duisburger immer noch das Paket krampfhaft festhielt.
Der Angeklagte entschuldigte sich zweimal
Der Emmericher blieb zwei Tage im Krankenhaus, ein schwerer Bluterguss an der Hüfte wurde behandelt. Es gab keine Folgeschäden. Der Duisburger wurde am Kopf genäht, verteilte unmittelbar danach noch weiter Pakete, bis eine Kollegin ihn ablöste, wurde dann aber bis zum 22. Mai krank geschrieben. Auch er trug keine dauerhaften Schäden davon.
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Zweimal entschuldigte sich der Emmericher, dass die Rohrzange zum Einsatz kam; einmal im Beisein des Opfers. Er sei angegriffen worden und habe sich verteidigt.
Weitere Zeugen wollten nicht aussagen.
Die Staatsanwältin beantragte den Freispruch im Zweifel für den Angeklagten: „Die Beweisaufnahme führte nicht zu einem Ergebnis, wer zuerst zugeschlagen hat.“ Auch sei die örtliche Beschreibung des Opfers wenig aufschlussreich gewesen. Die Richterin folgte dem Antrag und ergänzte, dass die Notwehrsituation unklar sei und die Verletzungen nicht für wiederholte Schläge sprechen.
Der Angeklagte deutete übrigens an, dass es weitere Zeugen gegeben habe, die sich aber vor Gericht nicht äußern wollten. Vielleicht hätten sie mehr Licht ins Dunkel bringen können und wollten eine der beiden Parteien aber nicht belasten.