Düsseldorf. Ein Wohnhaus in Düsseldorf soll abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Barbara Kalisch (78) ist seit 42 Jahren Mieterin – und soll raus.
Stolz zeigt Barbara Kalisch auf ihren Balkon im Obergeschoss. Am Geländer ranken rosa Blumen, die die Rentnerin mit viel Hingabe gepflanzt hat. Zwei Fenster weiter befindet sich ihr Nähzimmer. Wenn ihre Nachbarn etwas geschneidert haben wollen, klingeln sie bei der Rentnerin an – sie sei so etwas wie die Hausschneiderin, erzählt Kalisch und lacht. Schon ganz bald könnte es mit der friedlichen Hausgemeinschaft vorbei sein. Das Gebäude, in dem Kalisch seit 42 Jahren lebt, soll abgerissen werden. Eine Kündigung flatterte vor wenigen Wochen ins Haus.
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Es ist eine ungewöhnliche Geschichte, die sich derzeit in Golzheim abspielt: Das Wohnhaus in der Mauerstraße 32, Baujahr 1920, soll weg – dafür soll ein Neubau her. Das hat der Investor DUS Invest, dem das Haus seit Dezember 2020 gehört, nun entschieden und den zehn Mietparteien gekündigt. Eine Genehmigung dafür hat die Investmentfirma, hinter der das Immobilienunternehmen PrivatCapital steht, bereits vom Düsseldorfer Wohnungsamt erhalten.
Haus in Düsseldorf-Golzheim droht Abriss: Investor plant Neubau mit zwölf Wohnungen
Statt der Instandsetzung des alten Wohngebäudes soll hier ein Haus entstehen, das – so erklärt DUS Invest auf Nachfrage unserer Redaktion – die doppelte Wohnfläche gewährleiste, energetisch optimiert und altersgerecht geplant sei. So entstünden 12 familiengerechte Wohnungen, die nach derzeitiger Planung laut Investor vermietet werden sollen. Zudem sollen 12 Stellplätze für Elektrofahrzeuge entstehen. Luxuswohnungen sollen es keine werden, betont die Sprecherin auf Rückfrage. Schließlich sei das nach der Wohnraumschutzsatzung der Landeshauptstadt weder zulässig noch geplant.
In der Verwertungskündigung, die uns auch DUS Invest zuschickt, argumentiert die Immobilienfirma mit dem derzeitigen baulichen Zustand der Immobilie. „Die Bewirtschaftung der Immobilie hat in den vergangenen Jahren bei ihrer Vermieterin zu erheblichen handelsbilanziellen Verlusten geführt [...] Angesichts der stark gestiegenen und auch weiterhin volatilen Baukosten sind Kostenschätzungen für die Kernsanierung der Immobilie mit erheblichen Unsicherheiten verbunden“, heißt es in einer Kündigung seitens des Investors.
„Nach alledem ist die Lösung Abriss/Neubau der Immobilie mithin die einzige Möglichkeit, um die wirtschaftliche Existenz Ihrer Vermieterin nachhaltig zu sichern“, argumentiert die Firma in dem Schreiben weiter. „Bedauerlicherweise“ stehe das Mietverhältnis – wie auch die anderen Mietverhältnisse in der Immobilie - „dieser einzig sinnvollen wirtschaftlichen Verwertung entgegen.“ Härter ausgedrückt: Die zehn Parteien müssen ausziehen und sich eine neue Bleibe suchen.
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Haus in Düsseldorf soll abgerissen werden: Stadt hat Zweckentfremdung genehmigt
Bei der Stadt sei laut Anfrage der NRZ Mitte März eine Genehmigung zur Zweckentfremdung (in dem Fall: „Beseitigung des Mehrfamilienhauses Mauerstraße 32“) beantragt worden, diese hätte auch erteilt werden müssen, nachdem die Schaffung von Ersatzwohnraum auf demselben Grundstück zugesichert worden war, heißt es in der offiziellen Antwort. „Die diesbezüglichen Vorgaben der Wohnraumschutzsatzung und des Wohnraumstärkungsgesetzes wurden von dem Antragsteller erfüllt. Die geplanten Neubauten entsprechen den aktuellen Bauvorgaben und den aktuellen Wohnstandards. Das öffentliche Interesse am Erhalt des vorhandenen Wohnraums gilt nach Rechtslage durch die Schaffung dieses Ersatzwohnraumes als ausgeglichen.“
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Der Vorgang sei unter „Anwendung aller zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel, mit dem Ergebnis der Genehmigung zur Zweckentfremdung“ bewertet worden. Der Abbruch sei jedoch bis dato noch nicht bei der Bauaufsicht angezeigt worden – die Landesbauordnung schreibe allerdings keine Genehmigung für Abbrüche mehr vor, erklärt der Sprecher weiter.
„Ich will meine letzten Jahre doch in meinem schönen Zuhause hier verbringen.“
Ein Trost ist die Aussicht auf den Neubau für Barbara Kalisch und ihre Nachbarn wohl kaum. Dass das Wohnhaus in einem so schlechten Zustand sei, dass es abgerissen und ersetzt werden muss, kann die Gemeinschaft nicht glauben. Vor 42 Jahren ist Kalisch aus Berlin nach Düsseldorf gekommen. Ihr Zuhause in dem obersten Geschoss war ihre erste Wohnung in der Landeshauptstadt. „Wenn ich daran denke, dass ich hier bald rausmuss, macht mir das Angst. Ich will hier nicht weg“, erzählt die 78-Jährige, die früher in der Modebranche gearbeitet hat. „Ich bin immer noch schockiert, aber will weiter kämpfen“, fügt sie hinzu.
Damit ist sie nicht die alleine: Bei einem Vor-Ort-Termin am Donnerstag (11. Juli), zu dem das Düsseldorfer Bündnis für bezahlbaren Wohnraum geladen hatte, fanden sich viele Mieterinnen und Mieter vor dem Haus in der Mauerstraße zusammen, das sie bis dato ihr Zuhause nennen. Neben Barbara Kalisch war auch eine alleinerziehende Mutter mit einem pflegebedürftigen Kind mit geistiger Behinderung bekommen, die seit 15 Jahren in dem Haus wohnt. Schnell kämpfte sie mit den Tränen, als sie anfing darüber nachzudenken, dass sie mit ihrer Tochter nun im schlimmsten Fall ganz woanders „neu anfangen muss“, sei das hier doch der Lebensmittelpunkt der kleinen Familie.
Düsseldorfer Mieterin verzweifelt: „Will meine letzten Jahre doch in meinem schönen Zuhause verbringen“
Hinnehmen will die Hausgemeinschaft das Schicksal noch nicht. Stattdessen wollen sie gegen das Vorhaben klagen. Ob sie damit Erfolg haben werden, bleibt abzuwarten. Wenn nicht, müssen diejenigen, die weniger als fünf Jahre in dem Haus leben, ihre Wohnungen bis Ende dieses Monats geräumt haben. Langjährige Mieterinnen und Mieter haben dafür bis Juni 2025 Zeit. Zwar hat der Investor bereits die Unterstützung bei der Wohnungssuche zugesagt – wie uns auch die Sprecherin erklärt – doch so wirklich viel sei dabei noch nicht herumgekommen. Eine Wohnung sei Barabara Kalisch bisher angeboten worden. „Aber die wollte ich nicht, da will ich nicht hin“, sagt die Rentnerin ganz überzeugt.
So ganz glauben kann sie es nicht, dass gerade ihr das passiert. Ihre Rente ist nicht groß – 1045 Euro, für ihre jetzige Bleibe zahlt die Düsseldorferin 820 Euro warm und erhält zusätzlich Wohngeld. Eine neue Wohnung in der Landeshauptstadt zu finden, in der sie sich so wohlfühlt, wird schwer werden, befürchtet sie. Und vor allem würden ihr ihre Nachbarn fehlen, die sie sehr ins Herz geschlossen hat. „Ich will meine letzten Jahre doch in meinem schönen Zuhause hier verbringen“, sagt die sonst so fröhlich wirkende gebürtige Berlinerin, dann bricht ihr die Stimme – und ihre Augen werden feucht.