Kreis Kleve. Seit einem Jahr gibt es die Verbraucherzentrale in Kleve. 2058 Fälle behandelt. Dieses windige Unternehmen war häufiger Thema.

  • Die Verbraucherzentrale NRW mobil & digital im Kreis Kleve besteht seit Juli 2023.
  • Die Nachfrage ist groß: 2058 Verbrauchsanliegen wurden seither behandelt.
  • In 44 Prozent der Fälle ging es um Energie.
  • Bei 39 Prozent wurden Alltagsverträge und Reklamationen behandelt.

Ein echtes Szenario: Ein Energieunternehmen verlangt von einer Kundin eine Nachzahlung von 9000 Euro. Diese vermutet einen Fehler, aber das Unternehmen bleibt hart. Die Rechtsvertretung der Verbraucherzentrale schaltet sich ein – und am Ende darf sich die Kleverin über ein Guthaben von mehreren Hundert Euro freuen.

Dieser Fall ist einer von vielen Erfolgen des Pilotprojekts der Verbraucherzentrale NRW „mobil & digital im Kreis Kleve“. Seit Juli 2023 präsent, ist nun Zeit, Bilanz zu ziehen. Mit dabei: Dr. Iris van Eik, Bereichsleiterin und Mitglied der Geschäftsführung der Verbraucherzentrale NRW, Dr. Marle Kopf, Regionalleiterin der Verbraucherzentrale NRW, die Leiterin vor Ort Carmen Hesse, Landrat Christoph Gerwers und Dr. Volkhard Wille, grüner Landtagsabgeordneter für den Kreis Kleve.

2058 Verbraucheranliegen

Die Bürger im Kreis Kleve „haben uns quasi vom ersten Tag an überrannt“, freut sich Iris van Eik. Schwerpunkt der mobilen Arbeit im Kreis ist eine Struktur, die alle Kommunen des Kreises bedient, mit einer Geschäftsstelle im Kreishaus, die sich um Vernetzungsarbeit vor Ort, Aktionen, Veranstaltungen, bei Bedarf auch Erstberatung vor Ort kümmert. Daneben gibt es individuelle Beratungen in der Zentralstelle.

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2058 Verbraucheranliegen sind eine beachtliche Bilanz „dafür, dass man sich eigentlich im ersten Jahr noch in der Aufbauphase befindet“, so Iris van Eik.

Der größte Block: Energie

Die Kombination aus lokaler Informationsarbeit und virtueller und telefonischer Beratung sei gut geeignet für den ländlichen Raum, bestätigt auch Marle Kopf, zuständig für das neue Modell.

Sie wirft einen Blick hinter die Zahlen: Der größte Block mit 44 Prozent sei der Bereich Energie. Wie kann man Energie sparen oder die Heiztechnik optimieren? Hier wenden sich nicht nur Hauseigentümer an die Verbraucherzentrale, sondern auch Mieter. Ein weiterer Bereich sei die Rechtsberatung, also überall dort, wo es um Verträge, Abrechnungsprobleme oder Versorgungsstörungen geht. 

Verbraucherzentrale Kreis Kleve
Freuen sich über den enormen Erfolg des Pilotprojekts der Verbraucherzentrale NRW „mobil & digital im Kreis Kleve“ (von links): Leiterin vor Ort Carmen Hesse, Dr. Iris van Eik, Bereichsleiterin und Mitglied der Geschäftsführung der Verbraucherzentrale NRW, und Landrat Christoph Gerwers. © NRZ | Petra Zellhofer-Trausch

Das breite Feld der Telekommunikation

Mit 39 Prozent folgen Alltagsverträge und Reklamationen – und das breite Feld der Telekommunikation. „Es gibt nicht nur seriöse Anbieter.“ Viel zu tun hatte man zum Beispiel mit dem Unternehmen 1N Telecom, „das schon mit seinem Namen für Irritationen sorgt“, erklärt Marle Kopf. Viele Verbraucher hätten Verträge unterschrieben und ungewollt einen Anbieterwechsel vollzogen.

Auch der Internethandel bzw. Fakeshops spielen eine große Rolle. „Man hat ein Handy bestellt, bekommt aber ein Paket mit Steinen geliefert. Online-Shops nehmen keine Retouren an etc. Wer ist verantwortlich, wie kann ich das beweisen? Wie bekomme ich mein Geld zurück?“, beschreibt Kopf die Sorgen der Konsumenten.

Wenn der finanzielle Schuh drückt

Sieben Prozent kommen mit Kredit- und Finanzproblemen. Eine Rechnung, die nicht stimmen könnte und überprüft werden muss. „Bei genauerer Betrachtung stellen wir dann fest, dass es weniger um die Rechnung geht, sondern um Geldsorgen. Hier sind wir aktiv in das örtliche Hilfesystem eingebunden und versuchen, den Weg zur Schuldnerberatung zu ebnen.“ Auch das Mahn- und Inkassowesen sei hier ein eigenes Marktfeld, mit dubiosen Verträgen oder horrenden Gebühren – die oft nicht bezahlt werden müssten.

Und schließlich hat ein kleiner Teil der Bürger mit Reise- und Mobilitätsproblemen zu kämpfen. Das Gepäck ist verloren gegangen, der Flug verspätet, die Unterkunft schlecht oder der Anbieter insolvent – jüngster Fall: FTI

Der Anteil der Rechtsberatung und -vertretung ist hoch. In 50 Prozent der Fälle musste die Verbraucherzentrale eingreifen, mit einer Erfolgsquote von 80 Prozent. „Das erspart viel Ärger und Geld“, so Marle Kopf.

Die Fallen für die Jugend

Nicht zuletzt brauchen auch Jugendliche den Rat der Verbraucherzentrale: Abos bei Streamingdiensten, Rechnungen oder Inkassoschreiben – oft die Folge von Identitätsdiebstahl. Hier gilt es, den Schaden zu begrenzen, Lecks zu identifizieren – und zu klären, wie Kriminelle an die persönlichen Daten gekommen sind. Auch Verschuldung in jungen Jahren ist keine Seltenheit. Hier helfen Informationsveranstaltungen und ein Überblick über Schuldenfallen und Vertragstücken. Die Leiterin vor Ort, Carmen Hesse: „Hier prüfen wir zunächst das Alter. Ist der Vertrag überhaupt gültig? Es gibt immer eine Chance. Es kommt auf den Einzelfall an.“ Eine Bitte hat Carmen Hesse an alle: „Die Unterlagen zusammenhalten. Am besten chronologisch geordnet.“ 

Kontakt

Wer Rat sucht, wendet sich an die Beratung mobil & digital, Telefon 0211 54 2222 11 oder per E-Mail an service@verbraucherzentrale.nrw. Weitere Informationen gibt es unter www.verbraucherzentrale.nrw/kleve.

Für die nächste Zeit sind weitere Veranstaltungen geplant, zum Beispiel mit der Kreispolizeibehörde.

Kontinuierliche Weiterentwicklung

Landrat Christoph Gerwers: „Man sieht: Der Bedarf ist riesig. Das Projekt ist im Kreis Kleve auf fruchtbaren Boden gefallen.“ Die Fälle würden immer schlimmer. Wenn man hier jemanden um Rat fragen könne, sei das sehr wertvoll. „Frau Hesse und Frau Hamstra leisten hervorragende Arbeit.“ Ein großer Erfolg seien auch die 46 Veranstaltungen, die 1250 Bürgern Informationen rund um den Verbraucheralltag vermittelt hätten.

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Allerdings habe die Praxis auch gezeigt, dass es auf Verbraucherseite unterschiedliche Erwartungen gebe, sagt Marle Kopf. „Bei vielen ist die digitale Welt bereits gelebte Normalität, andere wünschen sich mehr Präsenzangebote.“ Daher würde überlegt, für weniger digital affine Menschen oder solche mit Sprachbarrieren, ein kleines Grundangebot an Präsenzberatung und Rechtsvertretung zu testen. Damit sei das neue Modell weiterhin in der Erprobungsphase und werde kontinuierlich weiterentwickelt. Eine Finanzierungssicherung gibt es bis 2028. Die Zeit soll gut genutzt werden.