Düsseldorf. Mensa mit Kippa, Abi mit Sicherheitsdienst und Ranzen, die leichter sind als anderswo: Ein Besuch im einzigen jüdischen Gymnasium in NRW.
Die Schulministerin kommt, Düsseldorfs Oberbürgermeister wird da sein und der Ministerpräsident hat ein Grußwort geschickt: Wenn die Schülerinnen und Schüler des Albert-Einstein-Gymnasiums am kommenden Freitag, 21. Juni, nach acht Jahren Büffelei endlich die Abiturzeugnisse in den Händen halten, dann wird in ihrer Aula an der Theodorstraße in Rath mit mehr politischer Prominenz gefeiert als anderswo.
Das hat zum einen damit zu tun, dass es für das 2016 gegründete Gymnasium der allererste Abiturjahrgang ist. Zum anderen steht die Albert-Einstein-Schule aber auch deshalb im Rampenlicht, weil sie das einzige jüdische Gymnasium in NRW ist und es in ganz Deutschland nur noch zwei weitere gibt.
32 Abiturientinnen und Abiturienten feiern an der jüdischen Schule Düsseldorf
„Ich bin sehr zufrieden und stolz auf unsere Schule“, sagt Schulleiter Michael Anger. Die Erleichterung darüber, dass dieser erste Abi-Jahrgang nun geschafft ist, merkt man ihm an. „Das war ja hier für uns alle eine Premiere.“ Die 32 Abiturientinnen und Abiturienten liegen mit ihren Noten im Durchschnitt von NRW. Auch das freut den Schulleiter, denn das Rather Gymnasium musste in den vergangenen Jahren neben dem Unterricht auch die Herausforderungen einer noch wachsenden Schule meistern und ihr Profil als deutsche Schule mit jüdischer Ausrichtung entwickeln.
Seit dem 7. Oktober 2023 ist eine weitere Herausforderung hinzugekommen. „Die Bedrohungslage hat sich verschärft.“ Sicherheitsvorkehrungen in ihren Einrichtungen gehören für die jüdische Gemeinde in Düsseldorf zum Alltag. Aber durch den Angriff der Hamas auf Israel ist man nun noch vorsichtiger geworden. „Die Gefahr ist nicht kalkulierbar“, sagt Michael Anger. Deshalb wird die Schule seit Oktober zusätzlich zum Sicherheitsdienst der jüdischen Gemeinde auch von der Polizei bewacht.
Strenge Sicherheitskontrollen und Polizeiüberwachung vor der Düsseldorfer Schule
Wer in das Gebäude hinein möchte, wird weit vor dem Eingang vom Sicherheitspersonal abgefangen. Auch ich muss vor dem Interview mit der Schulleitung meinen Ausweis abgeben, der im Polizeiwagen überprüft wird. Das dauert überraschend lange. Erst nach einer Viertelstunde darf mich Lehrer Eric Christmann, der Pressebeauftragte der Schule, durch eine Schleuse auf den Pausenhof führen. Bevor sich das Tor öffnet, werde ich noch einmal durch eine verspiegelte Scheibe begutachtet. Das fühlt sich dann doch irgendwie nach Fernseh-Krimi an.
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„Das wirkt hier auf viele sicherlich abschreckend und wir würden uns wünschen, dass es nicht notwendig wäre“, sagt der Schulleiter. „Nach dem 7. Oktober hatten wir erstmal einen kompletten Shutdown“, beschreibt Michael Anger die Lage. Aber jetzt versucht sich die jüdische Schule wieder mehr zu öffnen und ein Stück Normalität in den Alltag zurückkehren zu lassen.
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Auf dem Schulhof wurden kürzlich Palmen in großen Kübeln aufgestellt, um zur Feier des ersten Abiturjahrgangs ein wenig israelisches Flair nach Düsseldorf zu holen. Ansonsten sieht der asphaltierte Innenhof noch recht karg aus. „Hier haben wir noch viel vor“, sagt Eric Christmann. Lange war unklar, ob die Schule, die 2016 in ein leerstehendes Bürogebäude eingezogen ist, an diesem Standort bleibt. Das ist jetzt entschieden, da viele Alternativstandorte aus Sicherheitsgründen nicht infrage kamen.
Für die 320 Schülerinnen und Schüler ist ausreichend Platz in dem Gebäudekomplex, wo einst der Bohrmaschinenhersteller Hilti seinen Sitz hatte. Die Klassenräume sind farbenfroh und sehr digital. Tafeln gibt es nicht. Alle Räume sind mit Beamern und Apple-TV ausgestattet, jeder Schüler bekommt ein iPad und einen Overheadprojektor hat hier noch niemand gesehen. Auch die Schulrucksäcke sind leichter als anderswo, da Bücher oft digital zur Verfügung gestellt werden.
Auf dem Stundenplan steht jüdische Religion und Hebräisch
Möglich macht das die jüdische Gemeinde, die sich die digitale Ausstattung als Schulträger einiges kosten lässt. Dennoch: Es ist keine Privatschule. „Wir sind eine Ersatzschule und werden zu 90 Prozent vom Land refinanziert“, erklärt der Schulleiter. Weitere Besonderheiten: Die Klassen sind mit maximal 24 Schülern klein und die Schule ist zweizügig. Auf dem Stundenplan stehen neben den üblichen Fächern noch jüdische Religion und Hebräisch.
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Was viele nicht wissen: Das Albert-Einstein-Gymnasium ist offen für alle. Etwa 70 Prozent der Schülerschaft sind jüdisch, aber auch Christen, Muslime oder Konfessionslose gehen hier zum Unterricht. Einzige Voraussetzung ist die Offenheit für die jüdischen Werte, die hier von allen gelebt werden. Auch wer nicht jüdisch ist, trägt beim Mittagessen eine Kippa und verzichtet darauf, ein Pausenbrot von zu Hause mitzubringen. Gegessen wird koscher, daher wird auch das Frühstück von der Schule gestellt.
„Wir haben hier eine sehr behütete Atmosphäre“, sagt Michael Anger. „Das ermöglicht unseren Schülerinnen und Schülern, ihre jüdischen Biografien in diesem Schutzraum frei zu leben.“ Eine Möglichkeit, die sie im Alltag sonst nicht haben, weil sie ihre Jüdischkeit aus Angst vor Anfeindungen verstecken. Nach Schulschluss wird die Kette mit dem Davidstern wieder unters T-Shirt gesteckt und die Kippa im Rucksack verstaut. „Unsere Schule ist eigentlich das beste Antisemitismusprojekt, das es gibt“, sagt Michael Anger, der selber keine jüdischen Wurzeln hat. „Wer hier mit Juden zur Schule geht, der öffnet sich auch ihnen und ihrer Kultur.“
Infos zum Albert-Einstein-Gymnasium
2016 wurde das Albert-Einstein-Gymnasium Düsseldorf als einziges jüdisches Gymnasium in NRW gegründet. Schulträger ist die jüdische Gemeinde, die mit 7000 Mitgliedern die drittgrößte in Deutschland ist. Es ist ein deutsches Gymnasium mit jüdischem Profil.
320 Schülerinnen und Schüler besuchen das Gymnasium aktuell. Etwa 70 Prozent von ihnen sind jüdisch. Viele von ihnen haben einen Migrationshintergrund und Russisch als Muttersprache. Schulsprache ist Deutsch. Zwei Stunden Hebräisch und jüdische Religion stehen zusätzlich zu den üblichen Fächern auf dem Stundenplan.
Von den aktuell 35 Lehrerinnen und Lehrern sind etwa 30 Prozent jüdisch. Die Schule im Düsseldorfer Stadtteil Rath ist zweizügig und offen für alle Konfessionen.
Mehr Information: www.einsteingymnasiumdus.de.